Mario Dobovisek: Am Telefon begrüße ich Hannes Swoboda, der Österreicher ist Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im Europaparlament. Guten Morgen, Herr Swoboda!
Hannes Swoboda: Schönen guten Morgen!
Dobovisek: Rebellion im britischen Unterhaus, also Premier Cameron verliert die Abstimmung über den neuen Haushalt der Europäischen Union – ist damit der anstehende EU-Gipfel von vornherein zum Scheitern verurteilt?
Swoboda: Ich glaube eigentlich schon, weil ich kann mir nicht vorstellen, wie man hier jetzt zu einer Einigung kommen kann. Es war schon vor dieser Abstimmung sehr unsicher, dass man so schnell zu einer Einigung kommt, aber jetzt kann ich es mir noch weniger vorstellen. Leider ist wieder einmal Europapolitik am Opferstock der Innenpolitik geopfert worden, das ist sehr traurig.
Dobovisek: Wie realistisch ist eine Kürzung des EU-Budgets, wie jetzt ja von den Briten und im Übrigen auch, wenn auch mit leiseren Tönen, von Berlin gefordert wird?
Swoboda: Ich kann mir das nicht vorstellen. Nicht weil wir nicht sparen müssen, wir müssen überall sparen, aber ich muss ja hinzufügen, dass der EU-Haushalt in den letzten Jahren ja viel geringer gewachsen ist als die nationalen Haushalte, dass wir hier keinen Defizit haben. Das heißt, man kann nicht den EU-Haushalt, der ohnehin sehr, sehr klein ist, vergleichen mit den Haushalten auf der nationalen Ebene.
Dobovisek: Ja, Herr Swoboda, wir erreichen Sie in Kairo, die Leitung ist relativ schlecht, deshalb schlage ich vor, spielen wir doch noch mal zwei Takte Musik und versuchen es gleich noch einmal, Sie weiter zu erreichen. Bis gleich.
Und noch einmal der Versuch, mit dem Sozialdemokraten Hannes Swoboda ins Gespräch zu kommen. Es geht um die Niederlage David Camerons gestern im Parlament dort. Herr Swoboda, was wenn Großbritannien in den Verhandlungen um das EU-Budget ein Veto einlegt?
Swoboda: Ich glaube, dass wir dann als Europäisches Parlament ebenfalls sagen müssen, dass wir nicht bereit sind, einen Kompromiss einzugehen, der schlecht für Europa ist. Vor allem auch schlecht für jene Länder, die durch Großbritannien auch sehr motiviert in die Europäische Union gekommen sind, wenn ich gerade an die osteuropäischen Länder denke.
Und wenn mir einer jetzt sagt, ja, sorry, ihr seid jetzt da, aber bekommt kein Geld, ihr bekommt keine finanzielle Unterstützung für die schwierigen Regionen, die ihr habt und die ihr weiterentwickeln wollt, dann ist das sehr unfair. Und daher müssen wir hart bleiben im europäischen Parlament und dann auf der Basis des diesjährigen Budgets einfach die kommenden Budgets fortschreiben. Das ist nicht gut für Großbritannien, aber gut für Europa.
Dobovisek: Wenn denn aber beide Seiten hart bleiben und die Budgets so fortgeschrieben werden, wie sie jetzt sind, das, sagen sie, sei nicht gut für Europa. Steht damit Europa im Grunde vor dem Zerfall?
Swoboda: Das glaube ich nicht. Letztendlich wird sich Großbritannien, und zwar alle Parteien, auch entscheiden müssen, was sie wollen, ob sie in diesem Europa bleiben wollen oder ob sie ausscheren wollen und einen Alleingang machen wollen. Das ist, glaube ich, etwas, was letztendlich die Bürgerinnen und Bürger von Großbritannien nicht wollen, was die City of London, der Finanzplatz nicht will, der sehr viel Geschäfte mit Europa, insbesondere mit der Eurozone macht, aber Großbritannien muss sich dann entscheiden, was es will.
Und natürlich auch die anderen Länder. Es gibt ja nicht nur Großbritannien, sondern einige Länder, die da massiv … [nicht verständlich, Anmerkung der Online-Redaktion] sind. Noch mal: Der Populismus greift so um sich, dass man gar nicht mehr dran denkt, worum geht’s eigentlich beim Budget, wie klein ist es, welche Investitionen können da kommen fürs Wachstum, sondern dass es nur mehr um Innenpolitik geht, und das ist für Europa sicherlich traurig, aber noch kein Grund zum Zerfall.
Dobovisek: Ist das denn trotzdem eine gefährliche Situation, wenn wie in Großbritannien oder auch in Tschechien zum Beispiel der antieuropäische Populismus Oberhand gewinnt?
Swoboda: Natürlich ist es gefährlich. Die Wahlen in Tschechien zeigen aber, dass der antieuropäische Populismus doch seine Grenzen hat. Tschechien versucht ja, beide Wege zu gehen. Es ist für eine Kürzung des Budgets oder für mehr Geld für Tschechien selbst. Die ganze Stimmung in Europa ist da natürlich problematisch, aber ich denke doch – und da hoffe ich sehr auf Deutschland, muss ich sagen, bei aller Kritik an Frau Merkel –, ich hoffe doch, dass Deutschland und Frankreich da schon Verantwortung zeigen und letztendlich zu einem vernünftigen Kompromiss über das Budget und zu einer Weiterentwicklung der Europäischen Union bereit sind.
Dobovisek: Und für die Weiterentwicklung spielt auch folgendes Thema eine Rolle, zu dem wir uns eigentlich heute Morgen verabredet hatten, nämlich die europäische Perspektive des Balkans – Anlass: die gemeinsame Reise von US-Außenministerin Hillary Clinton und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton. Wie wichtig ist die Annäherung des Balkans an die EU für die Europäische Union selbst?
Swoboda: Diese Annäherung ist, glaube ich, sehr wichtig, weil wir kein schwarzes Loch gewissermaßen in unserer Nachbarschaft haben wollen, und dass es entscheidend ist, dass gerade für Griechenland und für die Länder in dieser Region, die jetzt schon in der Europäischen Union sind, dass Korruption, dass der Menschenhandel, dass all die unangenehmen Erscheinungen, die sich da breitgemacht haben, wirksam bekämpft werden.
Wir können nur für Stabilität in dieser Region – in Bulgarien, in Griechenland, in Kroatien et cetera – sorgen, wenn wir auch einen Reformprozess im Balkan haben. Da ist dieser Prozess wichtig, daher auch diese Reise wichtig, um auch ein Signal zu geben, ihr seid nicht vergessen und verloren, allerdings, ihr müsst eure Hausaufgaben machen, ihr müsst jene Reformen durchführen, die wichtig sind, damit ihr auch eine Chance bekommt, zu der Europäischen Union zu kommen.
Dobovisek: Der türkische Premier Erdogan sagte, er betrachtet zum Beispiel Bosnien als 81. osmanische Provinz, Fakt ist, während die EU mit der Bewältigung ihrer Krisen beschäftigt ist, nimmt das wirtschaftliche Gewicht der Türkei in Südosteuropa merklich zu. Ist es das, was Sie als schwarzes Loch bezeichnen?
Swoboda: Die Türkei soll sich nicht übernehmen. Wenn ich dran denke, dass die Türkei vor Kurzem gesagt hat, sie will mit keinem Nachbarn Probleme haben, heute hat sie mit allen Nachbarn Probleme, und wenn ich ja gerade auch hier in Kairo bin, wirtschaftlich wird die Türkei eine größere Rolle in der Nachbarschaft von Bosnien bis zur Türkei nehmen, aber deswegen nicht politisch. Ich glaube, politisch übernimmt sich jetzt Erdogan.
Aber natürlich ist schon richtig, gewisse muslimische, fundamentalistische Kräfte könnten aus einem Zurückweisen Bosniens zum Beispiel doch wieder stärker gewinnen. Das ist auch ein Grund mehr, um ein klares Signal zu geben, wir wollen euch, ihr tut es langfristig, aber ihr müsst entsprechende Schritte unternehmen, wir wollen keinen Staat haben, der zusätzliche Probleme bringt, sondern wir wollen durch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union erreichen, dass ihr weniger Probleme habt und wir auch weniger Probleme haben.
Dobovisek: Hannes Swoboda, Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament über Europas Zukunft. Vielen Dank für das Gespräch!
Swoboda: Bitte sehr, gern geschehen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Hannes Swoboda: Schönen guten Morgen!
Dobovisek: Rebellion im britischen Unterhaus, also Premier Cameron verliert die Abstimmung über den neuen Haushalt der Europäischen Union – ist damit der anstehende EU-Gipfel von vornherein zum Scheitern verurteilt?
Swoboda: Ich glaube eigentlich schon, weil ich kann mir nicht vorstellen, wie man hier jetzt zu einer Einigung kommen kann. Es war schon vor dieser Abstimmung sehr unsicher, dass man so schnell zu einer Einigung kommt, aber jetzt kann ich es mir noch weniger vorstellen. Leider ist wieder einmal Europapolitik am Opferstock der Innenpolitik geopfert worden, das ist sehr traurig.
Dobovisek: Wie realistisch ist eine Kürzung des EU-Budgets, wie jetzt ja von den Briten und im Übrigen auch, wenn auch mit leiseren Tönen, von Berlin gefordert wird?
Swoboda: Ich kann mir das nicht vorstellen. Nicht weil wir nicht sparen müssen, wir müssen überall sparen, aber ich muss ja hinzufügen, dass der EU-Haushalt in den letzten Jahren ja viel geringer gewachsen ist als die nationalen Haushalte, dass wir hier keinen Defizit haben. Das heißt, man kann nicht den EU-Haushalt, der ohnehin sehr, sehr klein ist, vergleichen mit den Haushalten auf der nationalen Ebene.
Dobovisek: Ja, Herr Swoboda, wir erreichen Sie in Kairo, die Leitung ist relativ schlecht, deshalb schlage ich vor, spielen wir doch noch mal zwei Takte Musik und versuchen es gleich noch einmal, Sie weiter zu erreichen. Bis gleich.
Und noch einmal der Versuch, mit dem Sozialdemokraten Hannes Swoboda ins Gespräch zu kommen. Es geht um die Niederlage David Camerons gestern im Parlament dort. Herr Swoboda, was wenn Großbritannien in den Verhandlungen um das EU-Budget ein Veto einlegt?
Swoboda: Ich glaube, dass wir dann als Europäisches Parlament ebenfalls sagen müssen, dass wir nicht bereit sind, einen Kompromiss einzugehen, der schlecht für Europa ist. Vor allem auch schlecht für jene Länder, die durch Großbritannien auch sehr motiviert in die Europäische Union gekommen sind, wenn ich gerade an die osteuropäischen Länder denke.
Und wenn mir einer jetzt sagt, ja, sorry, ihr seid jetzt da, aber bekommt kein Geld, ihr bekommt keine finanzielle Unterstützung für die schwierigen Regionen, die ihr habt und die ihr weiterentwickeln wollt, dann ist das sehr unfair. Und daher müssen wir hart bleiben im europäischen Parlament und dann auf der Basis des diesjährigen Budgets einfach die kommenden Budgets fortschreiben. Das ist nicht gut für Großbritannien, aber gut für Europa.
Dobovisek: Wenn denn aber beide Seiten hart bleiben und die Budgets so fortgeschrieben werden, wie sie jetzt sind, das, sagen sie, sei nicht gut für Europa. Steht damit Europa im Grunde vor dem Zerfall?
Swoboda: Das glaube ich nicht. Letztendlich wird sich Großbritannien, und zwar alle Parteien, auch entscheiden müssen, was sie wollen, ob sie in diesem Europa bleiben wollen oder ob sie ausscheren wollen und einen Alleingang machen wollen. Das ist, glaube ich, etwas, was letztendlich die Bürgerinnen und Bürger von Großbritannien nicht wollen, was die City of London, der Finanzplatz nicht will, der sehr viel Geschäfte mit Europa, insbesondere mit der Eurozone macht, aber Großbritannien muss sich dann entscheiden, was es will.
Und natürlich auch die anderen Länder. Es gibt ja nicht nur Großbritannien, sondern einige Länder, die da massiv … [nicht verständlich, Anmerkung der Online-Redaktion] sind. Noch mal: Der Populismus greift so um sich, dass man gar nicht mehr dran denkt, worum geht’s eigentlich beim Budget, wie klein ist es, welche Investitionen können da kommen fürs Wachstum, sondern dass es nur mehr um Innenpolitik geht, und das ist für Europa sicherlich traurig, aber noch kein Grund zum Zerfall.
Dobovisek: Ist das denn trotzdem eine gefährliche Situation, wenn wie in Großbritannien oder auch in Tschechien zum Beispiel der antieuropäische Populismus Oberhand gewinnt?
Swoboda: Natürlich ist es gefährlich. Die Wahlen in Tschechien zeigen aber, dass der antieuropäische Populismus doch seine Grenzen hat. Tschechien versucht ja, beide Wege zu gehen. Es ist für eine Kürzung des Budgets oder für mehr Geld für Tschechien selbst. Die ganze Stimmung in Europa ist da natürlich problematisch, aber ich denke doch – und da hoffe ich sehr auf Deutschland, muss ich sagen, bei aller Kritik an Frau Merkel –, ich hoffe doch, dass Deutschland und Frankreich da schon Verantwortung zeigen und letztendlich zu einem vernünftigen Kompromiss über das Budget und zu einer Weiterentwicklung der Europäischen Union bereit sind.
Dobovisek: Und für die Weiterentwicklung spielt auch folgendes Thema eine Rolle, zu dem wir uns eigentlich heute Morgen verabredet hatten, nämlich die europäische Perspektive des Balkans – Anlass: die gemeinsame Reise von US-Außenministerin Hillary Clinton und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton. Wie wichtig ist die Annäherung des Balkans an die EU für die Europäische Union selbst?
Swoboda: Diese Annäherung ist, glaube ich, sehr wichtig, weil wir kein schwarzes Loch gewissermaßen in unserer Nachbarschaft haben wollen, und dass es entscheidend ist, dass gerade für Griechenland und für die Länder in dieser Region, die jetzt schon in der Europäischen Union sind, dass Korruption, dass der Menschenhandel, dass all die unangenehmen Erscheinungen, die sich da breitgemacht haben, wirksam bekämpft werden.
Wir können nur für Stabilität in dieser Region – in Bulgarien, in Griechenland, in Kroatien et cetera – sorgen, wenn wir auch einen Reformprozess im Balkan haben. Da ist dieser Prozess wichtig, daher auch diese Reise wichtig, um auch ein Signal zu geben, ihr seid nicht vergessen und verloren, allerdings, ihr müsst eure Hausaufgaben machen, ihr müsst jene Reformen durchführen, die wichtig sind, damit ihr auch eine Chance bekommt, zu der Europäischen Union zu kommen.
Dobovisek: Der türkische Premier Erdogan sagte, er betrachtet zum Beispiel Bosnien als 81. osmanische Provinz, Fakt ist, während die EU mit der Bewältigung ihrer Krisen beschäftigt ist, nimmt das wirtschaftliche Gewicht der Türkei in Südosteuropa merklich zu. Ist es das, was Sie als schwarzes Loch bezeichnen?
Swoboda: Die Türkei soll sich nicht übernehmen. Wenn ich dran denke, dass die Türkei vor Kurzem gesagt hat, sie will mit keinem Nachbarn Probleme haben, heute hat sie mit allen Nachbarn Probleme, und wenn ich ja gerade auch hier in Kairo bin, wirtschaftlich wird die Türkei eine größere Rolle in der Nachbarschaft von Bosnien bis zur Türkei nehmen, aber deswegen nicht politisch. Ich glaube, politisch übernimmt sich jetzt Erdogan.
Aber natürlich ist schon richtig, gewisse muslimische, fundamentalistische Kräfte könnten aus einem Zurückweisen Bosniens zum Beispiel doch wieder stärker gewinnen. Das ist auch ein Grund mehr, um ein klares Signal zu geben, wir wollen euch, ihr tut es langfristig, aber ihr müsst entsprechende Schritte unternehmen, wir wollen keinen Staat haben, der zusätzliche Probleme bringt, sondern wir wollen durch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union erreichen, dass ihr weniger Probleme habt und wir auch weniger Probleme haben.
Dobovisek: Hannes Swoboda, Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament über Europas Zukunft. Vielen Dank für das Gespräch!
Swoboda: Bitte sehr, gern geschehen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.