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Illegales Material

Die investigativen Journalisten in Tschechien haben in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Skandalen aufgedeckt: Mafia-Verbindungen von Politikern, verbotene Absprachen hinter verschlossenen Türen und Bestechungsfälle kamen so ans Licht. Doch nun ist ein Gesetz verabschiedet worden, das ihnen die Freiheiten wieder nimmt.

Von Kilian Kirchgeßner |
    Die Stimmung ist angespannt in den tschechischen Redaktionen. Das neue Gesetz hat hier alle tief verunsichert – als größten Angriff auf die Pressefreiheit seit der politischen Wende haben es einige Chefredakteure bezeichnet. Jetzt, wenige Tage nach der Verabschiedung der Novelle, rätseln in der Branche alle, wie sehr ihre Arbeit in der Praxis künftig tatsächlich eingeschränkt wird.

    "Es macht der Presse das Leben schwer, meiner Meinung nach ist das Gesetz einfach unzivilisiert, schimpft Martin Komarek, der Kommentarchef von Mlada Fronta Dnes, der größten Zeitung des Landes. Es ist natürlich nicht so, dass wir auf das Niveau von Weißrussland oder China zurückgeworfen werden, aber die Bestimmungen des Gesetzes sind unangemessen und schlicht unsinnig."

    Stein des Anstoßes ist eine Strafrechts-Novelle, die das tschechische Parlament mit großer Mehrheit verabschiedet hat. Quasi durch die Hintertüre, so kritisieren Journalistenvertreter, werde darin die Pressefreiheit beschnitten. Die schärfste Kritik richtet sich dabei gegen das neue Verbot, Protokolle von abgehörten Telefongesprächen zu veröffentlichen.

    In Tschechien ist das deshalb ein sensibles Thema, weil die Medien damit in der Vergangenheit kriminelle Verstrickungen von Spitzenpolitikern bewiesen haben. Innenminister Ivan Langer allerdings zeigt sich unbeeindruckt von den Sorgen der Journalisten.

    "Diebstahl ist strafbar, genauso wie der Verkauf von gestohlener Ware, deshalb sind Sanktionen unverzichtbar."

    Gestohlene Ware – damit spielt der Minister auf die Abhörprotokolle an, die den Journalisten schon öfters aus Sicherheitskreisen zugesteckt worden sind. Das Thema ist tatsächlich pikant: Einige Mitarbeiter von Polizei und Geheimdiensten hatten offenbar ihre Ermittlungsergebnisse deshalb an die Medien gegeben, weil sie fürchteten, dass die Erkenntnisse ansonsten im Giftschrank der Behörden landen würden – immerhin ging es um ranghohe Politiker.

    Auch der heutige Innenminister Ivan Langer stand in der Vergangenheit schon im Mittelpunkt der investigativen Recherchen: Tonbandprotokolle haben belegt, dass er mit einer zentralen Figur der tschechischen Unterwelt in engem Kontakt stand. Ob es also Zufall ist, dass der Innenminister nach dieser Vorgeschichte so vehement auf die Gesetzesnovelle gedrängt hat, darüber wird jetzt in Prag diskutiert. Die Wurzeln für die Einschränkungen der Pressefreiheit lägen allerdings tiefer, sagt Journalist Martin Komarek.

    "Hochgestellte Politiker bei uns in Tschechien kennen einfach die Redaktionsarbeit nicht, sie haben keine Ahnung, was da passiert und welchen Standards die Journalisten folgen. Deshalb sind sie nervös und und reagieren oft angespannt. Natürlich gibt es einen Graben zwischen Politik und Medien, der muss ja auch da sein – aber man sollte nun wirklich keine Stinkbomben auf die andere Seite werfen."

    Mehrere Verleger und der tschechische Journalistenverband haben indes angekündigt, gegen das neue Gesetz vorgehen zu wollen. Bis dahin allerdings müssen sie sich anders gegen die strengen Regeln zu helfen wissen – und sehen das Ganze mit böhmischer Gelassenheit. Einschränken lassen werde man sich jedenfalls nicht, sagt Martin Komarek verschmitzt.

    "Nein, das ganz sicher nicht. Wissen Sie, es ist ja nicht verboten, die Abhörprotokolle zu haben und mit ihnen zu arbeiten – wir dürfen sie halt nur nicht wortwörtlich veröffentlichen."

    Um zu zeigen, wie absurd das neue Gesetz sei, zeigen die Journalistenvertreter gerne auf eine andere Bestimmung, die ebenfalls die Pressefreiheit einschränkt: Künftig dürfen Zeitungen nicht mehr den Namen von Kriminalitätsopfern erwähnen - ursprünglich war diese neue Norm zum Schutz von minderjährigen Opfern gedacht.

    Die Regelung sei aber handwerklich so schlecht umgesetzt, kritisieren die Medien, dass man im Ernstfall nicht einmal schreiben dürfe, wenn es einen Anschlag auf den Präsidenten gegeben habe; schließlich sei er ja dann auch ein Verbrechensopfer.