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"Im Grundsatz ist Rauchen verboten"

Die Regierungskoalition will dem Verbot der Tabak-Werbung weitere Schritte im Kampf gegen den blauen Dunst folgen lassen. So berät eine Arbeitsgruppe derzeit einen verbesserten Schutz von Nichtrauchern mit dem Ziel, ein entsprechendes Gesetz zu formulieren. Man sei sich in der Runde einig, dass Rauchen im Grundsatz verboten gehöre, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Lothar Binding. Zu diskutieren seien jetzt die Ausnahmen von der Regel.

    Gerd Breker: Nichtraucherschutz vielleicht demnächst auch bei uns? Verbraucherstaatssekretär Gerd Müller von der CSU hat eine Einigung auf Eckpunkte stolz verkündet. - Am Telefon bin ich nun mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Lothar Binding verbunden. Er ist Mitglied dieser Arbeitsgruppe für ein Nichtraucherschutzgesetz. Kann man das so kurz zusammenfassen? In Zukunft im Restaurant nein, aber in der Kneipe ja, es darf weiter geraucht werden?

    Lothar Binding: Wir haben natürlich eine Denkrichtung, in der wir eine Regel definieren - und das ist auch Ziel der Arbeitsgruppe, deren Ergebnisse ich natürlich keinesfalls vorgreifen will -, dass wir im Regelfall im öffentlichen Räumen, in Gaststätten und so weiter nicht rauchen. Wir diskutieren aber gegenwärtig bestimmte Ausnahmen, um einen ordentlichen Kompromiss zu erzeugen.

    Breker: Gehört zu diesen Ausnahmen, Herr Binding, auch das, was der Gaststättenverband gerne hätte, nämlich eine Relativierung anhand der Größe? Je kleiner die Kneipe, umso größer die Chance, dass man dort weiter rauchen darf, oder je größer die Kneipe, umso sicherer kann man sich sein, dass dort nicht geraucht wird?

    Binding: Ich glaube, dass dies ein kleines bisschen das Dilemma des Verbandes der Zigarettenindustrie und auch von Dehoga zeigt, dass man dort mit unlogischen Argumenten nicht sehr weit kommt. Ich mache Ihnen ein Beispiel: Wenn wir einem Schüler erklären, er soll in der Schule nicht rauchen, weil es gefährlich ist, weil es giftig ist, weil es süchtig macht. Wenn dann der gleiche Schüler nachmittags in eine Gaststätte kommt mit 38 Quadratmetern, dann gelten plötzlich all diese Unsicherheiten nicht mehr. Kommt er aber wieder in eine Kneipe mit 78 Quadratmetern, dann ist es wieder so gefährlich wie zuvor in der Schule. Ich glaube solche Brüche muss man vermeiden. Deshalb haben wir gesagt: Im Grundsatz ist Rauchen verboten, weil es um den Schutz vor Passivrauchen geht, und wir wollen Ausnahmen diskutieren in ganz speziellen Fällen, um überhaupt diesem Grundsatz dann in der gebotenen Weise Rechnung tragen zu können.

    Breker: Hat man sich denn, Herr Binding, innerhalb dieser Arbeitsgruppe schon auf Kriterien für Ausnahmen, die man gestatten will, geeinigt?

    Binding: Wir haben verschiedene Bereiche diskutiert. Ich nenne Ihnen mal einen: zum Beispiel Bierzelte. Das ist so ein Bereich, über den wir gesprochen haben. Wir haben natürlich auch über Bars gesprochen. Der Herr Müller hat gestern in seiner Rede das Wort "Schankwirtschaft" benutzt. Das wäre ein Ort, an dem Getränke zum [Verzehr] an Ort und Stelle ausgegeben werden, und zwar nur Getränke und keine Speisen. Entlang solcher Fragestellungen diskutieren wir Ausnahmen und die Ausnahmen betreffen manchmal die Örtlichkeit an sich, betreffen aber auch die Möglichkeit, einen Raucherraum, der entsprechend gekennzeichnet sein soll, einzufügen. Wir sind gegenwärtig dabei, gewisse Eckpunkte zu erarbeiten, aber es gibt natürlich noch kein geschlossenes Eckpunktepapier oder so, denn Ziel dieser Arbeitsgruppe ist ja, ein Gesetz zu formulieren.

    Breker: Spüren Sie eigentlich, Herr Binding, in Ihren Beratungen innerhalb dieser Arbeitsgruppe den Druck von außen, den Druck der Lobbys, also des Gaststättenverbandes oder der Zigarettenindustrie, die ja auch eigene Vorschläge gemacht haben?

    Binding: Ja, die haben eigene Vorschläge gemacht, auch sogar ein eigenes Papier. Allerdings haben die Papiere natürlich immer den Makel, dass sie sehr, sehr stark interessengeleitet sind und die gesundheitsgefährdenden Aspekte immer sehr stark in den Hintergrund drücken. Wir wollen natürlich für die Gesundheit der Gesellschaft arbeiten. Diesen Widerspruch spüre ich natürlich überall, aber ich spüre auch den anderen Druck einer wirklich übergroßen Anzahl in der Gesellschaft, die uns beglückwünscht, dass wir jetzt diesen Weg gehen in Richtung, ein Gesetz zum Schutz vor dem Passivrauchen zu machen. Diese beiden Drücke, einerseits der Lobbyisten und andererseits der Bevölkerung, die stehen sich dort gegenüber. Deshalb versuchen wir auch, einen guten Kompromiss zu finden.

    Breker: Ja. - Ich würde auch gerne fragen, Herr Binding, nach dem Gewicht dieser Drücke, wie Sie es formuliert haben. Gestern Abend wurde das Tabak-Werbeverbot beschlossen. Damit kommt man einer europäischen Richtlinie nach, aber es hat doch sehr lange gedauert.

    Binding: Das stimmt. Das hat mich auch irritiert, warum es bei uns so lange gedauert hat. Es gab aber offensichtlich im Parlament in der Vergangenheit - das hat sich schon einige Male gezeigt - noch keine Mehrheit, um die Mehrheit in der Bevölkerung, also der Gesellschaft im Parlament fortzusetzen. Ich bin diesmal sehr optimistisch, dass wir hier weiterkommen, weil nicht nur in der Bevölkerung, auch im Parlament das Bewusstsein, wie gefährlich Rauchen an und für sich ist und insbesondere auch das Passivrauchen für jene, die selbst noch nie geraucht haben. Deshalb sind wir dort auf einem guten Weg. Wir stützen ja unsere Arbeit auch sehr stark auf die Erkenntnisse des Deutschen Krebsforschungszentrums, das ja doch sehr evident, also offensichtlich nachgewiesen hat, dass Rauchen zu Infarkten führt und auch den Lungenkrebs in der Gesellschaft sehr befördert. Es kann sich kein Politiker erlauben, eine Politik zu machen, bei der dann hinterher gesagt werden kann, Infarkte und Lungenkrebs habt ihr in eueren Überlegungen hinten angestellt.

    Breker: Würden Sie so weit gehen, Herr Binding, und sagen, dass Rauchen im Beisein von Nichtrauchern eine Art Körperverletzung ist?

    Binding: Ich weiß nicht, ob dies das richtige Wort ist. Man könnte es sicherlich mit jemandem, in dessen Familie ein Infarkt auftritt oder ein Lungenkrebs zu erleiden ist, mit einer solchen Familie könnte man sicher nicht darüber diskutieren, ob es Körperverletzung ist oder nicht. Das Dumme ist ja bei dieser Form der Risikobelastung durch Rauchen, dass jeder, der noch keine Krankheit hat, immer hofft, er gehört zu jenen, die es nicht erwischt. Deshalb ist die Debatte Körperverletzung, glaube ich, entlang dieser Frage, ob es in einer Familie Krankheiten dieser Art gab oder gibt oder nicht, zu diskutieren.

    Breker: Die Gefahren werden immer bewusster, Herr Binding. Können Sie uns denn einen Zeitrahmen geben, innerhalb dessen Sie damit rechnen, dass man sich auf ein Nichtraucherschutzgesetz geeinigt haben wird?

    Binding: Die Arbeitsgruppe hat den Ehrgeiz, in diesem Jahr eine Gesetzesformulierung zu erarbeiten. Über die Inkrafttreten-Systematik des, also die Terminfolge, haben wir uns jetzt noch keine Gedanken gemacht. Das ist auch dann relativ schnell überlegt, wenn wir uns auf einen Gesetzestext geeinigt haben. Es gilt ja dann noch, auch den Gesetzestext letztendlich mit den Ländern abzustimmen. Wir wollen natürlich auch noch Betroffene und Experten anhören. Also es wird noch einen kleinen Moment dauern, aber wenn Sie mich fragen: Ich habe den Ehrgeiz, dass es im Jahr 2007 in Kraft tritt.