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"Im Lichte der Medici"
Malerei, Macht und Mythen

Die Wechselwirkung zwischen Malerei und Macht, die die Medici mit der Kunst betrieben, war das vermutlich wirksamste Propagandamittel der Herrschenden im 17. und 18. Jahrhundert. Eine Schau im Arp Museum Rolandseck zeigt die Facetten der Imagepflege der berühmten Florentiner Dynastie.

Von Anja Reinhardt | 10.02.2019
    Gemälde von Felice Ficherelli aus dem 17. Jahrhundert: Der Heilige Sebastian wird von der Heiligen Irene geheilt
    Achteckige Bilder wie dieses Gemälde von Felice Ficherelli symbolisieren die Vollkommenheit (© Haukohl Family Collection / Foto: Tom Lucas / MNHA Luxembourg)
    Das Blut spritzt im Strahl heraus, der abgetrennte Kopf wird am Schopf gehalten: Die Enthauptung des Holofernes durch Judith gehört zu den immer wiederkehrenden Sujets in der Malerei. Mantegna, Botticelli, Tizian, Caravaggio, Rubens - die Liste der berühmten Maler ist lang. Onorio Marinari gehört eher zu den unbekannteren Künstlern, die das biblische Thema aufgriffen. Aber: Nie wurde Holofernes sanfter ermordet, geradezu zärtlich blickt die im Halbschatten stehende Judith auf ihr tödliches Werk. "Man sieht hier diese unglaubliche Stoffmalerei, schauen Sie sich die wunderschöne Spitze an, ein typisches Barock-Gemälde, in dem man noch den Manierismus erkennt", sagt Sir Mark Fehrs Haukohl. Er kommt aus einer Sammlerfamilie: Eher zufällig kam er zur Barockkunst aus Florenz, für die sich, als er die ersten Bilder ersteigerte, niemand interessierte.
    Kunstförderung als humanistische Imagepflege
    Haukohl setzt das Sammeln als Wert an sich in Beziehung zur berühmten Florentiner Familie der Medici. "Die Medici wollten immer universal sein. Das ist schon in den Anfängen so. Die Weltoffenheit, die sich in der Förderung aller Künste und Wissenschaften spiegelt. Und das setzt sich eben so fort, besonders im 17. und 18. Jahrhundert. Galileo hat bei ihnen eine Zuflucht gefunden vor der Inquisition. Sie haben versucht, sich als Bildungsmenschen der Neuzeit zu definieren und das sieht man in den Bildern auch." Kuratorin Susanne Blöcker unterstreicht noch mal den humanistischen Aspekt, unter dem die Medici die Künste förderten. Der von ihnen protegierte Galileo Galilei wird in einer Portraitbüste gezeigt, insgesamt sind es vier Büsten, zu denen auch der Philosoph Marsilio Ficino, der Theoretiker Machiavelli und Michelangelo gehören. Geschaffen von Antonio Montauti, der die Avantgarde-Genies der Renaissance an die Seite der Medici stellt. Imagepflege, die die Florentiner Familie sehr bewusst betrieb, denn man hatte sich im 14. und 15. Jahrhundert durchaus auch mit Mord, Bestechung und Fake News an die Spitze der Macht gekämpft. Umso wichtiger, diese zu legitimieren, durch die Kunst reinzuwaschen und später dann, als sie schon Herzöge der Toskana waren, zu glorifizieren.
    Wechselwirkung zwischen Malerei und Macht
    Es sind typische Barockbilder, alles ist in Aufruhr, zum Beispiel bei der "Verkündigung" von Alessandro Gherardini: Aberwitzige Mengen an Stoff tragen Maria und der Erzengel Gabriel hier, aufgewühlt von einem heftigen göttlichen Sturm, der in der Realität höllische Konsequenzen hätte. Ein wilder Pinselstrich deutet schon fast in Richtung Expressionismus. Heiligenportraits, wie die des Sebastian widmen sich weniger dem Märtyrertum, sondern eher der Erlösung. Achteckige Bilder von Cesare Dandini greifen rein formal die Symbolik der Vollkommenheit auf. Kunsthistorisch gesehen ist "Im Lichte der Medici" vielleicht keine spektakuläre Schau, aber die Wechselwirkung zwischen Malerei und Macht, die Mythenbildung, die die Medici mit der Kunst betrieben, ist hochinteressant. Eine besondere Rolle kommt dabei in der Sammlung Haukohl den skulpturalen und reich verzierten Rahmen zu, die teilweise opulenter sind als die Bilder, die sie umfassen. "Wir haben in der Sammlung viele Originalrahmen, wir wollten den Bildern aus dem 17. Jahrhundert auch Rahmen aus der gleichen Zeit geben. Wir waren bei Auktionen in der ganzen Welt, um Rahmen zu finden und ja, einige hier sind auch originale Medici-Rahmen."
    Kunst als Propagandamittel der Herrschenden
    Mark Haukohl knüpft an die Mythenbildung der Medici an, wenn immer wieder betont wird, dass die Bedeutung florentinischer Barockkunst bislang nicht genug gewürdigt wurde. Und ja, es gibt mit Onorio Marinari oder den Malern der Künstlerfamilie Dandini wirklich etwas zu entdecken, kuratorisch werden in der Schau außerdem geschickt die Werke aus der Sammlung Rau gegenübergestellt. Aber die eigentliche Erkenntnis der Ausstellung ist: Macht erzählt sich über Kunst, sie ist wahrscheinlich das wirksamste Propagandamittel der Herrschenden. Das Sammeln und Ausstellen mag den Mächtigen dabei auch als eine Form der Erlösung dienen.