Archiv


"Im nächsten Jahr wird es auch noch ein Defizit geben"

Der Gesundheitsminister Rösler plant eine Gesundheitspauschale von 30 Euro. Vom Koalitionspartner CSU wird dieses Prämienmodell kritisiert. Der Gesundheitsökonom Thomas Drabinski sagt, vor allem die Niedrigverdiener werden von der Kopfpauschale profitieren.

Thomas Drabinski im Gespräch mit Jochen Spengler | 02.06.2010
    Jochen Spengler: Die Reform der Krankenkassenfinanzierung von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler nimmt Gestalt an. Ab 2011 soll eine vom Einkommen unabhängige Pauschalprämie von 30 Euro monatlich eingeführt werden. Die Prämie soll von den 50 Millionen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenkassen erhoben werden und alle anderen Zusatzbeiträge überflüssig machen. Doch ob es wirklich dazu kommt, ist zweifelhaft, denn der Koalitionspartner CSU ist auch gegen das neue Modell einer Kopfprämie. Zugehört hat der Gesundheitsökonom Thomas Drabinski vom Institut für Mikrodatenanalyse in Kiel. Guten Tag, Herr Drabinski.

    Thomas Drabinski: Guten Tag, Herr Spengler.

    Spengler: Wir wollen jetzt nicht die politischen Aspekte besprechen, also ob es zu einer solchen Gesundheitsprämie am Ende überhaupt kommen wird oder nicht, sondern wir wollen von Ihnen fachlich wissen, was eine solche Prämie bringt.

    Drabinski: Die Idee der Gesundheitsprämie ist ja die, die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung umzustellen auf ein nachhaltigeres Finanzierungssystem.

    Spengler: Ist das denn nachhaltiger?

    Drabinski: Ich sage es mal so: ein Gesundheitsprämien-Modell kann nachhaltiger sein, wenn es richtig gemacht ist. Ob das mit dem aktuellen Vorschlag so ist, kann man im Moment noch schwer sagen. Dazu sind noch ein paar Details offen.

    Spengler: Jetzt müssten nach diesem Modell, so weit wir es nun wissen, alle neben dem Kassenbeitrag künftig ab 2011 30 Euro monatlich zahlen. Das ist dann diese Prämie. Die Menschen, die unter 3000 Euro Bruttoeinkommen haben, die bekommen einen Ausgleich, indem nämlich die Krankenkassenbeiträge abgesenkt werden auf niedrigeres Niveau, und die über 3750 Euro Bruttoeinkommen haben, die können sich ja freikaufen, die können in die Privatkassen fliehen. Dann hat doch die CSU, dann hat doch die SPD, haben doch beide Recht, wenn sie beklagen, dass die mittleren Einkommen zwischen 3000 und 3750 Euro Brutto besonders belastet werden?

    Drabinski: Na ja, man muss jetzt auch vorsichtig noch die Daten interpretieren, weil es in der Tat noch nicht ganz klar ist, wie die unterschiedlichen Beitragssatzklassen ausgestaltet sein sollen. Das, was im Moment zumindest klar ist, ist, dass es eine Entlastung geben wird, vor allem für die Einkünfte um die 2000 Euro monatlich. Belastet werden hingegen die Einkünfte beziehungsweise die Personen, die Einkünfte von mehr als 3400 Euro haben, eben bis zur Bemessungsgrenze von 3750 Euro. Das heißt, das was da in der politischen Diskussion argumentiert wird, dass alle draufzahlen, stimmt nicht, weil man muss letztendlich beides zusammennehmen, die 30 Euro und die Beitragssatzabsenkung, die geplant ist.

    Spengler: Das heißt, für die ärmeren Schichten würde das System etwas billiger, etwas gerechter?

    Drabinski: Kann man so sagen, ja. Für die Einkünfte unter 3400 Euro wird es entweder billiger, oder bleibt gleich, und die, die mehr Einkünfte haben, die zahlen mehr.

    Spengler: Was ist denn mit den Rentnern? Die erhalten ja keinen Ausgleich.

    Drabinski: Die Rentner haben auch ganz normal ihre Einkommen und je nachdem, wie viel sie haben, zahlen sie weniger, oder mehr.

    Spengler: Der ganze Sinn des Ganzen, der ist mir noch nicht so ganz klar. Der Schritt soll ja sozusagen das drohende Kassendefizit von zehn bis elf Milliarden Euro auffangen. Schaffen das 30 Euro pro Nase?

    Drabinski: Das ist die spannende Frage, ob es 30 Euro plus die Beitragsabsenkungen schaffen. Über die 30 Euro werden erst mal knapp 18,5 Milliarden mehr eingenommen, aber durch die Absenkung des Beitragssatzes auf fünf bis 7,3 Prozent, da sind dann doch deutliche Beitragsausfälle zu beklagen, und die Frage ist, ob beides zusammen überhaupt auf null aufgeht, beziehungsweise ob überhaupt die zehn Milliarden Defizit gedeckt werden können. Im Moment sieht es so aus, dass quasi die effektive Beitragssatzbelastung aus beiden Komponenten zusammen eher aufkommensneutral ist. Das heißt, im nächsten Jahr wird es auch noch ein Defizit geben.

    Spengler: Lohnt denn dann der ganze bürokratische Aufwand?

    Drabinski: So wie es im Moment ausgestaltet ist, ist der bürokratische Aufwand relativ gering, da im nächsten Jahr das System ja so umgestellt werden soll, dass keine Einkommensprüfung in dem Sinne erst mal stattfinden soll. Richtige Einkommensprüfungen sollen ja erst ab dem Jahr 2012 kommen, und da ist in der Tat noch offen, wie das gemacht werden soll. Ich denke, wenn ein Prämienmodell gut gemacht ist, dann lohnt sich der Aufwand, aber dann darf die Gesundheitsprämie auch nicht nur auf die Mitglieder bezogen werden, sondern dann müssten auch alle Erwachsenen bezahlen.

    Spengler: Danke an den Gesundheitsökonomen Thomas Drabinski für das Gespräch.