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Immer Ärger mit dem Ballastwasser

Im Ballastwasser von Schiffen gelangen häufig Tierarten in Regionen, in denen sie nicht heimisch sind. Nicht selten richten sie dort beträchtliche Schäden an. Deshalb sollen Schiffe bald mit Reinigungsanlagen für Ballastwasser ausgestattet werden, die den blinden Passagieren den Weg versperren. Doch das gestaltet sich schwieriger als erwartet.

Von Frank Grotelüschen | 04.09.2012
    Ein Tauchgang in der Ostsee. Im Wasser sieht man kleine, gallertartige Wesen – Rippenquallen. Bis vor einiger Zeit gab es sie in der Ostsee noch gar nicht, eigentlich leben sie vor der Ostküste der USA. Und weiter unten, an den Wasserpflanzen, kleben gemusterte Muscheln – Zebramuscheln, ursprünglich stammen sie aus dem Schwarzen Meer. Rippenquallen und Zebramuscheln sind Einwanderer. Sie kamen als blinde Passagiere, und zwar an Bord von Schiffen.

    Denn Schiffe besitzen Ballasttanks, die sie in den Häfen mit Wasser füllen, um ihre Ladung auszubalancieren. Ohne diesen Ballast wären sie instabil und drohten zu kentern. An anderer Stelle aber geben sie das Wasser wieder ab – und mit ihm zum Beispiel die Larven von Zebramuscheln, die dann etwa die Kühlwassersysteme und Rohrleitungen von Kraftwerken angreifen. Die Schäden sind enorm, sagt der Meeresbiologe Lothar Schillak vom Zertifizierungs-Konzern SGS.

    "Das ist vor allen Dingen an den Küstenbereichen so, dass Daten aus den USA vorliegen, wo eine einzige Art jährliche Kosten von 117 Milliarden US-Dollar verursacht – diese Zebramuschel."

    Um das Problem zu lösen, verabschiedete die IMO, die Internationale Seefahrtsorganisation, schon vor acht Jahren das Ballastwasser-Übereinkommen. Bis 2019, so fordert es, müssen sämtliche Schiffe mit Anlagen ausgerüstet sein, die das Ballastwasser von schädlichen Organismen reinigen. Noch ist das Übereinkommen nicht in Kraft. Doch bald soll es endlich ratifiziert sein.

    "Die Experten rechnen damit, dass etwa in zwei Jahren diese Verpflichtung eintreten wird. Und das macht natürlich jetzt bei den etwa 70.000 Schiffen, die unter diese Konvention fallen, dass sowohl die Schiffseigner als auch die Hersteller von Ballastwasser-Behandlungsanlagen sehr nervös werden, weil alte Schiffe umgerüstet und neue ausgerüstet werden müssen."

    Das Problem: Es gibt mittlerweile zwar fast 50 Hersteller, die Kläranlagen fürs Ballastwasser anbieten. Aber: Diese Hersteller setzen auf die unterschiedlichsten Methoden, um den schädlichen Organismen zu Leibe zu rücken: Manche setzen auf Filteranlagen und UV-Strahlung, andere auf chemische Gifte, Ultraschall oder Sauerstoffentzug.

    "Daneben gibt es viele andere, zum Teil sehr abenteuerliche Methoden. Zum Beispiel Magnetismus, indem die Planktontiere mit Eisenteilchen umwandelt werden und dann mit Magnetismus aus dem Strom herausgefiltert werden."

    Ein ganzer Strauß an Verfahren, reichlich bunt und höchst unübersichtlich. Nur: Welche Methode ist die beste? Das, meint Lothar Schillak, lässt sich noch nicht sagen. Der Grund: Im Moment fehlt noch ein anerkanntes Analyseverfahren, mit dem sich die Funktionstüchtigkeit der Anlagen an Bord schnell und verlässlich überprüfen lässt: Werden die Grenzwerte eingehalten, oder überleben zu viele Organismen die Tortur?

    Um Abhilfe zu schaffen, entwickeln Schillak und seine Kollegen jetzt ein solches Verfahren. Ein tragbares Gerät, mit dem sich direkt an Bord checken lässt, ob die Grenzwerte eingehalten werden oder nicht. Wenn nicht, darf der Kapitän kein Ballastwasser ablassen – und damit weder Ladung löschen noch aufnehmen, was seinem Reeder teuer zu stehen bekommt.

    "Wir rechnen damit, dass wir in etwa drei bis vier Jahren wissen, welche Anlagen am besten sind und welche dann vom Markt verschwunden sein werden. Da wird sich die Spreu vom Weizen trennen, weil es dann Anlagen gibt, die gut funktionieren und Anlagen, die nicht so gut funktionieren. Und im Augenblick ist es tatsächlich so, dass die meisten Anlagen nicht funktionieren!"

    Und das, obwohl ein Teil dieser Anlagen sogar zertifiziert, also TÜV-geprüft ist. Deshalb meinen viele Schiffseigner, dass die derzeitige Zertifizierung nicht genügt. Sie sei schlicht zu unzuverlässig. Die Folge:

    "Die Schiffseigner sind im Augenblick sehr, sehr zurückhaltend, was den Einbau und den Umbau ihrer Flotte angeht."

    Denn sollte ein Reeder heute auf ein falsches Pferd setzen, sprich auf eine unzuverlässige Methode, muss er sie nach ein paar Jahren womöglich durch ein besseres Verfahren ersetzen. Die Zeche dafür dürfte kein Reeder gerne zahlen.