Donnerstag, 28. März 2024

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Impeachment-Verfahren in den USA
"Das könnte für den Präsidenten sehr gefährlich werden"

Das von den Demokraten in den USA vorangetriebene Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Donald Trump werde das Land wohl noch weiter auseinanderreißen, sagte der Politologe Christian Hacke im Dlf. Es könne aber noch einiges zu Tage kommen, was Trump in Bedrängnis bringen könnte.

Christian Hacke im Gespräch mit Jasper Barenberg | 01.11.2019
Der Politikwissenschaftler Christian Hacke zu Gast in der "M.Lanz" (ZDF) Talkshow
Der Politikwissenschaftler Christian Hacke als Talkshow-Gast (dpa / picture alliance / Stephan Persch)
Jasper Barenberg: Die Vorbereitungen für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump sind immer noch in einem vergleichsweise frühen Stadium, und doch, für die Demokraten dürfte es von jetzt an wohl kaum mehr ein Zurück geben. Mit ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus stellen sie sich förmlich hinter die Untersuchung, legen die Regeln für das weitere Verfahren fest und heben die Ermittlungen insgesamt gegen Trump damit auf eine ganz neue Ebene.
Am Telefon ist der Politikwissenschaftler und US-Kenner Christian Hacke. Schönen guten Tag!
Christian Hacke: Seien Sie gegrüßt!
"Eine weitere Runde in der öffentlichen Schlammschlacht"
Barenberg: Herr Hacke, ist der Zug in Richtung Amtsenthebungsverfahren ab jetzt kaum noch aufzuhalten?
Hacke: Der Zug wird sicherlich sozusagen aus dem Bahnhof fahren, aber wie weit er kommt, das ist eine ganz andere Frage, und er wird sehr langsam fahren. Ich glaube, der Zeitfaktor ist hier ganz wichtig, dass wir das noch mal uns in Erinnerung rufen. Gegen Präsident Nixon dauerte das Amtsenthebungsverfahren fast zwei Jahre, er ist ja dann selbst dem zuvorgekommen, aber fast zwei Jahre. Gegen Bill Clinton, das ja dann auch nicht erfolgreich war, das dauerte fast ein Jahr. Also hier haben wir es mit großen Zeitläufen zu tun, die dauern lange, und ich fürchte nur, es wird eine weitere Runde in der öffentlichen Schlammschlacht zwischen Republikanern und Demokraten, die das Land weiter auseinanderreißen wird.
Barenberg: Mag ja sein, dass Verfahren in der Vergangenheit so lange gedauert haben, die Demokraten machen jetzt aber den Anschein, als wollten sie die Angelegenheit flott durchziehen, wenn man es so ausdrücken darf, und schon im Dezember dann eine Entscheidung zumindest im Repräsentantenhaus hervorbringen. Glauben Sie, dass das nicht klappen wird?
"Das Land ist sehr gespalten"
Hacke: Das muss man abwarten, inwieweit die Republikaner ihre Tricks ausspielen, um die Sache zu verschleppen, aber insgesamt gesehen ist natürlich auch die Bevölkerung gespalten bis oben hin. Und wir haben ja auch eben in dem Beitrag aus Washington gehört, es ist für uns, für europäische und deutsche Maßstäbe fast unvorstellbar, dass die eine Seite, also die Republikaner den Demokraten vorwerfen, sie würden sozusagen nach sowjetischem Vorbild jetzt einen Schauprozess planen, oder dass der Präsident jetzt selbst auch natürlich eingegriffen hat und einen der führenden Diplomaten, der hier auch aussagen wird, der Botschafter Taylor, als menschlichen Abschaum bezeichnet. Also Sie haben hier ein Klima, das ist für uns unvorstellbar. Und ich glaube, bei dieser langen Perspektive, die ich eben angedeutet habe, es geht ja jetzt im kommenden Jahr schon um den normalen Wahlkampf, und die Amerikaner sind sehr gespalten in der Frage. Man muss nicht glauben, dass alle jetzt dafür sind, dass Präsident Trump geht. Das Land ist sehr gespalten, und seine Anhänger vor allem stehen fest zu ihm, und solange die Republikaner im Senat nicht umfallen, hat das Verfahren wenig Chancen.
"Da wird einiges herauskommen"
Barenberg: Am Anfang dieser ganzen Angelegenheit, als die Demokraten angefangen haben, erste Schritte in Richtung Untersuchung zu gehen, da galt das ja für die US-Demokraten als äußerst riskantes Unternehmen – Nancy Pelosi, die Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, hat sich ja lange dagegen gewehrt. Hat sich diese Einschätzung jetzt geändert, wo wir doch ein paar Fakten und wichtige Aussagen auf dem Tisch haben und auch sich die Meinung in der Bevölkerung ja zumindest ein wenig zu drehen scheint?
Hacke: Ja, das ist richtig, was Sie sagen. Nancy Pelosi hat sich lange dagegen gesträubt, weil sie natürlich die Realitäten kennt im Kongress, ist aber zunehmend auch unter Druck geraten in der eigenen Partei, also eher von linken Herausforderern wie den beiden Damen Kamala Harris oder Elizabeth Warren, die sehr stark Druck ausgeübt haben. Und nun sehen wir ja auch im Verlaufe dieser Entwicklung, dass der Kandidat, der bisher vorne lag, also Vizepräsident Biden, der frühere Vizepräsident, jetzt natürlich auch durch diese Ukraine-Affäre seines Sohnes nun auch mit beschädigt ist. Das ist das eine. Das andere, was Sie sagen, ist schon richtig. Wir haben jetzt in der Ukraine-Affäre nun eine Situation, die sich vielleicht von der vor einem Jahr oder vor einem Dreivierteljahr, als der Mueller-Report rausgebracht wurde, doch unterscheidet, denn jetzt sind ungefähr vier, fünf, sechs Zeugen zu erwarten, die in dieser Ukraine-Affäre doch sehr stark deutlich machen werden, dass hier Donald Trump die vom Kongress bereits beschlossene Militärhilfe von 400 Millionen Dollar ungerechtfertigterweise eingefroren hat und Druck gemacht hat auf den ukrainischen Präsidenten, erst diese Gelder freizugeben, wenn er ihm hilft und sozusagen den Vizepräsidenten, den Gegenkandidaten Biden, in irgendeiner Form verunglimpft und deutlich macht, dass der Sohn korrupte Geschäfte in der Ukraine gemacht hat. Das sind jetzt Dinge, wenn die sich jetzt bewahrheiten, da wird einiges herauskommen, und das könnte natürlich für den Präsidenten schon sehr gefährlich werden. Und dann könnten die Anklagepunkte wie Landesverrat, Bestechung und Machtmissbrauch für persönliche Interessen, das könnte alles schon sehr viel mehr zutage kommen. Wir haben die paradoxe Situation, sachlich-politisch werden die Vorwürfe im Impeachment-Verfahren sozusagen sich darstellen als handfest, aber politisch gesehen, im politischen Prozess werden trotzdem die Republikaner weiterhin, so ist zu vermuten, zu Trump stehen. Und das ist die paradoxe Situation.
Barenberg: Wie ausschlaggebend wird denn sein, wie die Öffentlichkeit die Situation einschätzt und wie sozusagen die Zeugenaussagen – live übertragen im Fernsehen – die Stimmungslage im Land verändern könnten? Bisher ist ja alles nur hinter verschlossenen Türen passiert.
Hacke: Das ist ein ganz wichtiger Faktor, den Sie ansprechen, dass das natürlich schon Wirkung haben wird auf die öffentliche Meinung, auf die Bevölkerung. Die Frage ist, ob es auch auf die Republikaner, auf die Abgeordneten wirkt, die unter Umständen vielleicht in ihren Wahlkreisen unter Druck kommen.
"Sein geistiger Gesundheitszustand ist infrage gestellt"
Barenberg: Und wann, Herr Hacke, wann werden sie von ihrer unerschütterlichen Treue zu Trump weggehen? Unter welchen Umständen würde das passieren?
Hacke: Ich glaube, es geht dann einen Schritt schon weiter, und das wird auch offen diskutiert in den Vereinigten Staaten selbst, ob der Präsident nicht unter Umständen auch schon mental in einer schwierigen Situation ist beziehungsweise – das hat Nancy Pelosi einmal höflich angedeutet – es wird im Lande diskutiert. Es geht also um etwas anderes noch, denke ich, was wir nicht aus dem Auge verlieren dürfen: Der 25. Zusatzartikel sagt ja, dass der Vizepräsident mit Mehrheit des Kabinetts den Präsidenten für arbeitsunfähig erklären kann. Wir wissen nicht, was jetzt intern bei den Republikanern passiert, aber unter dem Eindruck, den Sie eben erwähnt haben – Wandel in der öffentlichen Meinung, auch in den Medien, also auch Fox News und andere konservative Medien –, zeigen sich zunehmend kritisch gegenüber Trump. Und natürlich das intellektuelle konservative Establishment sowieso – Bill Kristol nenne ich, und andere –, die ihn also sagen, sein geistiger Gesundheitszustand ist infrage zu stellen, das wird alles schon diskutiert. Und wenn er weiterhin sich so zeigt, wie er sich bisher zeigt, dann kann schon unter dem Eindruck, den Sie nannten, der öffentlichen Verhandlungen, dieses Impeachment-Verfahren, kann sich in der öffentlichen Meinung die Meinung drehen, und Auswirkungen kann das dann auch haben auf republikanische Abgeordnete. Aber das ist alles sehr vage und sehr unklar jetzt festzuhalten.
"Elizabeth Warren entwickelt zunehmend Ansehen"
Barenberg: Und bisher erleben wir ja, dass nahezu alle Republikaner, ob im Senat oder im Repräsentantenhaus, fest auf der Seite von Trump stehen und die Republikaner im Grunde nur das Verfahren formal attackieren und sich inhaltlich weitgehend raushalten. Ich wollte zum Schluss unseres Gesprächs, Herr Hacke, noch eine Frage stellen, die die andere Seite berührt: Ist der frühere Vizepräsident Biden nicht eigentlich jetzt schon so angeschlagen, ob das nun der Wahrheit entspricht oder nicht, dass er kaum noch Chancen hat, das Rennen für die Demokraten zu machen?
Hacke: Ja, das glaube ich schon. Ich glaube schon, dass Biden, der jetzt hier durch diese Anschuldigung gegenüber seinem Sohn … Ich glaube schon, dass er aus diesem Konflikt schon jetzt so beschädigt hervorgeht, dass die beiden anderen Damen, Elizabeth Warren insbesondere, sehr viel bessere Chancen bekommen. Das sehen Sie auch jetzt schon bei den Umfragen, das hat sich schon gedreht. Und nun kann man nicht gerade sagen, dass das ethisch vorbildlich gewesen ist, wie der Sohn dort sein Geld verdient hat, und dass das vom Vater gedeckt wurde, ist natürlich auch problematisch. Also einen hoch dotierten Beraterjob bei dubiosen ausländischen Firmen anzunehmen, ohne jemals selbst in der Ukraine zu sein, sondern immer in Amerika das Geld eingesteckt zu haben, das erweckt schon den Eindruck von Nepotismus und war politisch fahrlässig, auch von Biden senior. Ich glaube, er ist damit jetzt ziemlich erledigt, aber das heißt nicht unbedingt, dass das jetzt für Trump leichter wird. Auf den ersten Blick scheinen die Damen, die mehr links stehen, die beiden, die ich genannt habe, für ihn leichter zu bekämpfen zu sein im Wahlkampf, aber das ist noch abzuwarten. Elizabeth Warren entwickelt zunehmend Stehvermögen und zunehmend Ansehen, auch in der breiten Öffentlichkeit.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.