Archiv

Improvisationskünstler Marc Rebillet
Durchgeknallter Alleinunterhalter

Ein Keyboard, ein Looper und keinerlei Hemmungen. Marc Rebillet gibt auf der Bühne alles und lässt bei seinen Auftritten Songs aus dem Nichts entstehen. Trotz oder gerade wegen der Corona-Pandemie konnte der "Loop-Daddy" dieses Jahr viele neue Fans gewinnen.

Von Thomas B. Ibrahim |
    Ein Mann steht mit gespreizten Armen und offenem Bademantel vor einem schwarzen Hintergrund. In der rechten Hand hält er ein Mikrofon.
    Er machte das Beste aus der Pandemie: Marc Rebillet auf seiner "Drive-In"-Tour im Sommer 2020. (Shane McCormick)
    Musik: "Another Idea"
    "Hallo allerseits. Marc Rebillet hier, 61 Kilogramm, 1,70 Meter, aus New York City, geboren in Dallas, Texas und ich bin eine ein Mann Show."
    Marc Rebillet hat ihn, den Wiedererkennungswert, der im Internet so viel bedeutet. Die markante runde Hornbrille, das akkurat gestriegelte Haar und der dünne Schnäuzer verbergen sein Milchgesicht zwar nicht, machen es aber unverwechselbar. Der knabenhafte, etwas schlaff wirkende Körper ist nichts, was auf den ersten Blick beeindruckt. Doch wenn er einen seiner Live-Streams startet, passiert etwas mit ihm. Vielleicht liegt es an seinem Outfit, das meist nur aus einem Bademantel und seiner Unterhose besteht, vielleicht liegt es aber auch an der kreativen Energie, die ihn dann durchströmt. Und dass er dann das macht, wozu er sich bestimmt fühlt. Egal ob bei seinen Live-Streams oder seinen Konzerten, die Songs, die er Spur für Spur beim Jammen mit seiner Looper entstehen lässt, sind jedes Mal komplett improvisiert und irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem sich seine Augen schließen und sein Oberkörper beginnt wie in Trance zu kreisen.
    "Ich improvisiere Songs, schichte Sie mit der Hilfe eines Loopers und dann singe oder schreie ich absurde Sachen darüber. Ich verarbeite, was ich in dem Augenblick fühle und was das Publikum mir gibt. Und es ist eine schräge Show."
    50 Millionen Klicks
    Der heute 31-Jährige ist ein Kind des Internets. Seit 2016 lädt er regelmäßig Videos auf seinen Social-Media-Kanälen hoch und hat sich so sein Online-Publikum erarbeitet. In Zahlen: Über 750.000 Abonnenten, und seine Videos sind insgesamt über 50 Millionen Mal angeklickt worden. Als die Corona-Pandemie dieses Jahr die Konzert-Branche weltweit lahmlegte, war er deshalb bestens aufgestellt. Während andere Musiker sich überlegen mussten, wie sie ihr Publikum in Zeiten von Ausgangssperre und Social Distancing erreichen, wusste Rebillet, wie das geht.
    "Ich streame seit Jahren Live. Ich habe also einfach getan, was ich immer schon gemacht habe. Durch Corona wurde das Ganze nur etwas relevanter. Für mich war es also toll, dass ich so einfach mit meinen Fans in Kontakt bleiben und mich mit ihnen auszutauschen konnte."
    Das Wegbrechen der geplanten Auftritte ist jedoch auch für ihn schwer zu kompensieren.
    "Die Liveshows machen den größten Teil meiner Einnahmen aus. Die Aussicht, all diese Einnahmen zu verlieren, war natürlich sehr beunruhigend. Aber man muss nun mal einen Weg finden, das durchzustehen, und genau das habe ich versucht."
    Musik: "Surviving"
    Eine Möglichkeit, doch live vor Publikum zu spielen, fand Rebillet dabei in Deutschland. Seine Agenten hörten von erfolgreichen Konzerten in deutschen Autokinos. Rebillets Team übernahm diese Idee und organisierte innerhalb kürzester Zeit zwölf Konzerte. Die erste dieser Art in den Vereinigten Staaten.
    "Es war sehr wichtig, dass wir es schnell machen. Denn genau darum ging es ja, verantwortungsvolle und sichere Shows inmitten der Pandemie zu spielen."
    Die Idee wurde von den Fans so gut angenommen, dass die Tour sich für ihn zu einem großen wirtschaftlichen und persönlichen Erfolg entwickelte. Und zu einem einmaligen Erlebnis.
    "Es war eine äußerst bizarre Wirklichkeit. Ich habe noch nie so getourt und werde es wohl auch nie wieder tun. Es lag eine besondere Energie in der Luft, die jeder gespürt hat. Keiner konnte glauben, dass das gerade wirklich passiert. Die Energie in der Luft war einfach ansteckend."
    Musik: "Funk Emergency"
    In Zukunft auch ohne Looper?
    Marc Rebillet ist ein durchgeknallter Alleinunterhalter und wird es auch bleiben. Mittlerweile hat er jedoch auch die Produktion eines Albums in Angriff genommen, bei dem er auf den Einsatz des Loopers verzichten will.
    "Darauf freue ich mich schon sehr. Es wird ein ausproduziertes, komponiertes Projekt sein. Ich will einfach versuchen, ein solides Album rauszupressen. Zehn bis zwölf Songs, die richtig knallen. Ich will den Mund nicht zu voll nehmen, ich will nichts machen, was total durchgeknallt ist. Einfach zehn bis zwölf wirklich gute Songs, bei denen ich das Gefühl habe, dass sich jeder Song für die Hörer wirklich lohnt."
    Ob dem Improvisationskünstler ein vollständiges Album gelingt und wohin die Reise geht? Man wird sehen. Bis es so weit ist, wird man ihn dort finden, wo er immer schon präsent ist: alleine im Internet beim Spielen mit seinem Looper.