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"In allen Klassen etwas für den Klimaschutz tun"

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee unterstützt die Pläne der Europäischen Union, den CO2-Ausstoß von Kraftfahrzeugen zu begrenzen. Es sei ein richtiges Signal, den Kohlendioxid-Grenzwert auf alle Fahrzeugklassen zu beziehen, sagte der SPD-Politiker. Wäre es nur um die Premiumklasse gegangen, hätte dies der deutschen Auto-Industrie geschadet.

Moderation: Jürgen Zurheide |
    Jürgen Zurheide: Die deutsche Ratspräsidentschaft stand ja ganz im Zeichen der Verfassungsverträge der Institutionen. Reformen, das war das eine große Thema. Das andere große Thema, der Klimaschutz, und etwas weniger wurde in diesem Zusammenhang über Verkehrspolitik geredet. Es wurde zwar drüber geredet, aber eben nicht mit der gleichen Intensität, wie mit den beiden anderen Themen, die wir gerade hatten. Allerdings gab es das eine oder andere Thema auch auf diesem Gebiet. Und darüber wollen wir jetzt sprechen, und ich begrüße ganz herzlich den Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee. Guten Morgen.
    Wolfgang Tiefensee: Guten Morgen, Herr Zurheide.
    Zurheide: Herr Tiefensee, zunächst einmal das Stichwort Klimawandel. Ist ja breit diskutiert worden in den vergangenen Monaten bei den unterschiedlichen Gipfeln, allerdings meistens bezogen eher auf Kraftwerke, weniger auf den Verkehr. Dabei wissen wir, der Verkehr trägt ja ganz besonders zu den Emissionen bei. Sind Sie eigentlich froh darüber, dass man nicht so über die Autos diskutiert, oder hilft Ihnen das dann, etwas mehr zu tun?
    Tiefensee: Im Gegenteil, ich finde, man hat viel über die Autos diskutiert. Denken Sie an die Diskussionen über die Grenzwerte für Neuwagen ab dem Jahr 2012, da ging es heftig zur Sache. Und jetzt hat man sich geeinigt, dass man 120 Gramm pro Kilometer erreichen will, in zwei Stufen 130, indem man die Neuwagen neu konzipiert und noch mal 10 Gramm, indem man dem Sprit Biokraftstoff beimischt, indem man sich besser im Fahrverhalten auf Umweltfreundlichkeit einstellt und vor allen Dingen mehr für Verkehrsleitung tut. Also das war schon eine heftige Diskussion. Und wir haben im Verkehrsministerrat lange und breit über Verkehr diskutiert, auf der Straße, in der Luft, wie können wir die Warteschleifen am Himmel verhindern, wie können wir das Schweröl aus den Schiffen rauskriegen, damit die nicht das Wasser verpesten und dergleichen mehr. Also das war schon eine heftige Diskussion, vielleicht nicht ganz so deutlich in der Öffentlichkeit, aber schon ganz wichtig.
    Zurheide: Aber waren die Deutschen nicht gerade bei dem, was Sie ansprechen, da eher in der Bremserrolle. Die Kanzlerin musste intervenieren auf Druck der deutschen Automobilindustrie. Sind wir da, sind die Deutschen zu nah bei der Automobilindustrie?
    Tiefensee: Nein, wir waren nicht Bremser, sondern wir haben darauf gedrängt, dass die Zielwerte realistisch sind. Es hat keinen Sinn, sich etwas vorzunehmen, was nicht einzuhalten ist. Und vor allen Dingen hat es keinen Sinn, Industriepolitik im Sinne des verzerrten Wettbewerbs zwischen Staaten zu machen. Um es konkret zu sagen: Deutschland produziert Autos in allen Klassen, sowohl der Kleinwagen als auch die Premiumklasse wird hier hergestellt. Und uns, der Kanzlerin ging es nun darum, dass wir in allen Klassen etwas für den Klimaschutz tun, den CO2-Ausstoß senken und nicht etwa nur die Premiumklasse im Blick haben. Das hätte in der Tat der deutschen Automobilindustrie schwer geschadet. Deshalb sagen wir: In allen Klassen runter mit der CO2-Emission.
    Zurheide: Aber die deutsche Industrie hat dieses Thema möglicherweise etwas spät erkannt, ehe sie jetzt in den letzten Monaten beginnt, auch Werbung von Marken, wo man das nicht erwartet, die bisher eher sportlich waren, die jetzt diesen Klimaaspekt in den Vordergrund stellen. Hätten Sie sich gewünscht, dass die das schneller und eher und selbstständiger machen?
    Tiefensee: Ja, wir hätten noch besser sein können. Die Automobilindustrie in Europa, auch die deutsche, muss kräftig zulegen, um diese Werte einzuhalten oder zu erreichen. Aber auch auf der anderen Seite muss man bedenken, dass das Verkehrsaufkommen in Deutschland dramatisch gestiegen ist. Der CO2-Ausstoß hingegen nicht. Das ist Beleg dafür, dass da schon eine Menge getan wurde. Und Deutschland ist im Übrigen Technologieführer bei neuen Antrieben, bei neuen Kraftstoffsystemen. Und das ist in Vergangenheit weder genügend herausgestellt worden, noch hat man mit diesem Fund europäisch und auch international genug gewuchert. Und aus diesem Grund wünschte ich mir, dass die Automobilindustrie weiter zulegt, dann können wir gemeinsam diese sehr, sehr ehrgeizigen Werte einhalten.
    Zurheide: Kommen wir mal zur Bahnpolitik. Gerade so grenzüberschreitende Projekte, bei den ICEs, bei den schnellen Personenverkehrsverbindungen hat es da Fortschritte gegeben. Da gibt es Richtung Frankreich das eine oder andere, was die Bürger natürlich freut, wenn man dann nicht mehr ins Flugzeug muss. Beim Güterverkehr hakt es allerdings noch. Stichwort "Eiserner Rhein, Betuwelinie", um mal in die westlichen Nachbarstaaten zu gehen, Niederlande und Belgien. Wann kommt denn das auch auf deutscher Seite endlich voran?
    Tiefensee: Wir setzen in der Europäischen Union auf die Schiene, auf die Eisenbahn, insbesondere wenn es um den Transport von Gütern über die lange Strecke geht. Da gibt es die transeuropäischen Netze, die wir vorantreiben: das Netz Nr. 1 von Rostock bis nach Sizilien, das Projekt Nr. 17 von Paris nach Budapest. Und es gibt auch solche Projekte, die Sie angesprochen haben. Der "Eiserne Rhein", da gibt es eine heftige Diskussion über die Linienführung. Wir wollen, dass die Häfen gut im Hinterland angebunden sind. Und Deutschland plant gemeinsam mit Belgien und den Niederlanden, wie wir auf deutschem Gebiet jetzt die Linie führen. Und ich hoffe, dass wir im ersten Halbjahr 2008, das ist gar nicht mehr so weit weg, also in einem Jahr, dann auch tatsächlich die strittigen Fragen geklärt haben. Die Betuwelinie, da bin ich froh, dass auf der niederländischen Seite jetzt zwischen Rotterdam und der deutsch-niederländischen Grenze das Projekt vorangetrieben worden ist, vor zwei Wochen eingeweiht wurde. Und wir werden jetzt in Richtung Emmerich/Oberhausen weiterbauen. Und ich glaube, dass wir im Rahmenplan 2010 also bis zu diesem Zeitpunkt schon weitergekommen sein werden.
    Zurheide: Aber unter dem Strich bleibt doch, dass die Anteile der Bahn trotz all dieser Pläne eher, ich will nicht sagen, rückläufig sind, aber mindestens nicht so steigen, wie sie steigen müssten, um die Umwelt zu entlasten. Gibt es da irgendwo eine Trendwende?
    Tiefensee: Ja, es gibt eine Trendwende im Jahr 2006. Wir haben erstmals eine magische Grenze durchstoßen. Wir haben jetzt 105 Milliarden Tonnenkilometer pro Jahr, das ist die Grenze von 100 Milliarden Tonnen. Und das Interessante ist jetzt, dass die Bahn den größeren Anteil am Wachstum abbekommen hat. Die Straße ist unterlegen in diesem Wettbewerb. Das heißt, hier ist eine Trendwende, die Schere schließt sich. In Deutschland werden momentan ungefähr 17 Prozent der Waren auf der Schiene transportiert, übrigens 12 Prozent auf den Binnenwasserstraßen, auch ein wichtiger guter Verkehrsträger. Und es bedarf unglaublich hoher Investitionen und Anstrengungen, um diesen Modal Split, wie wir sagen, also diese Quotierung zu verändern. Deutschland investiert in die Schiene verhältnismäßig viel Geld, obwohl nur 16, 17 Prozent Waren werden ungefähr 40 Prozent der Investitionsmittel in die Schiene gelenkt. Und ich denke, auch diese Schnittstellen, die Terminals, die zwischen Straße und Schiene die Waren umladen sollen, werden unterstützt. Ich denke, dass wir in der Zukunft hier die Trendwende geschafft haben und auf dem aufwärts strebenden Ast sind.
    Zurheide: Gerade wo wir die europäische Diskussion haben, Stichwort "Privatisierung von Bahnen in Europa", bei uns steht das an, Sie verfolgen solche Projekte. Wo gibt es eigentlich in Europa Beispiele, wo Sie sagen, da haben die Bürger, die Menschen wirklich profitiert, weil privatisiert worden ist?
    Tiefensee: Gut, es gibt ein Beispiel, das gut gelaufen ist, das ist in Schweden. Aber auch Deutschland selbst ist ein Beispiel, wie man durch eine Umwandlung in eine Aktiengesellschaft eine hohe Qualität erreichen kann. Ihre Zuhörerinnen und Zuhörer sollten sich erinnern an Anfang der 90er Jahre an die Qualität der Bahn – ob das die Deutsche Bundesbahn oder ob es die Deutsche Reichsbahn aus DDR-Zeiten gewesen ist. Das ist kein Vergleich mit den modernen Zügen, mit dem Komfort, mit den Taktfrequenzen, die wir hier haben. Die Regionalisierung ist in Deutschland weit fortgeschritten, nicht zuletzt auch durch Wettbewerb auf der Schiene. 300 Wettbewerber tummeln sich dort und bieten ihre Leistungen an. 95 Prozent der Menschen, also nahezu alle, haben innerhalb von zehn Minuten eine Haltestelle vor der Tür. Und das sind Erfolge, die nicht zuletzt auch durch die Privatisierung erreicht worden sind. Wir wollen ja die Deutsche Bahn AG teilprivatisieren, das heißt, das Netz soll im Eigentum des Bundes bleiben auf Dauer, das wird nicht weggegeben. Und wir wollen maximal 49 Prozent veräußern an den restlichen Teilen, also an dem Transportbereich. Und dabei werden wir mit unseren 51 Prozent natürlich die Hand drauf legen, dass hohe Qualität erreicht wird, nicht zuletzt auch für die Bürgerinnen und Bürger, die die Bahn ja nachfragen sollen.
    Zurheide: Gerade in Ihrer Partei, in der SPD, gibt es aber den einen oder anderen, den Sie da noch überzeugen müssen. Sie glauben, dass Sie das schaffen können und wie?
    Tiefensee: Es ist hier wie überall im Leben, es gibt unterschiedliche Meinungen, es gibt Alternativen, wir müssen diskutieren. Ich denke, dass diese Rechtsform der Aktiengesellschaft, auch das Mitwirken von privaten Investoren dazu führen wird, dass sie die Qualität für die Bürger, aber auch die Qualität für die Unternehmer, die ihre Güter transportieren wollen, verbessert wird. Wir wollen ein Just-in-time auf der Schiene schaffen. Wir haben über den Güterverkehr gesprochen. Die Schiene muss eine echte Alternative auch für den Mittelständler sein, dass er seine Waren nicht mehr über den Lkw und auf der Autobahn fahren muss. Und dazu braucht es gemeinsame Anstrengungen. Und wir denken, wenn die Schiene im Eigentum des Bundes bleibt, aber die Bewirtschaftung der Schiene bzw. der Transport im Verein auch mit Investoren geschieht, dann können wir die Qualität verbessern. Und deshalb werbe ich dafür, und ich hoffe oder ich wünsche, dass ich auch diejenigen überzeuge, die jetzt noch skeptisch sind.
    Zurheide: Dankeschön für das Gespräch. Das war Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee von der SPD zu der abgelaufenen Ratspräsidentschaft der Deutschen.