Piening: Nein, das glaube ich noch nicht, denn das Urteil ist ja noch nicht endgültig. Die Kläger haben noch die Möglichkeit, das Bundesverfassungsgericht anzurufen und auch den Europäischen Gerichtshof. Aber sicherlich ist ein Trend erkennbar, dass für Länder, die in ihrer Verfassung einen Bezug auf christliche Traditionen haben, diesen Weg gehen könnten. Das ist sicherlich erkennbar. Ich war bei meiner Prognose von einer Chance 50 zu 50 ausgegangen. Frau Schawan hatte ja ihre Chancen 30 zu 70 eingeschätzt. Da ist sicherlich erst mal eine Richtung vorgegeben.
Probst: Baden-Württemberg ist eines der Länder, das schon ein Gesetz hat, Frau Schawan hatten sie gerade erwähnt. Niedersachsen ist das zweite Bundesland, Saarland ist das dritte, Berlin plant ein Gesetz über ein Kopftuchverbot. Ist das strikter als die Vorlagen, die wir schon kennen?
Piening: Ja, Berlin geht einen eigenständigen Weg. Berlin wird sämtliche religiösen Symbole aus dem Unterricht verbieten und wird keine Ausnahmen zulassen, wird keine Sonderregelung einführen. Wir haben natürlich auch eine Verfassung, die keinen Bezug auf christliche Traditionen hat. Ich halte dieses Gesetz auch integrationspolitisch für eindeutiger. Wir werden es nach der Sommerpause auf den Weg bringen.
Probst: So gesehen haben Sie es dann etwas einfacher in Berlin. Andererseits, wenn man den Anteil der islamischen Einwanderer betrachtet, ist es natürlich erheblich schwieriger.
Piening: Ja, deswegen ist dieses Thema für Berlin so wichtig. Wir haben zirka 220.000 Muslime in der Stadt und wir haben eine wachsende Zahl von Kopftuchträgerinnen und das häufig auch gerade unter Frauen, die über das Abitur über eine gewisse Aufstiegsperspektive verfügen. Das ist eine große Diskussion zur Zeit in der Stadt: Welche Perspektive haben diese Frauen und Mädchen eigentlich noch? Da sehe ich mit einer gewissen Sorge, dass die Diskussion um das Kopftuch sich unter der Hand längst nicht mehr nur auf den Bereich Schule festmacht, sondern, dass da langsam Diskussionen beginnen, dass auch jenseits aller Rechtssituationen berufliche Perspektiven insgesamt eingeschränkt werden für Kopftuchträgerinnen. Das wäre wirklich eine bedenkliche Entwicklung, denn das Bundesverfassungsgericht hat ja sehr eindeutig gesagt, dass diese Einschränkung des Tragens religiöser Symbole nur aufgrund der besonderen Situation im Schulbereich gilt.
Probst: Wie ist denn die Situation vor dem Gesetz in Berlin? Lassen Sie Lehrerinnen mit Kopftuch unterrichten?
Piening: Wir haben zur Zeit keine Anträge. Wir haben keine Lehrerinnen, insofern stellt sich dieses Problem noch nicht. Wir haben im Bereich der Kindertagesstätten gewisse Diskussionen, weil das ein Weg ist, den viele junge Mädchen gehen: Erzieherin zu werden ist ihre Aufstiegsperspektive. Da ist jetzt doch eine gewisse Zahl von ausgebildeten Erzieherinnen auf dem Markt, die mit Kopftuch auch arbeiten möchte. Da gibt es manchmal in den KiTas doch erhebliche Diskussionen. Da hoffen wir, durch das Berliner Gesetz auch Rechtssicherheit zu bekommen.
Probst: Stellen Sie auf der anderen Seite denn fest, dass bei den Schülerinnen die Zahl der Kopftuchträgerinnen enorm zugenommen hat, oder zunimmt?
Piening: Ja. Wir haben auch starke Diskussionen in den Schulen um die Frage: Welche Auswirkungen hat der Islam auf den Schulalltag? Wir haben Diskussionen ums Kopftuch, wir haben Diskussionen auch um koedukativen Unterricht im Sportunterricht zum Beispiel oder im Biologieunterricht. Aber das sind natürlich auch Konflikte und Diskussionen, die eine Einwanderungsstadt wie Berlin führen wird und führen muss. Wir haben Schulen, in denen 80 bis 90 Prozent der Kinder aus Einwanderermilieus kommen. Das sind Aufgaben, die sich der Schule stellen und da kann der Staat natürlich nur eine gewisse Rechtssicherheit gewährleisten. Die Frage von Akzeptanz und Nichtakzeptanz und Bedrohung, die muss letztendlich vor Ort geklärt werden.
Probst: Würden Sie sagen, da sind an den Schulen schon Abschottungstendenzen, nicht nur erkennbar, sondern machen sich bemerkbar?
Piening: Ist das Glas halb leer, oder halb voll? Die Gründe, warum zum Beispiel Mädchen ein Kopftuch tragen, sind unglaublich vielfältig. Das zeigen die ersten Untersuchungen, die wir in dem Bereich haben. Das geht längst nicht nur um islamistische Tendenzen, sondern teilweise ist das für Mädchen auch ein Stück Erkennbarkeit aus einer eigenen Gruppe heraus. Es sind sehr vielfältige Gründe. Man kann diese Entwicklung nicht am Kopftuch festmachen. Wichtig ist, dass wir auf der einen Seite genau hin schauen: Wo laufen solche Trends zu islamistischen Fundamentalismus? Aber auf der anderen Seite ist es ganz wichtig, dass wir auch in die islamische Gemeinde insgesamt ein Angebot hineingeben, dass wir nicht den Islam als Ganzes ausgrenzen, sondern nur die fundamentalistischen Teile und die Muslime stärker reinholen. Das finde ich ganz wichtig, diese Debatte zu führen. Da geht es manchmal in Diskussionen zu holzschnittartig zu.
Probst: Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht Mahrenholz hat heute morgen in diesem Sender gesagt, er betrachte das Urteil aus Leipzig als diskriminierend mit Blick auf die islamische Religion. Das trifft ja wohl auch, wenn ich das richtig wiedergebe, Ihre Ansicht, und er hat gesagt, es sei eher integrationsfeindlich. Können Sie sich dem auch anschließen?
Piening: Es ist sehr, sehr schwer mit diesem Urteil den Muslimen deutlich zu machen, dass alle Religionen hier in der Bundesrepublik gleich behandelt werden. Da ist sicherlich das Berliner Urteil einfach eindeutiger. Ich merke das in Gesprächen mit islamischen Frauenvereinen zum Beispiel. Wenn ich bei denen bin, dann kann ich sie letztendlich genau mit dem Argument überzeugen, dass christliche Religionen, die jüdische Religion und ihre Religion in den Schulen gleich behandelt werden. Ich glaube, es wird in Baden-Württemberg viel schwieriger sein, diese Diskussion zu führen. Damit ist natürlich eine gewisse Kultur der Akzeptanz nicht gegenüber dem Islamismus, sondern gegenüber diesen vielen, vielen moderaten Muslimen schwerer herzustellen.
Probst: Gleichbehandlung, Akzeptanz - können Sie denn in Berlin feststellen, dass beispielsweise von Seiten der islamischen Gemeinschaft die entsprechende Bereitschaft dazu überhaupt vorhanden ist?
Piening: Ja, wir können nicht von der islamischen Gemeinschaft reden. Wir haben innerhalb der islamischen Gemeinschaft islamistische Trends, die wir sehr genau beobachten, die wir auch versuchen auszugrenzen. Aber wir haben natürlich unter diesen 220.000 Muslimen die überwiegende Zahl derer, die hier in der Bundesrepublik angekommen sind, die sich als gute Bürger fühlen, und einfach nur ihre Religion leben wollen. Da müssen sie auch Angebote bekommen und da öffnen sich diese Gemeinschaften auch sehr stark. Da muss man auch aufpassen, was die - wie man so schön sagt - Kollateralschäden so eines Urteils sind.
Probst: Baden-Württemberg ist eines der Länder, das schon ein Gesetz hat, Frau Schawan hatten sie gerade erwähnt. Niedersachsen ist das zweite Bundesland, Saarland ist das dritte, Berlin plant ein Gesetz über ein Kopftuchverbot. Ist das strikter als die Vorlagen, die wir schon kennen?
Piening: Ja, Berlin geht einen eigenständigen Weg. Berlin wird sämtliche religiösen Symbole aus dem Unterricht verbieten und wird keine Ausnahmen zulassen, wird keine Sonderregelung einführen. Wir haben natürlich auch eine Verfassung, die keinen Bezug auf christliche Traditionen hat. Ich halte dieses Gesetz auch integrationspolitisch für eindeutiger. Wir werden es nach der Sommerpause auf den Weg bringen.
Probst: So gesehen haben Sie es dann etwas einfacher in Berlin. Andererseits, wenn man den Anteil der islamischen Einwanderer betrachtet, ist es natürlich erheblich schwieriger.
Piening: Ja, deswegen ist dieses Thema für Berlin so wichtig. Wir haben zirka 220.000 Muslime in der Stadt und wir haben eine wachsende Zahl von Kopftuchträgerinnen und das häufig auch gerade unter Frauen, die über das Abitur über eine gewisse Aufstiegsperspektive verfügen. Das ist eine große Diskussion zur Zeit in der Stadt: Welche Perspektive haben diese Frauen und Mädchen eigentlich noch? Da sehe ich mit einer gewissen Sorge, dass die Diskussion um das Kopftuch sich unter der Hand längst nicht mehr nur auf den Bereich Schule festmacht, sondern, dass da langsam Diskussionen beginnen, dass auch jenseits aller Rechtssituationen berufliche Perspektiven insgesamt eingeschränkt werden für Kopftuchträgerinnen. Das wäre wirklich eine bedenkliche Entwicklung, denn das Bundesverfassungsgericht hat ja sehr eindeutig gesagt, dass diese Einschränkung des Tragens religiöser Symbole nur aufgrund der besonderen Situation im Schulbereich gilt.
Probst: Wie ist denn die Situation vor dem Gesetz in Berlin? Lassen Sie Lehrerinnen mit Kopftuch unterrichten?
Piening: Wir haben zur Zeit keine Anträge. Wir haben keine Lehrerinnen, insofern stellt sich dieses Problem noch nicht. Wir haben im Bereich der Kindertagesstätten gewisse Diskussionen, weil das ein Weg ist, den viele junge Mädchen gehen: Erzieherin zu werden ist ihre Aufstiegsperspektive. Da ist jetzt doch eine gewisse Zahl von ausgebildeten Erzieherinnen auf dem Markt, die mit Kopftuch auch arbeiten möchte. Da gibt es manchmal in den KiTas doch erhebliche Diskussionen. Da hoffen wir, durch das Berliner Gesetz auch Rechtssicherheit zu bekommen.
Probst: Stellen Sie auf der anderen Seite denn fest, dass bei den Schülerinnen die Zahl der Kopftuchträgerinnen enorm zugenommen hat, oder zunimmt?
Piening: Ja. Wir haben auch starke Diskussionen in den Schulen um die Frage: Welche Auswirkungen hat der Islam auf den Schulalltag? Wir haben Diskussionen ums Kopftuch, wir haben Diskussionen auch um koedukativen Unterricht im Sportunterricht zum Beispiel oder im Biologieunterricht. Aber das sind natürlich auch Konflikte und Diskussionen, die eine Einwanderungsstadt wie Berlin führen wird und führen muss. Wir haben Schulen, in denen 80 bis 90 Prozent der Kinder aus Einwanderermilieus kommen. Das sind Aufgaben, die sich der Schule stellen und da kann der Staat natürlich nur eine gewisse Rechtssicherheit gewährleisten. Die Frage von Akzeptanz und Nichtakzeptanz und Bedrohung, die muss letztendlich vor Ort geklärt werden.
Probst: Würden Sie sagen, da sind an den Schulen schon Abschottungstendenzen, nicht nur erkennbar, sondern machen sich bemerkbar?
Piening: Ist das Glas halb leer, oder halb voll? Die Gründe, warum zum Beispiel Mädchen ein Kopftuch tragen, sind unglaublich vielfältig. Das zeigen die ersten Untersuchungen, die wir in dem Bereich haben. Das geht längst nicht nur um islamistische Tendenzen, sondern teilweise ist das für Mädchen auch ein Stück Erkennbarkeit aus einer eigenen Gruppe heraus. Es sind sehr vielfältige Gründe. Man kann diese Entwicklung nicht am Kopftuch festmachen. Wichtig ist, dass wir auf der einen Seite genau hin schauen: Wo laufen solche Trends zu islamistischen Fundamentalismus? Aber auf der anderen Seite ist es ganz wichtig, dass wir auch in die islamische Gemeinde insgesamt ein Angebot hineingeben, dass wir nicht den Islam als Ganzes ausgrenzen, sondern nur die fundamentalistischen Teile und die Muslime stärker reinholen. Das finde ich ganz wichtig, diese Debatte zu führen. Da geht es manchmal in Diskussionen zu holzschnittartig zu.
Probst: Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht Mahrenholz hat heute morgen in diesem Sender gesagt, er betrachte das Urteil aus Leipzig als diskriminierend mit Blick auf die islamische Religion. Das trifft ja wohl auch, wenn ich das richtig wiedergebe, Ihre Ansicht, und er hat gesagt, es sei eher integrationsfeindlich. Können Sie sich dem auch anschließen?
Piening: Es ist sehr, sehr schwer mit diesem Urteil den Muslimen deutlich zu machen, dass alle Religionen hier in der Bundesrepublik gleich behandelt werden. Da ist sicherlich das Berliner Urteil einfach eindeutiger. Ich merke das in Gesprächen mit islamischen Frauenvereinen zum Beispiel. Wenn ich bei denen bin, dann kann ich sie letztendlich genau mit dem Argument überzeugen, dass christliche Religionen, die jüdische Religion und ihre Religion in den Schulen gleich behandelt werden. Ich glaube, es wird in Baden-Württemberg viel schwieriger sein, diese Diskussion zu führen. Damit ist natürlich eine gewisse Kultur der Akzeptanz nicht gegenüber dem Islamismus, sondern gegenüber diesen vielen, vielen moderaten Muslimen schwerer herzustellen.
Probst: Gleichbehandlung, Akzeptanz - können Sie denn in Berlin feststellen, dass beispielsweise von Seiten der islamischen Gemeinschaft die entsprechende Bereitschaft dazu überhaupt vorhanden ist?
Piening: Ja, wir können nicht von der islamischen Gemeinschaft reden. Wir haben innerhalb der islamischen Gemeinschaft islamistische Trends, die wir sehr genau beobachten, die wir auch versuchen auszugrenzen. Aber wir haben natürlich unter diesen 220.000 Muslimen die überwiegende Zahl derer, die hier in der Bundesrepublik angekommen sind, die sich als gute Bürger fühlen, und einfach nur ihre Religion leben wollen. Da müssen sie auch Angebote bekommen und da öffnen sich diese Gemeinschaften auch sehr stark. Da muss man auch aufpassen, was die - wie man so schön sagt - Kollateralschäden so eines Urteils sind.