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"In der Krise muss man konsequent handeln"

Porsche-Chef Wendelin Wiedeking hält es angesichts der Absatzkrise in der Automobilbranche für entscheidend, unternehmerisch zu handeln. Durch die Arbeitszeitkonten habe das Unternehmen die Möglichkeit, schnell auf Absatzschwankungen zu reagieren; das schaffe Arbeitsplatzsicherheit. Durch die Beteiligung an VW könne man Vorteile bei der Forschung und Entwicklung, aber auch bei den Investitionen erzielen, betonte Wiedeking.

Wendelin Wiedeking im Gespräch mit Jörg Münchenberg |
    Stefan Heinlein: Satte Gewinne und hoher Umsatz. Lange Jahre fuhr Porsche auf der Überholspur. Doch die globale Wirtschafts- und Finanzkrise bremst auch den Sportwagenbauer. Porsche muss einen Gang runterschalten und seine Produktion im kommenden Jahr drosseln. Ungewohnt verhaltene Töne waren gestern auf der Bilanz-Pressekonferenz zu hören. Auf der Zielgeraden kommen offenbar auch die ehrgeizigen Übernahmepläne von VW ins Trudeln. Dennoch gibt sich Porsche-Chef Wendelin Wiedeking gelassen. Mein Kollege Jörg Münchenberg hat mit dem Top-Manager gesprochen und ihn zunächst gefragt, wie groß der Druck auf Porsche durch die Finanz- und Wirtschaftskrise ist.

    Wendelin Wiedeking: Na gut, das Problem trifft alle Hersteller. Wenn wir in der Zeitung lesen, dass große Entlassungswellen bei Investmentbankern stattfinden, dass die Käufer von der Hypothekenkrise getroffen sind, dann trifft das nicht nur die einfachen Menschen, sondern es trifft auch Leute, die früher viel Geld verdient haben, die sich auch überlegen, investiere ich jetzt in hochwertige Produkte oder nicht. Diese Kaufzurückhaltung im Luxusbereich insgesamt spürt zurzeit jeder. Deswegen haben wir die Produktion gekürzt. Allerdings bin ich auch der Meinung, wir dürfen jetzt nicht alles nur in Grund und Boden reden. Wir sollten auch an morgen denken, denn nach jedem Tief kommt auch ein Hoch.

    Jörg Münchenberg: Nun sagen die Auguren, erst 2009 kommt die Rezession richtig voll zum Tragen. Auf was stellt sich Porsche hier ein?

    Wiedeking: Na ja, wir müssen das tun, was notwendig ist. Wenn der Markt nicht da ist, müssen wir die Produktion kürzen - keine Frage. Das führt natürlich zu Verwerfungen in allen Dimensionen, bei den Zulieferern bis hin natürlich auch zu unserem Jahresergebnis. Allerdings wir wie kein anderer auch kann sich dagegen stemmen. Entscheidend aus meiner Sicht ist, dass wir wieder ein weltweites Vertrauen der Banken untereinander haben. Wenn ein gesundes Unternehmen aus Liquiditätsgründen, weil es keinen Kredit mehr bekommt, in die Insolvenz getrieben wird, dann halte ich das schlichtweg für unverantwortlich und da muss eingegriffen werden.

    Münchenberg: Nun ist bei BMW die Lage so dramatisch, dass zum Beispiel Leiharbeiter nicht mehr beschäftigt werden und entlassen werden. Wie ist die Situation für die Beschäftigten bei Porsche, wenn die Lage sich jetzt ja noch deutlich zuspitzen dürfte?

    Wiedeking: Na gut, ich meine, auch wir haben natürlich bei uns Mitarbeiter mit Werksverträgen. Was wir bei der Stammbelegschaft natürlich haben ist die Möglichkeit, über mehrere Jahre Arbeitszeitkonten aufzubauen und wieder abzufedern. Das haben wir bereits praktiziert nach dem 11. September in New York und ich glaube, damit sind wir gut gefahren. Die Belegschaft, unsere Belegschaft glaubt an diese Regeln, vertraut uns auch, und das ist das Gute dabei, dass hier die Belegschaft weiß, am Ende des Tages bekommt sie daraus auch Mehrwert, denn das schafft Arbeitsplatzsicherheit. Früher hat man die Bänder laufen lassen, hat lange verhandelt, was tun wir jetzt. Heute sind wir in der Lage, ich will nicht sagen über Nacht, aber zumindest geordnet in kurzer Zeit Vereinbarungen mit den Betriebsratsgremien, mit der Belegschaft zu treffen, die Kapazität rauszunehmen, oder aber wieder zuzuladen, wenn wir sie denn brauchen.

    Münchenberg: Trotzdem noch mal die Nachfrage. Mitarbeiter mit Werksverträgen bei Porsche müssen durchaus damit rechnen, dass sie vielleicht dann doch entlassen werden?

    Wiedeking: Das wird der gleiche Fall sein. Wir prüfen natürlich, ist ein Bedarf da, ist kein Bedarf da. In einer Krise muss man unternehmerisch handeln, verantwortungsvoll ja, aber trotzdem konsequent.

    Münchenberg: Nun ist ja der Ruf nach dem Staat sehr laut geworden. Nicht nur die Banken haben nach dem Staat gerufen, auch die Automobilunternehmen tun das teilweise. Es geht hier um Bürgschaften, es geht hier darum, vielleicht Verschrottungsprämien zu zahlen. Wie bewerten Sie diese Forderungen seitens der Branche?

    Wiedeking: Na gut. Ich meine, dass die Automobilindustrie insgesamt in einer Absatzkrise steckt, ist klar. Auch die Automobilhersteller brauchen natürlich am Ende des Tages Kredite von Banken, die das Finanzierungsgeschäft mit Automobilen oder auch das Leasing-Geschäft mit Automobilen refinanzieren. Wenn dieser Prozess nicht mehr ordnungsgemäß funktioniert, muss man sich was überlegen, wenn man nicht das gesamte System zusammenfallen lassen will. Deswegen glaube ich schon, dass sehr verantwortungsvoll hier gehandelt werden muss seitens der weltweiten Regierungen, und ich glaube, da sind schon viele gute Entscheidungen getroffen worden. Schade ist halt immer noch, dass in der Tat zu wenig Flexibilität im Kapitalmarkt vorherrscht, dass gute Firmen kein Geld mehr bekommen, weil die Banken Angst haben, es zu verleihen, weil sie ihre Eigenkapitalquote hochhalten müssen.

    Münchenberg: Zurück zu Porsche. Manche Kritiker sagen ja, Porsche ist nicht mehr zeitgemäß, wenn man den CO2-Ausstoß sich anschaut oder auch die Verbrauchszahlen. Wie zukunftsfest ist der Konzern da aufgestellt, wenn die Kunden vielleicht andere Autos in Zukunft haben wollen?

    Wiedeking: Zuerst einmal glaube ich fest daran, dass der Kunde immer Spaß haben will. Das Einheitsauto, an das glaube ich nicht, oder das Einheitsfahrrad. Wir stehen hier vorm neuen 9.11er, unter 10 Liter, 9,8 Liter pro 100 Kilometer, und dabei noch viel Fahrspaß. Ja was gibt es denn Besseres? Deswegen glaube ich, wir können klar sagen, Porsche bietet Fahrspaß mit umweltverträglichen Motoren und das war immer das Entscheidende. Solange die Menschen das Besondere suchen, werden wir unser Geschäft machen können. Davon bin ich fest überzeugt.

    Münchenberg: Nun kostet die Zukunftstechnologie eine Menge Geld. War das auch der Hauptgrund mit für den Einstieg bei Volkswagen?

    Wiedeking: Die industrielle Logik, von der wir immer gesprochen haben, ist natürlich die, dass wir uns gemeinsame Entwicklungen entsprechend auch kostengünstiger leisten können. Beispiel jetzt ist die gemeinsame Entwicklung für den Hybrid-Antrieb sowohl im Tuareg als auch im Cayenne. Hätte jedes Unternehmen das für sich gemacht, wäre der Aufwand deutlich höher gewesen. Das heißt, jedes Unternehmen spart daraus und das macht einfach Sinn.

    Münchenberg: Stichwort Volkswagen noch mal. Sie streben ja kurzfristig 50 Prozent Anteil an, mittelfristig 75 Prozent. Wann wird man das erreicht haben?

    Wiedeking: Das hängt davon ab, wie sich letztendlich der Kapitalmarkt beziehungsweise die Börse insgesamt entwickelt. Wir haben sämtliche Schritte bedacht. Wir reden ja immer von dem Schachspiel. Das macht ein paar Leute ein bisschen jeck, aber das mögen wir auch so ein bisschen. Das Schachspiel, was wir uns vorgestellt haben, jeder Zug war wohl überlegt, war nie von Zeitdruck getrieben. Wir haben immer gewisse Rahmenbedingungen mit in unsere nächsten Entscheidungen einbezogen. Ob wir nun den Einstieg, dann die Erhöhung, dann über 30, die Dinge sind alle sehr sorgfältig überlegt, und auch jetzt der Schritt über 50 wird sorgfältig überlegt. Wann er kommt? - Wir haben uns eigentlich schon vorgenommen noch im Laufe des Kalenderjahres. Ich habe gesagt, wenn es wirtschaftlich sinnvoll ist, machen wir es. Wenn nicht, haben wir auch keine Not, es im nächsten Jahr zu machen.

    Münchenberg: Sie haben gesagt, wenn sie 50 Prozent haben, dann werden sie auch bei VW mehr mitreden wollen. Auf was muss sich Volkswagen einstellen?

    Wiedeking: Nicht mitreden wollen. Ich habe gesagt, dass dann uns das Aktiengesetz einfach eine andere Basis der gemeinsamen Gespräche, der gemeinsamen Zusammenarbeit ermöglicht, und zwar über das Maß hinaus. Ich meine, eins ist klar: Porsche und der Volkswagen-Konzern sind im gleichen Geschäft, nämlich im Automobilgeschäft. Dort gibt es viele mögliche Ergänzungen. Diese Hybrid-Geschichte, wo wir uns den Einmalaufwand bei der Forschung und Entwicklung, aber auch bei den Investitionen größtenteils teilen können, die Dinge werden wir miteinander koordiniert verhandeln. Wir wollen eine Automobilallianz schmieden, die sich insbesondere den Wettbewerb draußen ziemlich vornimmt, und wir sind auf gutem Weg. Der Vorstand unter Martin Winterkorn macht einen guten Job. Eine Riesen Erneuerung, die gerade stattfindet. Die Antworten im Sinne Umweltschutz werden gegeben. Die Restrukturierungen greifen auch. Die Produktivität steigt im Konzern. Also insgesamt, glaube ich, haben wir uns an einem sehr guten Unternehmen beteiligt.

    Münchenberg: Das klingt jetzt alles sehr freundlich. Vor ein paar Monaten klang das noch etwas harscher im Ton, sage ich mal. Da ist ja auch erst mal sehr viel Porzellan trotzdem zerschlagen worden, was die Belegschaft, was die Mitspracherechte des Betriebsrates von Volkswagen angeht. Lässt sich das denn jetzt alles so schnell wieder kitten?

    Wiedeking: Zunächst einmal können so Dinge auch nicht einfach reibungslos laufen. Das ist ganz klar, dass wir auch Vorstellungen haben. Wir haben natürlich einen Zeitpunkt damals erwischt, wo der Börsenkurs auch niedrig war. Auch da muss man sich die Frage stellen, warum war er so niedrig. Ich glaube, seitdem hat sich vieles getan im Unternehmen, im Konzern. Dadurch, dass jetzt der VW-Konzern quasi als faktischer Konzern von Porsche anzusehen ist, werden wir jetzt miteinander geordnete Gesprächsrunden haben. Der Betriebsrat wird jetzt gewählt, der europäische Betriebsrat wird neu gewählt. Das heißt, die Kolleginnen und Kollegen von Volkswagen kommen jetzt in den Betriebsrat rein. Wir werden Kollegen von VW im Aufsichtsrat bei uns haben. Das gibt die Diskussionsplattform, das schafft Vertrauen. Ich bin sicher, da sind wir auf einem guten Weg.

    Münchenberg: Letzte Frage. Porsche verdient mehr Geld auf den Kapitalmärkten als mit den eigenen Autos. Warum verkaufen sie nicht die Autos und werden ein Hedgefonds?

    Wiedeking: Weil ich glaube, dass unser Geschäft auf Dauer erstens mehr Spaß macht, zweitens solider ist. Wir sind Autobauer mit Leib und Seele. Dass wir jetzt bei der Umsetzung unserer industriellen Logik, den größten europäischen Automobilhersteller mehrheitlich zu übernehmen, auch etwas Kredit am Kapitalmarkt verdient haben, das nehmen wir gerne mit, keine Frage, aber das Kerngeschäft bleibt weiter Porsche und das ist ja auch im letzten Jahr noch sehr erfolgreich gewesen. Wir sind immer noch bei der Rendite die Nummer 1 in der Welt, vor Toyota.

    Heinlein: Porsche-Chef Wendelin Wiedeking im Gespräch mit meinem Kollegen Jörg Münchenberg. Wir haben das Gespräch vor dieser Sendung aufgezeichnet.