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"In der realen Wirtschaft ist diese Krise noch nicht angekommen"

Angesichts der Finanzkrise der Banken vertritt der Wirtschaftswissenschaftler Klaus F. Zimmermann die Ansicht, es komme nun darauf an, wie sich Konsumenten und Investoren verhalten werden. Erst wenn die Bürger nichts mehr kaufen und die Unternehmen nicht mehr investieren würden, seien realwirtschaftliche Probleme vorprogrammiert.

Klaus Zimmermann im Gespräch mit Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Bundeskanzlerin Angela Merkel wird heute im Bundestag eine Regierungserklärung zur Finanzkrise abgeben. Am Wochenende hatte die Bundesregierung einen Rettungsplan für die Hypo Real Estate Bank über 50 Milliarden Euro mit anderen Privatbanken ausgehandelt und eine staatliche Garantie für Spareinlagen der Bürger abgegeben. Julia Eikmann hat sich umgehört, ob diese Garantie die Bürger beruhigt.

    O-Töne verschiedene Bürger:

    "Also man hat mir gesagt, bis 10.000 ist es so gut wie ohne Risiko. Also mein Geld ist sicher.

    Sicher ist man nie!

    Also nach dem, was die letzten Wochen gelaufen ist, mit dem ganzen Geld, mit den Banken und so, würde ich sagen, es ist gar nichts mehr sicher. Ich habe Angst auf die Zukunft bezogen, weil die Politiker nur in ihrem eigenen Interesse handeln.

    Ich betrachte das mit sehr viel Interesse, aber beunruhigen tut mich das alles nicht.

    Die Leute, die zig Tausende Euros angelegt haben, die müssten eigentlich Angst haben. Aber das bisschen was ich habe?

    Ich denke nicht, dass hier in Deutschland was passiert.

    Es bleibt auf der Bank wie es ist und ich denke, dass sich die Lage innerhalb von den nächsten zwei, drei Wochen beruhigt.

    Wenn ich es irgendwo verstecke, bringt es auch nichts, und wenn irgendwas kommt, ist eigentlich immer das beste, auch wenn so ein Crash kam vor Jahren, wie das 2001 war, abwarten und dann sehen wir weiter.

    Wo soll ich es sonst hintun? Unterm Bett ist es auch nicht sicher.

    Ich sage immer, investieren auf dem Trödelmarkt: entweder in Gold oder in schöne Antiquitäten."

    Spengler: Das waren einige Vorschläge. Stimmen von Bürgern, denen man jahrelang gesagt hat, wenn ihr etwas fürs Alter oder die Ausbildung euerer Kinder zurücklegen wollt, dann seid nicht so dumm und lasst das Geld nicht auf dem Sparbuch liegen, sondern legt es in Fonds an. - Am Telefon ist der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann. Guten Morgen, Herr Zimmermann.

    Klaus Zimmermann: Guten Morgen, Herr Spengler.

    Spengler: Herr Zimmermann, jetzt sichert der Staat die Sparkonten, aber nicht die Aktienfonds. Heißt das, dass die vermeintlich Dummen die Schlauen und die vermeintlich Schlauen die Dummen sind?

    Zimmermann: Na ja, bei diesen beiden Anlageformen geht es um sehr verschiedene Sachen. Aktien sind natürlich mit Risiken behaftet. Der Staat kann keine Aktien garantieren. Aber für Aktien gilt auch: Was solide Werte sind, das wird auch langfristig solide bleiben. Was hier im Augenblick passiert ist ja extrem viel Psychologie. Da unsere ganzen Finanzsysteme auf Vertrauen aufgebaut sind, sind Unsicherheiten, wie sie im Augenblick im Markt sind, eben der Anlass dafür, irrational zu handeln. Das muss letztlich eingeschränkt werden.

    Spengler: Es heißt, die Sparer müssten sich keine Sorgen machen. Stimmt das?

    Zimmermann: Die Sparer sind sicherlich außen vor. Wir haben einerseits das beste Einlagensicherungssystem der Welt. Jetzt wird darüber diskutiert, ob selbst diese Einlagensicherung verbessert werden soll. Zum anderen gibt es die Garantie der Bundeskanzlerin. Ich glaube, da liegt nicht das Problem.

    Spengler: Wo liegt es?

    Zimmermann: Das Problem liegt darin, dass die mangelnde Liquidität der Banken Probleme schafft. Da ist das Misstrauen zwischen den Banken. Man leiht sich nichts mehr. Das führt dazu, dass wir letztlich dann Gefahren haben, dass die Unternehmen nicht mehr Kredite bekommen können und deswegen nicht weiter investieren können.

    Spengler: Ehe wir jetzt weiter auf die Banken und auch auf die Unternehmen zu sprechen kommen, lassen Sie uns noch einen kurzen Moment bei den kleinen Anlegern bleiben. Bei jenen, die zum Beispiel auf die Ratschläge gehört haben und Aktienfonds gekauft haben, die nun runterrasseln. Was sollen die machen?

    Zimmermann: Sie sollen sicherlich jetzt keine Panikaktionen vornehmen.

    Spengler: Das heißt nicht verkaufen?

    Zimmermann: Das heißt im Augenblick nicht verkaufen.

    Spengler: Also aussitzen?

    Zimmermann: Das ist der beste Rat, den man im Augenblick geben kann, denn diese Kurse, die wir jetzt sehen, sind völlig irrational.

    Spengler: Hat einer, den wir da gefragt haben - der ist mir noch in Erinnerung -, Recht, wenn er sagt, die Lage wird sich in zwei, drei Wochen wieder beruhigt haben?

    Zimmermann: Das kann man natürlich nicht mit Sicherheit sagen, aber das ist die wahrscheinliche Situation, denn in der realen Wirtschaft ist diese Krise noch nicht angekommen.

    Spengler: Kommt sie denn an in der realen Wirtschaft? Man kann sich das ja gar nicht vorstellen, dass die Banken Probleme bekommen noch und nöcher, jetzt ja nicht erst seit ein paar Wochen, sondern schon seit Monaten, wenn nicht schon seit über einem Jahr, und die Industrieunternehmen merken davon nichts.

    Zimmermann: Die Bankenprobleme sind ja seit langem grundsätzlich bekannt. Es ist ja seit einem Jahr nicht viel Neues passiert, außer dass nun jetzt diese Krise langsam im Bankensektor Wirkung gezeigt hat. Insofern ist es so, dass wir hier eine insgesamte Entwicklung haben, die man hätte auch voraussehen können. Entscheidend sind die Konsumenten und die Investoren. Wenn die beiden Gruppen irritiert wären und etwa Konsumeinschränkungen vornehmen, nichts mehr kaufen, wenn Menschen ihre Bankkonten räumen würden und das Geld unter die Matratze stecken, und die Unternehmen aufhören zu investieren, dann kriegen wir realwirtschaftliche Probleme.

    Spengler: Das heißt, ich verstehe es richtig, wenn wir als kleine normale Bürger, als kleine Anleger irgendetwas tun können, dann das: ganz normal weitermachen wie bislang, normal kaufen, normal konsumieren, das Geld auf der Bank lassen. Was tun wir denn aber, um die Großen zu retten? Letzte Woche haben Sie ja gemeinsam mit anderen führenden EU-Ökonomen europaweite Lösungen gefordert. Das war, glaube ich, irgendwie ein vergeblicher Ruf, denn am Wochenende haben wir gesehen: jeder Staat macht auf einmal auf Nationalstaat.

    Zimmermann: Wir haben gesehen, dass jeder Staat in Europa versucht, seine Probleme einzeln zu regeln. Das hat das Problem, dass man dann in einen Wettbewerb hineingerät. Etwa die Iren machen eine Einlagensicherung und dann müssen wir und andere Staaten nachfolgen. Es wäre besser gewesen und das hätte Vertrauen geschafft, wenn Europa bereits letzte Woche gesagt hätte, wir garantieren das europaweit, wir sichern, wie das jetzt auch diskutiert wird, die Existenz der großen Banken, wir sichern, dass das System weiter Liquidität über die Europäische Zentralbank bekommt, und wir ergreifen alle langfristigen nötigen Maßnahmen, das System, das ja Schwächen gezeigt hat, zu reformieren.

    Spengler: Das heißt, das was jetzt die EU-Finanzminister in Luxemburg andeuten - sie wollen einen Rettungsschirm und sie wollen vor allen Dingen systemrelevante Banken auf jeden Fall schützen mit einer Garantie -, das ist der richtige Weg?

    Zimmermann: Das ist der richtige Weg und das hätte man bereits schon früher machen müssen.

    Spengler: Kommen da die Banken nicht ein bisschen billig weg, wenn sozusagen systemrelevante Banken - egal welche Politik sie machen - vom Staat geschützt werden?

    Zimmermann: Man wird ja Beteiligungen der Banken fordern. Die müssen einen Teil ihrer Vermögensbestände in Garantie geben. Es wird bei Kreditvergaben ja ein Zins verlangt. Die Banken werden sicherlich mit in die Verantwortung genommen werden müssen.

    Spengler: Heißt das auch, dass man vielleicht notfalls eine Bank auch Pleite gehen lassen muss?

    Zimmermann: Das kann man nur dann, wenn eine solche Bank nicht systematisch mit anderen Banken oder auch Geldinstituten zusammenhängt, weil sonst ein Flächenbrand entstehen kann.

    Spengler: Wie wirkt diese Krise eigentlich jetzt durch auf den Bundeshaushalt? Ist es noch denkbar, 2011 einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorzulegen, oder ist das nicht mehr realistisch?

    Zimmermann: Das hängt davon ab, inwieweit nun tatsächlich der Staat einspringen muss. Das muss er jetzt im Augenblick ja noch gar nicht. Insofern ist das noch nicht außer Reichweite. Entscheidend ist ja vielmehr, inwieweit es gelingt, das Überspringen der Finanzmarktkrise auf die Realwirtschaft zu verhindern. Dann käme es ja zu Steuereinbrüchen, Einnahmeeinbrüchen und das würde natürlich ein Defizit hervorrufen.

    Spengler: Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann, in Berlin. Danke für das Gespräch, Herr Zimmermann.