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"In Deutschland hätte das die Grenzen überschritten"

Die in Dänemark veröffentlichten zwölf Mohammed-Karikaturen seien in dieser Form nicht mit dem deutschen Pressekodex vereinbar, betont Michael Konken, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands. Dass einige Zeitungen die Karikaturen zur Dokumentation nachgedruckt hätten, liege hingegen in der Entscheidungsfreiheit der Redaktionen.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Wenn Carsten Juste gewusst hätte, was die zwölf Mohammed-Karikaturen in seiner dänischen Zeitung "Jyllands-Posten" auslösen würden, dann wären sie nicht erschienen, das hat jetzt der Chefredakteur des Blatts eingestanden. Am 30. September veröffentlichte "Jyllands-Posten" zwölf Karikaturen des Propheten und die Folgen sind in der Tat gewaltig: Die Außenminister der Arabischen Liga kritisieren Dänemark; der Botschafter Saudi-Arabiens wird aus Kopenhagen abgezogen - andere folgen seinem Beispiel; alle arabischen Staaten rufen zum Boykott dänischer Waren auf; und letzter Höhepunkt: Im Gaza wird das Büro der Europäischen Union gestürmt. Die Karikaturen haben die religiösen Gefühle von Moslems getroffen - oder auch verletzt. Aber rechtfertigt das ein solches Echo? Am Telefon begrüße ich nun Michael Konken, er ist der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands. Es gab seitens Ihres Verbands Kritik daran, dass einige Zeitungen in Deutschland - namentlich "Die Welt" und die "Berliner Zeitung" - einige Karikaturen nachgedruckt haben. Warum kritisieren Sie das?

    Michael Konken: Wir haben das zuerst kritisiert, weil es da eine falsche Einschätzung der Sachlage gab. Ich habe das dann aber, glaube ich, etwas in die andere Richtung korrigiert. Man muss, glaube ich, hier zweiteilen. A: Wenn wir diese Karikaturen so gebracht hätten, wie sie in Dänemark gebracht worden sind, dann wäre das mit dem Pressekodex, mit dem deutschen Pressekodex, nicht vereinbar gewesen, weil wir hier an eine Grenze stoßen der Ehrverletzung, eine Grenze stoßen, die dann das religiöse Empfinden beeinträchtigt der Moslems, und insofern wäre das, glaube ich, auch nach deutschem Presserecht und hier nach unserem deutschem Pressekodex nicht zulässig gewesen. Das, was jetzt passiert ist, war ein Bericht über das, was in Dänemark passiert ist; ein Bericht über das, was jetzt diesen internationalen Aufruhr ausgelöst hat. Und ich meine, da müssen wir schon eine Nachricht bringen, die dokumentiert werden muss, damit die Menschen in Deutschland das auch nachvollziehen können. Also ich habe das selbst im eigenen Kreise, im Bekanntenkreis erlebt, dass man vorher eigentlich mit dem, was in Dänemark passiert ist, nicht richtig umgehen konnte. Dass man sagte: Na ja, vielleicht stellen die sich da auch ein bisschen an. Nachdem diese Karikaturen dann hier erschienen in Deutschland, hat man das anders beurteilt. Man hat dann gesagt: Das ist auf jeden Fall ein paar Schritte zu weit, da ist man zu weit gegangen. Und auch gerade wir Deutschen wissen ja auch, wie wir mit solchen Karikaturen auch noch in der Gegenwart umgehen können, wenn man uns mit dem Naziregime mal wieder in Verbindung bringt.

    Meurer: Also würden Sie auch billigen, wenn alle zwölf Karikaturen abgedruckt werden in Deutschland zur Dokumentation?

    Konken: Da habe ich ein kleines Problem mit. Also, eine solche Karikatur sollte nicht dominant in einer Zeitung erscheinen. Und ich glaube, da muss man genau abgrenzen und mit dem Gefühl entsprechend sagen, was ich drucken kann und in welchem Umfang ich das machen kann. Und da war mir das, was dann auf dem Innenteil an Karikaturen erschien, ein Tick zu weit. Aber gut, da muss die Redaktion selbst entscheiden, wie weit sie hier gehen kann, und das haben sie mit Sicherheit auch intensiv diskutiert.

    Meurer: Inwiefern ein Tick zu weit?

    Konken: Mir waren die Karikaturen dann im Innenteil der Zeitung ein wenig zu groß.

    Meurer: Wir reden über "Die Welt"?

    Konken: Über "Die Welt".

    Meurer: Sie haben keinen Anstoß genommen an der Anzahl der Karikaturen?

    Konken: Ja, ich weiß nicht, wenn man - wie gesagt, das ist jetzt eine Überlegung, inwiefern man auch alle Karikaturen sehen muss, um sich ein Gesamtbild davon zu machen. Eine Karikatur reicht vielleicht nicht aus, um hier zu entscheiden, da ist man zu weit gegangen. Vielleicht muss man alle Karikaturen sehen. Aber, wie gesagt, das ist die Entscheidung der Redaktion, wie man da nachrichtlich und dokumentarisch mit umgeht.

    Meurer: Sie haben eingangs gesagt: Wenn es sich um die Erstveröffentlichung handelt, dann ist das ein Verstoß gegen den Pressekodex. Also mit dem, was "Wilandsposten" gemacht hat, sind Sie nicht einverstanden?

    Konken: Also ich möchte mich nicht in die Entscheidung der dänischen Kollegen einmischen. Ich kenne ihn nicht, den Pressekodex in Dänemark. Ich kann nur beurteilen, was nach dem deutschen Pressekodex, also bei uns, möglich ist und nicht möglich ist. Und in Deutschland hätte das mit Sicherheit die Grenzen überschritten, die wir eben nicht haben wollen.

    Meurer: Inwiefern die Grenzen überschritten?

    Konken: Weil hier das religiöse Empfinden der Moslems damit auch dann gestört wird.

    Meurer: Es gibt in der Tat im Pressekodex des Presserats einen Paragraphen, den Paragraph 10, ich zitiere mal kurz, da heißt es: "Veröffentlichungen in Wort und Bild, die das religiöse Empfinden wesentlich verletzen können, sind mit der Verantwortung der Presse nicht zu vereinbaren." Wer definiert, wann das wesentlich verletzt wird?

    Konken: Gut, dieses "wesentlich" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, wie der Jurist so schön sagt. Dieses "wesentlich" muss man, glaube ich, auch im Zusammenhang sehen, wie die Menschen mit ihrer Religion leben, wie sie diese Religion dann auch ausleben und wie sie mit einer entsprechenden Veröffentlichung dann umgehen. Und wir wissen natürlich auch, dass gerade die, die moslemischen Glaubens sind, natürlich da sehr empfindlich reagieren. Und insofern ist hier der Tatbestand des "Wesentlichen" erfüllt.

    Meurer: Auch wenn Sie sich aus den dänischen Verhältnissen ein wenig heraushalten wollen, üben Sie keine Solidarität mit den Kollegen in Kopenhagen, gegen die es immerhin Bombendrohungen gibt?

    Konken: Das ist auf jeden Fall ein Schritt, wo ich Solidarität auf jeden Fall übe. Denn das darf nicht dazu führen, so eine Veröffentlichung - man hat sich ja mittlerweile auch entschuldigt -, dass mit Bomben und mit Mord gedroht wird. Also da kommen wir auf eine Ebene, die mit Sicherheit nicht zu rechtfertigen ist.

    Meurer: Es hat auch in der Vergangenheit in Deutschland schon den ein oder anderen Fall gegeben. "Der Spiegel" zum Beispiel vor zwei Jahren, auch da ist mal Mohammed abgebildet worden, auch da gab es Morddrohungen. Wie groß ist die Gefahr, dass sich jetzt in Deutschland keine Zeitung mehr traut, ein Bildnis Mohammeds abzudrucken?

    Konken: Die Gefahr ist, glaube ich, groß. Weil das, was jetzt passiert, so eine Art Zensur für die Zukunft ist. Es macht mich allerdings auch traurig, dass damit jetzt das Zusammenleben zwischen Deutschen und unserer muslimischen Bevölkerung dadurch beeinträchtigt wird in Deutschland. Und es muss auch weiter möglich sein, die Pressefreiheit auch in Deutschland hochzuhalten. Das heißt, auch künftig muss es möglich sein, kritisch über bestimmte Sachverhalte zu berichten. Und natürlich auch kritisch über Sachverhalte in der arabischen Welt. Aber wir werden mit Sicherheit da jetzt - und da bin ich sicher -, dass einige Kollegen damit etwas vorsichtiger umgehen werden.

    Meurer: Was sagen Sie: Darf man noch Mohammed abbilden?

    Konken: Es kommt darauf an, in welchem Zusammenhang es abgebildet wird. Also der Presserat hat ja in der Vergangenheit eindeutig entschieden. Wenn es in den Bereich wirklich der religiösen Beeinträchtigung ging, dann hat der Presserat ganz klar gesagt: Hier ist die Grenze überschritten worden. Also da haben wir eigentlich eine ständige Beschlussfassung des Presserates.

    Meurer: Mancher wird sich vielleicht wundern, dass der Deutsche Journalisten-Verband so sehr darauf pocht, dass religiöse Gefühle nicht verletzt werden. Wie schwer wiegt die Pressefreiheit im Vergleich zum Schutz religiöser Gefühle?

    Konken: Gut, das ist natürlich eine Abwägung, die in jedem Einzelfall gemacht werden muss. Aber auch in Deutschland wissen wir ja auch, dass wir mit der evangelischen, mit der katholischen Kirche, wenn ich da an Karikaturen, die den Papst betreffen, mal daran erinnere, dass wir da auch immer wieder auch in den Bereich der Satire gehen. Also insofern ist natürlich auch die Pressefreiheit in diesem Bereich wichtig und gerade das, was wir unter Satire verstehen, da gehört natürlich auch die Kirche mit hinein.