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In Freiheit gefangen

Die Insel Malta ist neben der italienischen Insel Lampedusa eine der Anlaufstellen für Flüchtlinge von der nordafrikanischen Küste. Auf Malta erwartet sie eine Unterkunft, die an ein Internierungslager erinnert. Es herrschen unwürdige Zustände, und der Strom der Neuankömmlinge reißt nicht ab.

Von Jan Christoph Kitzler | 12.11.2013
    Wenn Europa eine Festung ist, dann ist Malta einer der Vorposten. Keine 300 Kilometer Luftlinie sind es von der nordafrikanischen Küste bis hierher. Malta liegt auf der Route der Flüchtlinge. Von den Zehntausenden, die sich in diesem Jahr über das Mittelmeer aufgemacht haben in Richtung Europa, haben es bis jetzt schon über 2.000 nach Malta geschafft.

    Fast alle kommen in Booten, die völlig überfüllt sind, nicht seetüchtig und die in Libyen starten: viele Männer, die stark genug sind für diese Reise, aber auch Frauen und Kinder. Vorher haben sie schon die Wüste durchquert, haben gelitten, sind vielleicht geschlagen worden oder vergewaltigt. Und sie haben sich in die Hände der Schleuser gegeben. Doch auf die, die Europa erreicht haben, wartet nicht die Freiheit, sondern ein Internierungslager.

    "Wir sind in Safi, das ist das Lager Nr. 1, hier haben wir 199 Flüchtlinge. Und auf der anderen Seite ist Lager Nr. 2 mit einer Kapazität von über 300. Hier haben wir Menschen aus acht Nationen, im Lager Nr. 2 nur Somalier."

    Oberfeldwebel Walter Frendo zeigt einen Ort, wo man bisher nicht so leicht hinein kam. Und die Flüchtlinge, die hier gelandet sind, kommen nicht so leicht wieder hinaus. Die neue Regierung Maltas ist offener, hat weniger Probleme zu zeigen, wie Flüchtlinge hier untergebracht werden. Es gibt solche Lager für Frauen, und für Paare. In Safi sind nur Männer.

    "Hören Sie: sie kommen hierher, das ist wie, als wenn ich zu Ihnen nach Hause komme. Bevor Sie die Tür öffnen, müssen sie über mich Bescheid wissen. Das ist die gleiche Situation. Sie wissen, die kommen von überallher. Und man weiß nicht, wer das ist. Also müssen wir diese Dinge tun."

    Streit zwischen den Religionen
    Safi ist wie ein Gefängnis auf einem Kasernengelände, gleich neben dem Flughafen. In einer Baracke blickt man durch Stahlgitter in einen Aufenthaltsraum. Der Boden besteht aus nacktem Beton, unter der Decke verquirlen ein paar Ventilatoren die stickige Luft. Gerade werden Nummern aufgerufen und Schachteln verteilt: das Frühstück.

    Fast alle Männer hier haben dunkle Haut, fast alle sind jung und kräftig, viele tragen die orangefarbenen T-Shirts, die sie bei der Ankunft bekommen haben. An der Wand hängen die Zeiten für den Sonnenauf- und -untergang: für die muslimischen Gebete. Es gibt manchmal Streit zwischen den Religionen. Und Gewalt wenn zum Beispiel die Muslime ihre Gebetszeiten nicht einhalten können.

    "Das größte Problem, das ich hier habe, ist die Religion und die Kultur. Wir haben hier viel Ärger. Und das ist, warum wir die Somalier von den anderen getrennt haben. Wir versuchen Ärger zu vermeiden. Mit der Religion und der Kultur haben wir viele Probleme."

    Die Tische und Bänke, an die sich die Männer gerade zum Frühstück setzen, sind ausgerichtet auf einen kleinen Fernseher in der Ecke. Da laufen Musikvideos, gerade eines, in dem schöne Menschen auf einem Segelboot unterwegs sind. Mit dem Horrortrip, den die Menschen hier hinter sich haben, haben diese Bilder rein gar nichts zu tun, erzählt Mohammed, der ursprünglich aus Togo kommt:

    ""Ich war acht Jahre lang in Libyen, aber die Situation in Libyen ist jetzt schlecht. Da werden dauernd Menschen umgebracht. Einige Leute haben mir gesagt: "Mohammed, warum bist Du immer noch hier? Geh´ nach Italien." Als sie kamen, haben sie an meine Tür geklopft und gesagt: "Steig´ ins Auto". Und dann: "Siehst Du das Boot dort? Das fährt nach Italien". Sie haben mich ins Boot gestoßen. Und als wir in Malta ankamen, wurde ich festgenommen. Ich will nach Italien.""

    Gefährliche Routen
    Mohammed und die Anderen hatten ursprünglich nicht vor, in Malta an Land zu gehen. Die meisten Flüchtlinge hier im Lager kommen aus Staaten südlich der Sahara: aus Westafrika, aus dem Senegal, aus Ghana, oder wie Mohammed aus Togo. Viele andere haben sich aus Ostafrika durchgeschlagen. Aus Somalia zum Beispiel. Sie nehmen die gefährlichen Routen durch die Wüste, meist bis nach Libyen. Auf dem Weg durch die Sahara schon sterben einige von ihnen.

    Manchmal haben die Fahrzeuge, die sie mitnehmen eine Panne, gerade erst vor ein paar Tagen hat man 93 Leichen in der Sahara gefunden. Sie kamen aus dem Niger, über die Hälfte waren Kinder. Die, die es bis nach Libyen schaffen vertrauen sich den Schleusern an. Oft verlangen die weit über 1.000 Euro, dafür gibt es in der Regel einen Platz in einem völlig überfüllten Boot. Oft werden die Boote dann auf dem Meer ihrem Schicksal überlassen – manchmal bleibt ein Satellitentelefon an Bord, um einen Notruf abzusetzen. Viele haben nicht einmal das – immer wieder ist es vorgekommen, dass die Boote von libyscher Seite beschossen werden.

    Deshalb war vor wenigen Wochen erst wieder ein Boot mit hunderten Menschen an Bord gesunken. Alle Flüchtlinge im Internierungslager Safi sagen sie wollten eigentlich nach Italien. Aber immer wieder geraten Boote in Seenot. Die meisten werden von der italienischen Marine oder Küstenwache gerettet. Aber einige auch von den Maltesern. Und wenn diese Menschen dann in Safi ankommen und feststellen, dass sie in Malta sind und nicht in Freiheit, sondern in diesem Lager, dann hat Walter Frendo, der Oberfeldwebel, der hier das Kommando hat, ein großes Problem:

    "Letzten Donnerstag kam ein Boot an mit Menschen aus Gambia und dem Senegal. Sie waren von der US-Marine gerettet worden. Auf dem Boot hatten sie ihnen gesagt: "Es geht nach Italien". Als sie hier ankamen, haben sie festgestellt, dass sie nicht in Italien, sondern in Malta sind. Sie weigerten sich, ins Lager zu gehen und sind die Nacht über draußen geblieben. Wir mussten sie dann mit Gewalt ins Lager zwingen."

    Fehlgeburt im Internierungslager
    Alle Flüchtlinge, die Malta erreichen, werden erst einmal in eines dieser Internierungslager gebracht. Bis zu 18 Monate lang bleiben sie hier. Menschenrechtsorganisationen haben Malta deshalb schon oft kritisiert. Im Juli dieses Jahres bezeichnete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg in einem Urteil gegen Malta die Unterbringung als "unmenschlich und erniedrigend". Er gab einer jungen Somalierin Recht, die gegen diese Bedingungen geklagt hatte.

    Sie war 18 Monate im Internierungslager und hatte in dieser Zeit unter anderem eine Fehlgeburt erlitten. Sie erhält nun 30.000 Euro Entschädigung. Normalerweise aber kommen schwangere Frauen und Kinder recht schnell wieder heraus aus den Internierungslagern. Viele landen dann in einem der offenen Flüchtlingscamps. Hier haben sie ein Bett und einen Schrank, werden medizinisch versorgt, bekommen etwas Geld, wenn sie nicht arbeiten. Und vor allem können sie sich frei bewegen.

    Oliver Gatt ist der Manager eines dieser Lager in Marsa. An der Wand hinter seinem Schreibtisch hängt eine große, gemalte Afrika-Karte. Ein riesiger Kontinent, und ganz oben, winzig klein, sieht man Malta. Gatt hält es für richtig, dass Malta die Flüchtlinge in den Internierungslagern einsperrt.

    "Das Land ist sehr klein, und das macht eine Art von Internierungspolitik notwendig. Wenn es keine Internierung gäbe, könnte das anziehend auf Flüchtlinge wirken. Und Malta kann es sich nicht leisten, Anziehungspunkt für Migranten zu sein. Vor allem, weil von den großen europäischen Ländern nicht genügend Solidarität gezeigt wird. Wenn es die gäbe, würden die Internierungslager möglicherweise nicht gebraucht."

    Die Gefängnisse für Flüchtlinge sollen also eine doppelte Wirkung entfalten. Auf die Menschen, die sich von Afrika aus auf die Reise nach Europa machen, und auf die Länder der Europäischen Union, von denen Malta mehr Unterstützung fordert. Malta fühlt sich allein gelassen mit dem Problem. Rund um den EU-Gipfel in Brüssel Ende Oktober hatte die Regierung wieder einmal versucht, den Druck zu erhöhen.

    "Das Mittelmeer darf kein Friedhof werden"
    Angesichts der vielen Toten auf dem Mittelmeer wollte man dafür sorgen, dass die Rufe nach einer europäischen Lösung in der Einwanderungspolitik keine leeren Worte bleiben. Maltas Premier Joseph Muscat hatte angesichts der Tragödien, als hunderte Flüchtlinge beim Kentern ihrer Boote den Tod fanden, gesagt: das Mittelmeer dürfe kein Friedhof werden. Und was ist mit den Flüchtlingen, die die Reise überleben? Ohne die Internierungslager gehe es nicht.

    "Unsere Landsleute, die Menschen in Europa und in der ganzen Welt sind enttäuscht von der Tatsache, dass Europa nicht entschieden handelt, um uns Frontstaaten zu helfen, mehr Leben zu retten. Und dann müssen wir sehen, wie wir verzweifelten Menschen auf unserem Kontinent verteilen. Was die Bedingungen hier in Malta angeht: Ja, wir müssen sie verbessern, wir müssen mehr tun."

    Christina Zammìt vom Jesuit Refugee Service, einer Hilfsorganisation, die in Malta in den Flüchtlingslagern arbeitet, überzeugt das nicht:

    "Asylsuchende müssen nicht und dürfen nicht eingesperrt werden. Sie haben keine Verbrechen begangen. Sie haben das Recht, Asyl zu beantragen, und sie haben das Recht, ein anderes Land auf irreguläre Weise zu betreten, wenn es keine anderen Wege gibt. Es gibt Alternativen."

    Vor allem, mein Kristina Zammit, müsste man die Flüchtlinge, die in Malta ankommen, besser behandeln. Die Politik der Abschreckung, die Malta in den vergangenen Jahren betrieben hat, sie hat offenbar keinen Erfolg. Die Verhältnisse in den Internierungslagern verstoßen gegen die Menschenrechte, sie sind nicht gut für die Flüchtlinge, die monatelang ohne eine Perspektive leben müssen, und am Ende sind sie auch nicht gut für Malta. Und dann gibt es auch noch die Pflicht, besonders gesundheitsgefährdete Flüchtlinge besser zu behandeln – aber Malta macht da oft keine Unterschiede:

    "Die Regierung hat die Politik, dass Asylbewerber in gefährdetem Zustand nicht interniert werden dürfen. Das heißt, dass schwangere Frauen, Familien und Kinder, Minderjährige, die allein sind, und Menschen mit chronischen Krankheiten, Behinderungen oder mentalen Krankheiten freigelassen werden sollten. Die Wahrheit ist, dass jeder interniert wird. Also gehen wir in die Lager und versuchen die zu identifizieren, die freigelassen werden müssen."

    Der Vorwurf, Malta werde allein gelassen, relativiert sich, wenn man sich im Internierungslager Safi umschaut: Auch im Raum, wo die Wachleute sitzen und wo ein paar Flüchtlinge auf einen Arzttermin warten, läuft ein Fernseher. Gerade eine Modenschau, mit leicht bekleideten Frauen. An der Wand hängt ein großes Schild, dem man entnehmen kann: Diese Einrichtung wird zum großen Teil finanziert mit Mitteln aus dem EU- Flüchtlings- Fonds. Europa zahlt also für diese Art der Unterbringung.

    Die Festung Europa wird ausgebaut
    Seit 2008 hat Malta mehr als 6,5 Millionen Euro aus dem Flüchtlingsfonds erhalten. Noch mehr Geld bekommt das kleinste EU- Land aus dem Fonds, der Mittel für den Schutz der Außengrenzen der Europäischen Union bereitstellt: seit 2007 über 70 Millionen Euro. Diese Zahlen stützen die These von Menschenrechtsorganisationen, dass die EU zu viel Geld für die Abwehr der Flüchtlinge ausgibt und zu wenig für deren Aufnahme. Je mehr Europa zur Festung ausgebaut wird, desto größer ist die Verzweiflung der Menschen, die hierher wollen. Und desto größer ist auch der Profit der Schleuser - und das Risiko für die Flüchtlinge, im Mittelmeer zu ertrinken.

    "Mit den Jahren wurde die "Festung Europa" immer mehr ausgebaut. Deshalb passieren so viele Tragödien, wie wir sie in diesem Sommer gesehen haben. Es geht den Menschen nicht nur um ein besseres Leben, sondern es geht schlichtweg um Leben und Tod. Die Menschen werden weiter wandern. Wir können das entweder anerkennen, oder wir werden weiterhin solche Tragödien erleben. Viele Menschen werden sterben, auch in den Transitländern."

    Diese Tragödien passieren direkt vor Maltas Haustür. Und auch wenn die Regierung schon Flüchtlinge in Krisenländer abgeschoben hat, auch wenn man schon Schiffen mit Flüchtlingen die Einfahrt in den Hafen der Hauptstadt Valletta verweigert hat: in letzter Zeit werden die Appelle in Richtung Europa immer dringlicher, weil die Zahl der Toten auf dem Meer immer weiter steigt. Dennoch: vom Gipfel in Brüssel Ende Oktober ist Joseph Muscat, Maltas Premierminister, mit leeren Händen zurückgekommen. Es gab nur das vage Versprechen, das Thema bald wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Mehr nicht:

    "In Europa hatten wir die Finanzkrise; wir haben zusammengehalten, es gab Solidarität. So sollte es laufen. Jetzt, wo es keine Finanzkrise gibt sondern eine humanitäre Krise, da zeigen wir nicht die gleiche Solidarität. Ich möchte nicht glauben wollen, dass für Europa Geld mehr zählt als Menschen."

    Oberfeldwebel Walter Frendo hat ganz andere Probleme in Safi, wo er das Kommando führt. Der Putz bröckelt von den kahlen Wänden, im Sommer bräuchte man eine Klimaanlage. Wenn es unerträglich heiß wird, steigt auch die Aggressivität der Insassen. Und es wäre gut, wenn es Sprachkurse gäbe und nicht nur den einen Fernseher. Man merkt Frendo an, dass er einen schweren Job hat. Er versucht, mit den Migranten ins Gespräch zu kommen. Für viele hat er ein nettes Wort, einen freundlichen Blick. Und auch Mitleid.

    "Wenn Sie mich hier reinstecken würden, dann würde ich das nicht eine Stunde aushalten. Die Flüchtlinge haben nichts zu tun. Sie haben nur einen Hof. Es gibt nicht mehr Platz. Wir haben Sprachkurse beantragt, nur um den Insassen den Tag zu füllen. Sie spielen Fußball, schauen Fernsehen, ansonsten machen sie nichts."

    Die Insassen von Safi bestätigen das. Die Langeweile macht sie kaputt. Mohammed aus Togo:

    "Ich brauche Freiheit. Wenn ich hier rauskomme, werde ich arbeiten. Ich bin nicht faul, ich bin ein harter Arbeiter. Hier im Lager kann man nur essen und schlafen. Es ist schwierig."

    Freiheit ist ein Wort, das man hier oft hört. Alle Insassen haben eine lange Reise hinter sich. Sie haben überlebt - und sind nun in Europa. Das Internierungslager Safi aber hat mit der Freiheit nichts zu tun, die sich alle wünschen. Und danach? Oliver Gatt, der Manager des offenen Flüchtlingslagers in Marsa, das für viele die nächste Station ist, macht keine großen Hoffnungen:

    "Wie beschreibt man Freiheit? Für mich ist Freiheit, wenn ein Mensch über seine eigene Zukunft entscheiden kann. Die Menschen, die hier sind, sind meist nicht in der Position, über ihre Zukunft zu entscheiden. Sie haben Wünsche, natürlich, wir versuchen ihnen dabei zu helfen sie zu erfüllen. Aber es ist nicht immer möglich, ihre Träume zu erfüllen, wenn sie in Malta sind."

    Im geschlossenen Internierungslager Safi ist Freiheit ein Wunsch, der nicht in Erfüllung geht. Nur manchmal können die Flüchtlinge das Lager verlassen, wenn sie zum Beispiel einen Termin bei einer Behörde haben oder ins Krankenhaus müssen. Dann werden ihnen Handschellen angelegt - wie bei Strafgefangenen. Die Hilfsorganisationen, die hier arbeiten, wie der Jesuit Refugee Service, halten die Lager in Malta deshalb für menschenunwürdig. Die lange Zeit, bis zu 18 Monate, die die Flüchtlinge hier verbringen müssen, mache die Menschen krank, klagt Kristina Zammìt:

    "Wir haben in den Internierungslagern so viele Menschen zusammenbrechen sehen. Männer kommen einigermaßen stark und gesund an - und nach sechs, spätestens nach 12 Monaten sind sie gebrochen. Viele Menschen haben zuerst fürchterliche Traumata in ihren Heimatländern und in den Transitländern erlitten. Dann kommen sie in das Lager und leiden hier weiter physisch und mental."

    Nach Ansicht von Kristina Zammìt haben die Lager schon deshalb keinen Sinn, weil die Menschen, die hier eingesperrt sind, ohnehin irgendwann freigelassen werden. Anderthalb Jahre ist die gesetzliche Obergrenze. Viele Flüchtlinge bleiben hier, Flüchtlinge werden von Malta so gut wie nie abgeschoben. Und weil diese Lager viele Insassen krank machen, verursachen sie letztendlich nur Kosten.

    Dass es auch anders gehen könnte, dass Personalien schnell erfasst und die Flüchtlinge rasch entlassen werden, zeigt das Verhalten der maltesischen Behörden gegenüber Schwangeren und Kindern. Sie bleiben nicht lange in den Lagern. Auch die Flüchtlinge aus Syrien kommen inzwischen meist recht schnell wieder frei. Das ist für Walter Frendo nicht immer nachzuvollziehen.

    "Vor zehn Tagen hatten wir ein Boot mit Syrern. Alle Insassen sind schon wieder draußen. Nach sieben Tagen! Das ist Rekord. Ich habe aber noch vier weitere Syrer im Lager. Die sind schon seit vier Monaten hier. Können Sie mir das erklären?"

    Drei Stunden Schlaf
    Die Regierung in Malta erklärt das mit dem Notstand. 4.000 bis 6.000 Flüchtlinge leben inzwischen in dem Inselstaat, angesichts einer Bevölkerung von nur rund 420.000. Pro Einwohner hat Malta die meisten Asylanträge in der EU. Allerdings werden immer wieder einige Asylberechtigte, die in Malta gelandet sind, von anderen EU-Staaten aufgenommen, und auch von den USA. Der kleine Inselstaat trägt eine große Last bei den so genannten Erstaufnahmen. Aber rechtfertigt das diesen unwürdigen Umgang mit Flüchtlingen?

    "Ich bin wütend und traurig. Ich schlafe nur drei Stunden pro Tag. Man kommt mit dem Boot, wird auf dem Meer gerettet. Und dann stecken sie dich ins Internierungslager. Ins Internierungslager! Und sie sagen: Du bleibst 18 Monate hier. Ohne rauszugehen. Mister, das ist nicht fair."

    Ransford stammt aus Ghana, einem Land, das nach Ansicht der EU-Innenminister sicher ist. Er sagt, er sei dort bei den letzten Wahlen zwischen die politischen Fronten geraten und sei geflohen. Sein Leben sei in Gefahr gewesen. Er sei einfach weg, morgens um vier, tagelang durch die Wüste bis nach Libyen. Nach vier Monaten sei er dort in ein Boot gestiegen. Von dem, was ihn in Malta erwartete, hatte er keine Ahnung:

    "Ich wusste nicht, wie Malta ist. Aber als wir hier angekommen sind, haben wir Leute getroffen. Und die haben uns gesagt, wie fürchterlich das Internierungslager ist. Man kann nicht raus, man kann nichts tun – das ist zu 100% ein Gefängnis. Malta, ich weiß nicht… In diesem Land gibt es keine Humanität."

    Und die nächsten Flüchtlinge, sie kommen bestimmt. Die Menschenrechtsorganisationen und die Regierung in Malta sind sich in einer Sache einig: in der Sorge, dass das Thema jetzt wieder in Vergessenheit gerät, im Winter, wenn weniger Boote kommen, wenn alles weniger dramatisch aussieht als in der Hochsaison, wenn täglich mehrere Boote aufgebracht werden.

    Andererseits: Im letzten Jahr kam das letzte Flüchtlingsboot nach Malta am 16. Dezember. Auf dem Weg nach draußen ist ein junger Soldat dabei. Drei Wochen ist er erst hier. Als er das Wort "Prison" hört, sagt er, das sei kein Gefängnis, das sei ein Notfall. Es gibt nicht wenige, die das anders sehen.