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"In meinen Texten geht es um Religion und Freiheit im Iran"

Der iranischstämmige Rapper Shahin Najafi wird vom Iran mit dem Tode bedroht - er ist mit der Fatwa belegt worden. Najafi sagt, dass er nicht wie der Autor Salman Rushdie untertauchen möchte. Bisher musste er Konzerte absagen und lebt gegenwärtig an einem unbekannten Ort.

Shahin Najafi im Gespräch mit Dirk Müller | 11.05.2012
    Dirk Müller: Er gilt als iranischer Eminem, der Rapper Shahin Najafi: 31 Jahre alt, er lebt im Rheinland, im Jahr 2005 ist er aus dem Iran nach Deutschland gekommen, ein Musiker, der in seinen Liedern, in seinen Songs die herrschenden Verhältnisse in seinem Heimatland mehr oder weniger offen kritisiert, diese Verhältnisse hinterfragt. Ein einflussreicher iranischer Groß-Ayatollah soll laut iranischer Presse nun ein Todesdekret gegen Shahin Najafi erlassen haben. Der Vorwurf: Gotteslästerung. Beobachter sprechen bereits vom ersten Fall nach der Fatwa gegen den britischen Autor Salman Rushdie 1989, bei dem jemand betroffen ist, der nicht im Iran lebt. Salman Rushdie wird seitdem strengstens bewacht, lebt und arbeitet an einem unbekannten Ort, das jedenfalls für viele, viele Jahre. Shahin Najafi ist jetzt bei uns hier im Deutschlandfunk im Studio, ebenso sein Manager Schahryar Ahadi. Guten Morgen.

    Shahin Najafi: Guten Morgen.

    Schahryar Ahadi: Guten Morgen.

    Müller: Herr Najafi, haben Sie Angst?

    Najafi: Also als ein Mensch ja, so kann man sagen. Aber als ein Künstler und als ein politischer Aktivist, ich darf nicht Angst haben, weil ich hinter mir eine große Menge Fans im Iran und in der ganzen Welt habe. Ich darf nicht Angst haben.

    Müller: Ich frage da noch mal nach: Aber Sie haben Angst? Als Mensch haben Sie Angst?

    Najafi: Ja natürlich! - Natürlich!

    Müller: ... , weil Sie auch nicht wissen, ob das Todesdekret, diese Fatwa, wie immer sie auch formuliert sein mag - wir konnten das nicht ganz im Detail klären, auch nicht mithilfe unserer Korrespondenten - ernst gemeint ist?

    Najafi: Ja ich glaube schon.

    Müller: Wie haben Sie davon erfahren?

    Najafi: Erst mal, nachdem mein Song veröffentlicht war, dass ich im Internet dieses Todesdekret gesehen habe, und auf den ersten Blick habe ich das nicht glauben können. Bisher habe ich das auch nicht glauben können und ich kann nicht erzählen, warum sie sich mir gegenüber so verhalten.

    Müller: Sie können es nicht erzählen, oder Sie können es nicht erklären, Schahryar Ahadi?

    Ahadi: Man kann es sich natürlich nicht erklären. Die Fatwa ist ja eigentlich schon vor ein paar Monaten ausgesprochen worden. Das ist keine Fatwa gegen Shahin Najafi, sondern das wurde benutzt, diese Fatwa wurde gegen die Leute benutzt, die den Imam oder Propheten beleidigen. Ich weiß nicht, von wann das ist, aber nicht nach diesem Song. Dann wurde diese Fatwa von einigen Fundamentalisten benutzt, damit die Shahin Najafi dann in Verruf bringen und ihn bedrohen können. Also das wurde einfach hochstilisiert im Internet und wurde überall innerhalb von vier, fünf Stunden verbreitet. Das haben wir erst mal in iranischen News gelesen und dann kam das in den internationalen News.

    Müller: Aber das haben gestern auch unsere Korrespondenten berichtet. Das heißt, jetzt haben jüngst aktuell die iranischen Medien, die iranische Presse das noch einmal aufgegriffen, man hat definitiv von der Fatwa gesprochen?

    Ahadi: Absolut, absolut. Die haben das alle richtig verbreitet, damit das erst mal in der iranischen Gesellschaft schön verbreitet ist, also das wurde richtig ausgenutzt.

    Müller: Wie haben Sie davon erfahren?

    Ahadi: Auch online, auch übers Internet. Erst mal gab es Drohungen per E-Mail und dann haben wir mal recherchiert im Internet, was es damit auf sich hat, und dann hatten wir diese Fatwa gesehen.

    Müller: Shahin Najafi, als wir Sie gestern versucht haben, telefonisch zu erreichen, sind Sie schon unterwegs gewesen, waren bei der Polizei. Bekommen Sie Schutz?

    Najafi: Ich weiß nicht, dürfen wir darüber reden?

    Müller: Bitte!

    Ahadi: Also Schutz, natürlich. Wir bekommen eingeschränkten Schutz von der Polizei. Wir waren gestern im Polizeipräsidium und wir werden natürlich, soweit es für die Polizei möglich ist, beschützt. Wir halten unsere Wohnsituation geheim und so weit es möglich ist eben. Also man kann nicht sagen, dass nichts passiert natürlich.

    Müller: Also Sie können hier nur so antworten, wie Sie es verantworten können.

    Ahadi: Natürlich.

    Müller: Das ist ganz klar, darüber haben wir vorher auch gesprochen. Nun weiß ich nicht, was Sie alles verantworten können, deswegen frage ich dennoch. Das heißt, bei der Polizei, bei den Sicherheitsbehörden ist diese Drohung aus Teheran voll ernst genommen worden?

    Ahadi: Das ist ernst genommen worden. Es wird bearbeitet noch, aber ich kann dazu nicht viel sagen im Moment.

    Müller: Reden wir noch einmal über die Ursache. Warum fühlen sich Geistliche, religiöse Oberhäupter, Groß-Ayatollahs, wie wir es jetzt gelesen, nachgelesen haben, offenbar von der Musik provoziert beziehungsweise von den Texten provoziert?

    Ahadi: Der Text selber ist ein Dialog oder ein Gebet mit dem zehnten Propheten der Schiiten, Imam al-Hádi, und es geht eigentlich nur darum, um die aktuelle Situation im Iran, alles, was in der Gesellschaft vorkommt. Es ist einfach ein Dialog zwischen irgendeinem Menschen und dem Imam, oder ein Gebet an ihn, dass er endlich mal jetzt helfen soll.

    Müller: Entschuldigung, wenn ich da unterbreche. Haben wir das richtig verstanden, dass Sie in dem Text fordern, er soll also zurückkommen auf die Welt, um dann die herrschenden Verhältnisse im Iran zu untersuchen beziehungsweise zu ändern?

    Ahadi: Es ist natürlich alles ironisch in dem Lied und da kann ich natürlich nicht erklären, warum die sich jetzt beleidigt fühlen. Anscheinend darf man den Namen Imam nicht in irgendeinen Kontext mit diesen Themen bringen.

    Müller: Aber Sie kennen die Situation vor Ort. Sie sind jetzt überrascht, dass so reagiert wird?

    Ahadi: Wir waren überrascht, ja. Wir waren überrascht.

    Müller: Shahin Najafi, Sie haben gesagt, Sie sind in erster Linie Musiker, aber Sie sind auch politischer Aktivist, wenn ich das richtig verstanden habe. Das heißt, Ihre Musik ist auch immer politisch?

    Najafi: Politischer Aktivist ist vielleicht ein bisschen nicht so richtig. Ich muss mich als ein Menschenrechtsaktivisten vorstellen. Aber in meinen Gedichten und meinen Texten geht es um Frauenrechte, Menschenrechte, Religion und Freiheit im Iran. Bei allem geht es um Iran und in diesem Text geht es auch um solche Themen.

    Müller: Jetzt gibt es diese konkrete Bedrohung aus Teheran. Wie geht es jetzt weiter, wie gestalten Sie in den nächsten Tagen und Wochen Ihre Zukunft?

    Najafi: Das ist jetzt auch meine Frage. Wissen Sie, ich will nicht wie Salman Rushdie untertauchen und ich bin jung, 31, und ich bin ein Künstler und ich muss auftreten. Ich kann nicht untertauchen und zuhause bleiben. Das ist meine Frage. Bisher musste ich ein paar Konzerte in Europa absagen und finanziell habe ich auch keine Zukunft. Ich weiß nicht, was soll ich machen, und das ist auch meine Frage.

    Ahadi: Es ist natürlich jetzt schwierig in den nächsten Tagen. Wir mussten natürlich jetzt mehrere Auftritte absagen von Veranstalterseite und unsererseits auch. Das müssen wir jetzt mit den Behörden mal besprechen, wie es mit ihm jetzt weitergeht. Er kann jetzt nicht arbeiten, er muss jetzt untertauchen, also die Situation muss jetzt geklärt werden.

    Müller: Herzlichen Dank an Sie beide, Shahin Najafi und Schahryar Ahadi, bei uns hier im Deutschlandfunk live im Studio.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.