Jochen Spengler: Mehr als die Hälfte der wehrpflichtigen jungen Männer wird derzeit nicht eingezogen, weder zum Wehrdienst, noch zum Zivildienst, den man früher etwas abschätzig Ersatzdienst genannt hat. Doch von einem Ersatz kann heute schon lange keine Rede mehr sein, allein der Zahlen wegen. Im letzten Jahr wurden etwa 68.000 Männer zum Wehrdienst einberufen, aber mehr als 90.000 zum Zivildienst. Nun soll mit dem Wehrdienst auch der Zivildienst auf sechs Monate verkürzt werden. Das hat die Bundesregierung letzte Woche beschlossen.
Am Telefon ist nun Werner Glenewinkel von der Zentralstelle KDV, der Interessenvertretung der Zivildienstleistenden. Guten Morgen, Herr Glenewinkel.
Werner Glenewinkel: Schönen guten Morgen, Herr Spengler.
Spengler: Vor langer Zeit, da währte der Zivildienst einmal 20 Monate, demnächst also nur noch sechs Monate. Wie sinnvoll sind Ihrer Meinung nach sechs Monate?
Glenewinkel: Das kommt darauf an, was man unter sinnvoll versteht. Das Wort sinnvoll versteckt ja, dass es einen Sinn macht, und in der Tat macht es Sinn, sechs Monate Zivildienst zu machen, weil man in der Zeit eine ganze Menge lernen und auch eine Menge guter Erfahrungen machen kann.
Aber der Maßstab ist etwas anderes. Sie haben in der Anmoderation gesagt, dass es ein Ersatzdienst war, und in der Tat ist es immer noch ein Ersatzdienst. Es ist nämlich Ersatz für die Wehrpflicht. Die Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer vertritt diejenigen, die nicht in den Krieg wollen, und das heißt: Zivildienst ist Ersatzdienst für diejenigen, die nicht zur Bundeswehr wollen, und da sind wir, wie Sie verstehen werden, natürlich froh um jeden Monat, der weniger Ersatzdienst in diesem Sinne zu leisten ist.
Spengler: Was halten Sie denn davon, wenn der Zivildienst nun freiwillig verlängert werden soll?
Glenewinkel: Die freiwillige Verlängerung ist eine Mogelpackung. Da wird gemogelt, dass es sich um Freiwilligkeit handelt, und in Wirklichkeit ist es nicht freiwillig, denn Sie müssen bedenken, dass die Zivildienststellen die Möglichkeit der sogenannten Einverständniserklärung haben. Das heißt, die Zivildienststelle bestimmt, welchen Zivildienstleistenden sie nehmen möchte.
Spengler: Nun soll doch laut dem Gesetz der Antrag auf eine freiwillige Verlängerung erst zwei Monate nach Beginn der Tätigkeit gestellt werden dürfen, damit der Druck auf die Zivildienstleistenden ausgeschlossen wird.
Glenewinkel: Ja. Da geht die Mogelpackung weiter. Das ist sozusagen der schlechte Kompromiss, der zwischen zwei Parteien ausgehandelt worden ist, die in völlig unterschiedlicher Richtung gehen wollen. Die FDP will die Wehrpflicht eigentlich abschaffen, die CDU will sie beibehalten und die CSU will sie eigentlich ausbauen, und das, was herauskommt, ist, sich auf sechs Monate zu einigen und eine freiwillige Verlängerung zu machen. Die freiwillige Verlängerung wird nicht freiwillig sein. De facto wird es so sein, dass es nur noch 12-Monats-Stellen gibt. Die Sozialverbände haben sich letztlich alle dafür ausgesprochen, aus verständlichen Interessen ihrerseits. Insofern wird der Zivildienst länger dauern als der Wehrdienst, und damit sind wir bei einem alten Muster, das viele junge Leute ja leidvoll erlebt haben.
Spengler: Herr Glenewinkel, aber wäre das dann nicht ein Gesetzesverstoß, wenn die Stellen von vornherein 12 Monate sind?
Glenewinkel: Die FDP hat versucht, das mit einer gut gemeinten Regelung zu verhindern, indem sie die von Ihnen erwähnte Zweimonatsfrist eingebaut hat. Aber de facto ist es so, dass diese Zweimonatsfrist umgangen werden wird, denn überlegen Sie mal: wenn jemand nicht diesem Angebot seiner Zivildienststelle auf 12 Monate zustimmt, was bleibt dann? Dann kriegt er einen Bescheid vom Bundesamt für Zivildienst und die werden ihn dann heimatfern in irgendeine Stelle setzen, die er nicht kennt und an der er nicht weiß, was ihn erwartet, und dann wird er zwischen zwei Übeln wählen und sagen, na gut, dann nehme ich die 12-Monats-Stelle.
Spengler: Sie gehen also davon aus, dass ein Zivildienstleistender künftig von vornherein nur 12-Monats-Stellen angeboten bekommt?
Glenewinkel: 95 Prozent der Zivildienststellen haben die sogenannte Einverständniserklärungsmöglichkeit. Das heißt, sie bestimmen letztendlich, wen sie nehmen. Ja, genau so ist das!
Spengler: Wird denn dieser Job wenigstens einigermaßen anständig bezahlt?
Glenewinkel: Das ist der nächste Teil der Mogelpackung. Es heißt ja, freiwillig zusätzlicher Zivildienst, und in der Tat steckt in dem Wörtchen zusätzlich ein neuer Charakter. Es wird ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis eingerichtet, und es bleibt letzten Endes bei allen Rahmenbedingungen, die der Zivildienstpflichtige, also der den Pflichtdienst macht, auch hat. Es gibt weiterhin ein …
Spengler: Moment! Halt, da muss ich mal einschreiten. Sie sagen, sechs Monate Zivildienst, das ist der normale Dienst, und dann kommt ein neues Verhältnis, ein neuer Job zu Stande.
Glenewinkel: Ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis, so nennt das die Bundesregierung und das heißt, es gelten aber die alten Rahmenbedingungen. Es gelten die alten Rahmenbedingungen des Zivildienstgesetzes. Das heißt, es gibt Disziplinarmöglichkeiten, man kann bestraft werden. Und das zweite ist: Es gibt keine andere Bezahlung. Hier gibt es eine eklatante Ungleichbehandlung zu den Soldaten. Jeder Soldat, der freiwillig zusätzlichen Wehrdienst leistet, bekommt einen Wehrdienstzuschlag. Der geht von 600 bis ungefähr 700 Euro. Die Zivildienstleistenden arbeiten für den gleichen Sold.
Spengler: Wie viel haben die denn in der Stunde?
Glenewinkel: Wenn man die Wochenarbeitszeit durch das, auf was die Zivildienstleistenden kommen, teilt, kommt man auf ungefähr 3,70 Euro.
Spengler: Das ist nicht anständig?
Glenewinkel: Das ist kein anständiger Lohn und das gibt der Mogelpackung noch einen ganz üblen Beigeschmack, weil nämlich letzten Endes die Interessen der Sozialverbände deutlich auf dem Tisch liegen. Der Mindestlohn für Pflegehilfskräfte ist gerade neu vereinbart worden: 8,50 Euro in den alten und 7,50 Euro in den neuen Bundesländern. Und jetzt vergleichen Sie das bitte mal mit 3,70 Euro. Welcher Arbeitgeber würde nicht da gerne zugreifen, wenn er diese billigen Arbeitskräfte für ein halbes Jahr praktisch vom Staat angeboten bekommt.
Spengler: Nun sind natürlich die ordentlich ausgebildeten Pflegekräfte auch ordentlich ausgebildet, im Gegensatz zu Zivildienstleistenden.
Glenewinkel: Pflegehilfskräfte sind die Pflegekräfte, die relativ schnell angelernt werden. Sie müssen bedenken: der Aufschrei der Sozialverbände ist ja nur dann verständlich, wenn man bedenkt, was geht ihnen verloren. Es gehen ihnen wirkliche Arbeitskräfte verloren. Die werden angelernt und werden dann eingesetzt in ähnlichen Bereichen wie die Pflegehilfskräfte.
Spengler: Was wäre die Alternative? Was fordern Sie?
Glenewinkel: Die Alternative wäre, wirklich den freiwilligen Dienst zu fördern. Solange wir die Wehrpflicht haben, haben wir Zivildienst, und wenn die Wehrpflicht sechs Monate beträgt, beträgt der Zivildienst sechs Monate. Das ist gut so.
Jetzt könnte man den freiwilligen Dienst fördern. Der Freiwilligendienst hat unheimlich viele Möglichkeiten: das freiwillige soziale Jahr, das freiwillige ökologische Jahr ermöglicht Leuten, wirklich selbst, also mit eigener Entscheidung, mit eigener Motivation eine Erfahrung zu machen, die für sie gut ist.
Die zweite Möglichkeit ist, dass die Arbeitgeber die Leute einstellen zu vernünftigen Arbeitsbedingungen. Es gibt Anschluss-Arbeitsverträge, das wird bisher auch schon zum Teil gemacht. Und schließlich müssen Sie bedenken: es besteht die Gefahr, dass hier ein Billiglohnsektor eingeführt wird, und das ist arbeitsmarktpolitisch, finde ich, ein bedeutsames Thema. 90.000 Arbeitsplätze, die praktisch anderen Menschen weggenommen werden, da sollte man sich sehr gut überlegen, ob man das in dieser Form weiter betreibt.
Spengler: …, sagt Werner Glenewinkel von der Zentralstelle KDV, der Interessenvertretung der Zivildienstleistenden. Danke, Herr Glenewinkel, für das Gespräch.
Glenewinkel: Gerne, Herr Spengler.
Am Telefon ist nun Werner Glenewinkel von der Zentralstelle KDV, der Interessenvertretung der Zivildienstleistenden. Guten Morgen, Herr Glenewinkel.
Werner Glenewinkel: Schönen guten Morgen, Herr Spengler.
Spengler: Vor langer Zeit, da währte der Zivildienst einmal 20 Monate, demnächst also nur noch sechs Monate. Wie sinnvoll sind Ihrer Meinung nach sechs Monate?
Glenewinkel: Das kommt darauf an, was man unter sinnvoll versteht. Das Wort sinnvoll versteckt ja, dass es einen Sinn macht, und in der Tat macht es Sinn, sechs Monate Zivildienst zu machen, weil man in der Zeit eine ganze Menge lernen und auch eine Menge guter Erfahrungen machen kann.
Aber der Maßstab ist etwas anderes. Sie haben in der Anmoderation gesagt, dass es ein Ersatzdienst war, und in der Tat ist es immer noch ein Ersatzdienst. Es ist nämlich Ersatz für die Wehrpflicht. Die Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer vertritt diejenigen, die nicht in den Krieg wollen, und das heißt: Zivildienst ist Ersatzdienst für diejenigen, die nicht zur Bundeswehr wollen, und da sind wir, wie Sie verstehen werden, natürlich froh um jeden Monat, der weniger Ersatzdienst in diesem Sinne zu leisten ist.
Spengler: Was halten Sie denn davon, wenn der Zivildienst nun freiwillig verlängert werden soll?
Glenewinkel: Die freiwillige Verlängerung ist eine Mogelpackung. Da wird gemogelt, dass es sich um Freiwilligkeit handelt, und in Wirklichkeit ist es nicht freiwillig, denn Sie müssen bedenken, dass die Zivildienststellen die Möglichkeit der sogenannten Einverständniserklärung haben. Das heißt, die Zivildienststelle bestimmt, welchen Zivildienstleistenden sie nehmen möchte.
Spengler: Nun soll doch laut dem Gesetz der Antrag auf eine freiwillige Verlängerung erst zwei Monate nach Beginn der Tätigkeit gestellt werden dürfen, damit der Druck auf die Zivildienstleistenden ausgeschlossen wird.
Glenewinkel: Ja. Da geht die Mogelpackung weiter. Das ist sozusagen der schlechte Kompromiss, der zwischen zwei Parteien ausgehandelt worden ist, die in völlig unterschiedlicher Richtung gehen wollen. Die FDP will die Wehrpflicht eigentlich abschaffen, die CDU will sie beibehalten und die CSU will sie eigentlich ausbauen, und das, was herauskommt, ist, sich auf sechs Monate zu einigen und eine freiwillige Verlängerung zu machen. Die freiwillige Verlängerung wird nicht freiwillig sein. De facto wird es so sein, dass es nur noch 12-Monats-Stellen gibt. Die Sozialverbände haben sich letztlich alle dafür ausgesprochen, aus verständlichen Interessen ihrerseits. Insofern wird der Zivildienst länger dauern als der Wehrdienst, und damit sind wir bei einem alten Muster, das viele junge Leute ja leidvoll erlebt haben.
Spengler: Herr Glenewinkel, aber wäre das dann nicht ein Gesetzesverstoß, wenn die Stellen von vornherein 12 Monate sind?
Glenewinkel: Die FDP hat versucht, das mit einer gut gemeinten Regelung zu verhindern, indem sie die von Ihnen erwähnte Zweimonatsfrist eingebaut hat. Aber de facto ist es so, dass diese Zweimonatsfrist umgangen werden wird, denn überlegen Sie mal: wenn jemand nicht diesem Angebot seiner Zivildienststelle auf 12 Monate zustimmt, was bleibt dann? Dann kriegt er einen Bescheid vom Bundesamt für Zivildienst und die werden ihn dann heimatfern in irgendeine Stelle setzen, die er nicht kennt und an der er nicht weiß, was ihn erwartet, und dann wird er zwischen zwei Übeln wählen und sagen, na gut, dann nehme ich die 12-Monats-Stelle.
Spengler: Sie gehen also davon aus, dass ein Zivildienstleistender künftig von vornherein nur 12-Monats-Stellen angeboten bekommt?
Glenewinkel: 95 Prozent der Zivildienststellen haben die sogenannte Einverständniserklärungsmöglichkeit. Das heißt, sie bestimmen letztendlich, wen sie nehmen. Ja, genau so ist das!
Spengler: Wird denn dieser Job wenigstens einigermaßen anständig bezahlt?
Glenewinkel: Das ist der nächste Teil der Mogelpackung. Es heißt ja, freiwillig zusätzlicher Zivildienst, und in der Tat steckt in dem Wörtchen zusätzlich ein neuer Charakter. Es wird ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis eingerichtet, und es bleibt letzten Endes bei allen Rahmenbedingungen, die der Zivildienstpflichtige, also der den Pflichtdienst macht, auch hat. Es gibt weiterhin ein …
Spengler: Moment! Halt, da muss ich mal einschreiten. Sie sagen, sechs Monate Zivildienst, das ist der normale Dienst, und dann kommt ein neues Verhältnis, ein neuer Job zu Stande.
Glenewinkel: Ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis, so nennt das die Bundesregierung und das heißt, es gelten aber die alten Rahmenbedingungen. Es gelten die alten Rahmenbedingungen des Zivildienstgesetzes. Das heißt, es gibt Disziplinarmöglichkeiten, man kann bestraft werden. Und das zweite ist: Es gibt keine andere Bezahlung. Hier gibt es eine eklatante Ungleichbehandlung zu den Soldaten. Jeder Soldat, der freiwillig zusätzlichen Wehrdienst leistet, bekommt einen Wehrdienstzuschlag. Der geht von 600 bis ungefähr 700 Euro. Die Zivildienstleistenden arbeiten für den gleichen Sold.
Spengler: Wie viel haben die denn in der Stunde?
Glenewinkel: Wenn man die Wochenarbeitszeit durch das, auf was die Zivildienstleistenden kommen, teilt, kommt man auf ungefähr 3,70 Euro.
Spengler: Das ist nicht anständig?
Glenewinkel: Das ist kein anständiger Lohn und das gibt der Mogelpackung noch einen ganz üblen Beigeschmack, weil nämlich letzten Endes die Interessen der Sozialverbände deutlich auf dem Tisch liegen. Der Mindestlohn für Pflegehilfskräfte ist gerade neu vereinbart worden: 8,50 Euro in den alten und 7,50 Euro in den neuen Bundesländern. Und jetzt vergleichen Sie das bitte mal mit 3,70 Euro. Welcher Arbeitgeber würde nicht da gerne zugreifen, wenn er diese billigen Arbeitskräfte für ein halbes Jahr praktisch vom Staat angeboten bekommt.
Spengler: Nun sind natürlich die ordentlich ausgebildeten Pflegekräfte auch ordentlich ausgebildet, im Gegensatz zu Zivildienstleistenden.
Glenewinkel: Pflegehilfskräfte sind die Pflegekräfte, die relativ schnell angelernt werden. Sie müssen bedenken: der Aufschrei der Sozialverbände ist ja nur dann verständlich, wenn man bedenkt, was geht ihnen verloren. Es gehen ihnen wirkliche Arbeitskräfte verloren. Die werden angelernt und werden dann eingesetzt in ähnlichen Bereichen wie die Pflegehilfskräfte.
Spengler: Was wäre die Alternative? Was fordern Sie?
Glenewinkel: Die Alternative wäre, wirklich den freiwilligen Dienst zu fördern. Solange wir die Wehrpflicht haben, haben wir Zivildienst, und wenn die Wehrpflicht sechs Monate beträgt, beträgt der Zivildienst sechs Monate. Das ist gut so.
Jetzt könnte man den freiwilligen Dienst fördern. Der Freiwilligendienst hat unheimlich viele Möglichkeiten: das freiwillige soziale Jahr, das freiwillige ökologische Jahr ermöglicht Leuten, wirklich selbst, also mit eigener Entscheidung, mit eigener Motivation eine Erfahrung zu machen, die für sie gut ist.
Die zweite Möglichkeit ist, dass die Arbeitgeber die Leute einstellen zu vernünftigen Arbeitsbedingungen. Es gibt Anschluss-Arbeitsverträge, das wird bisher auch schon zum Teil gemacht. Und schließlich müssen Sie bedenken: es besteht die Gefahr, dass hier ein Billiglohnsektor eingeführt wird, und das ist arbeitsmarktpolitisch, finde ich, ein bedeutsames Thema. 90.000 Arbeitsplätze, die praktisch anderen Menschen weggenommen werden, da sollte man sich sehr gut überlegen, ob man das in dieser Form weiter betreibt.
Spengler: …, sagt Werner Glenewinkel von der Zentralstelle KDV, der Interessenvertretung der Zivildienstleistenden. Danke, Herr Glenewinkel, für das Gespräch.
Glenewinkel: Gerne, Herr Spengler.