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Independent-Buchverlage
Großer Kampf um kleine Nischen

Einfach selber machen und in einem unabhängigen Verlag Bücher rausbringen - wer so literaturbegeistert ist, der findet sich häufig irgendwo zwischen Selbstverwirklichung und Selbstausbeutung wieder. In Düsseldorf trafen sie sich unabhängige Verlage auf der Messe text & talk.

Von Samuel Acker | 19.09.2016
    Bücher über russische Geschichte, erschienen in Independent-Verlagen
    Independent-Verlage müssen sich Nischen suchen - zum Beispiel russische Geschichte. (Samuel Acker)
    Bei der "text & talk" in Düsseldorf herrscht reger Betrieb. Tische werden aufgebaut, Bücher ausgepackt, Poster angeklebt. Bei der Messe präsentieren sich unabhängige Verlage. Sie nennen sich auch Independent- oder Indie-Verlage - aber was genau heißt das?
    "Unabhängiger Verlag ist ein Verlag, der nicht in einem Konzern organisiert ist, also nicht unter einem Dach ist. Und dann gibt's die zweite Definition, das ist die emotionale, wo man sagt: Das ist ein kleinerer Verlag, mit einem bestimmten Nischenprogramm, der nicht so auf der kommerziellen Welle mitschwingt", sagt Maren Jungclaus.
    Maren Jungclaus vom Literaturbüro NRW organisiert die "text & talk". Sie sagt, dank günstigem Digital-Druck und Facebook als Werbungs-Werkzeug sei es heute recht einfach, einen unabhängigen Verlag zu gründen. Wie viele solcher Indie-Verlage es in Deutschland aber tatsächlich gibt, ist schwer zu schätzen. Rund 600 Mitglieder hat die IG Unabhängige Verlage des Börsenvereins des deutschen Buchhandels. Diese Verlage gehören also nicht zu größeren Medienunternehmen wie Bertelsmann oder Holtzbrinck. Ungefähr 300 davon, so schätzt der Börsenverein, passen von der Größe des Teams und der kommerziellen Ausrichtung in das Feld "Independent". Die kleinsten dieser Verlage sind Ein-Mann- beziehungsweise -Frau-Betriebe. So wie bei Adrian Kasnitz, der den Mini-Verlag "Parasitenpresse" führt.
    "Also bevor man sich abmüht, über einen langen Zeitraum, hinterherzulaufen, bis man den richtigen Verlag gefunden hat: Da ist das ein Weg, es einfach selber zu machen. Man hat halt das Konzept völlig in der Hand", sagt Kasnitz.
    Seit 16 Jahren bringt er Poesie mit einem Hauch von Punk heraus. Für die großen Verlage lohnt sich das nicht, mit Gedichten lässt sich kaum Geld machen. Kasnitz sagt, er kommt am Ende zumindest bei Null raus - und kann mit der Parasitenpresse sowohl eigene Gedichte als auch Lyrik befreundeter Autoren rausbringen. Wie das Gedicht "Fooddesign":
    "Passt mein Essen noch zu mir? Und wie verhält sich das junge Gemüse zu meinen Sneakers?
    Beißt sich nicht all das Panierte mit meinem Aftershave
    An den Wangen?"
    Sich um alles selber kümmern
    Das Leben als Indie-Verleger sei vergleichbar damit, als Indie-Band auf Tour zu gehen: Man kann sich nicht nur auf die Bühne stellen und spielen, sondern muss sich um wirklich alles kümmern. Also die Texte bearbeiten, sich Gedanken um das Design der Bücher machen, einen Vertrieb suchen, Lese-Auftritte organisieren und so weiter. Zumindest die Suche nach neuen Autoren sei ziemlich einfach, sagt Kasnitz: Die Lyriker-Szene ist überschaubar.
    Überhaupt wird auf der Messe der Indie-Verlage klar, dass sie sich alle Nischen suchen müssen. Ein Verlag konzentriert sich auf russische Geschichte, ein anderer auf Philosophie-Bücher für Kinder. Carmen Gaumert-Alawi bringt mit ihrem palästinensischen Mann im Alawi-Verlag nur arabische Autorinnen heraus:
    "Mein Mann ist auf verschiedene Buchmessen gefahren, nach Beirut, nach Damaskus, als es noch ging, nach Abu Dhabi. Und da hat er sie dann rekrutiert. Aber das sind in ihren Ländern alles bekannte Schriftstellerinnen."
    Aktuell verhandelt ihr Mann mit einer Autorin in Jordanien. Schon an Bord bei Alawi ist Rasa Yassin Hassan, eine Syrerin, die mittlerweile nach Deutschland geflohen ist. Ihr Buch "Wächter der Luft" wurde in renommierten Feuilletons besprochen, was dem Verlag kurzfristig einige Aufmerksamkeit brachte. Insgesamt sei die Resonanz aber ernüchternd, sagt Gaumert-Alawi:
    "Weil man eben gar nicht in die großen Buchhandlungen reinkommt. Also man kann mit so einem Verlag hier in Deutschland kein Geld verdienen, es ist mehr Idealismus drin."
    Oft arbeiten die unabhängigen Verleger noch in einem weiteren Beruf
    Daher arbeitet Gaumert-Alawi noch in ihrem Beruf als Pharma-Referentin. Sie hofft, dass der Verlag bald E-Books anbieten kann und so mehr Umsatz macht. Einen ganz anderen Weg geht Jonas Plöger mit seinem Verlag "Zagava". Er verlegt Bücher der Fantastik, also gruselige Geschichten in der Tradition von Edgar Allan Poe. Eher unbekannte Autoren aus den USA und Großbritannien überlassen ihm dafür ihre Skripte. Der Clou an den Büchern ist vor allem ihre aufwendige Gestaltung.
    "Wir haben viele Experimente mit Covern gemacht, die mit Metall versehen sind", sagt Plöger. "Es gibt ein Buch, das in einer Schale präsentiert wird, die aus massiven Granitstein mit Wasserkraft geschnitten wurde: Zu verstehen als Gegengewicht zu diesen Wegwerf-Büchern elektronischer Art oder auch diesen Paperbacks."
    Diese Sammlerstücke in Auflagen von 20 bis 50 Stück verkauft Plöger dann für bis zu 300 Euro das Buch. Der Trend, so sagt Maren Jungclaus vom Literaturbüro NRW, gehe bei einigen Käufern wieder hin zum in Handarbeit gestalteten Buch - und da können sich Indie-Verlage aufgrund ihrer kleinen Auflagen Ideen leisten, die für große Verlage nie in Frage kämen. Adrian Kasnitz bringt mit der Parasitenpresse zum Beispiel Lyrik-Hefte aus alten Briefumschlägen und Aktenblättern heraus. Er sagt aber auch: Seine Arbeit ist ein Vollzeitjob, den man sich mit einem anderen Vollzeitjob erst verdienen muss. Warum tut er sich das Abenteuer Indie-Verlag dann schon so lange an?
    "Es hängt halt davon ab, was man so als Ziel hat. Ich möchte gerne machen und Sachen ermöglichen. Ich ermögliche etwas für andere, und wenn das klappt, fällt auch wieder was zurück für mich als Autor", sagt Kasnitz.
    Das sei für ihn ein Stück Selbstverwirklichung. Es ist aber auch Selbstausbeutung. Denn es bleibt dabei: Indie-Verlage machen mit ihren ausgefallenen, abseitigen Projekten kaum Geld.