Archiv

Indie-Band Breton
Komplexer Großstadt-Sound

Vor zwei Jahren machte die britische Indi-Band Breton mit ihrem Debütalbum "Other people's problems" erstmals international von sich reden. Bis dahin waren die fünf jungen Männer eher als Video-Künstler in Erscheinung getreten. In Süd-London betrieben sie ein sogenanntes Labor: die BretonLabs. Dort mussten sie jedoch raus und produzierten ihr zweites Album nun in Berlin.

Von Bettina Ritter |
    "War Room Stories" heißt das neue Album von Breton, benannt nach dem War Room - dem Bunker, in dem Winston Churchill im Zweiten Weltkrieg saß und seine nächsten Aktionen plante. Ihren eigenen Raum hatte die Band in Ost-Berlin, im alten DDR-Funkhaus. Ein Ort, der den Sound der neuen Platte stark beeinflusste, erinnert sich Band-Gründer und Sänger Roman Rappak. "Im alten DDR-Funkhaus gibt es einen Geräusche-Raum, der für Hörspiele genutzt wurde. Darin ist ein Boden mit Kies, den haben wir benutzt. Außerdem habe ich auf der Straße eine Sirene von einem Krankenwagen und Kinder aufgenommen. Dieser Gegensatz - jemand ist in Not und muss medizinisch versorgt werden und daneben glücklich rufende Kinder - das macht für mich eine Großstadt aus. Und so einen Sound - ein ständiges Zusammenprallen - wollte ich auch auf der Platte haben."
    "War Room Stories" ist trotz des martialischen Titels ein Album, das leicht zugänglich ist. Ein krasser Gegensatz zur ersten Scheibe, die aggressiv, übersteuert und laut klang - wie eine kalte, rücksichtslose Großstadt, typisch London oder Berlin eben. Roman Rappak ist mit dem neuen Ergebnis zufrieden, hat er doch seiner Angst, sich beim zweiten Album zu wiederholen, erfolgreich die Stirn geboten. "Ich finde, eine zweite Platte ist gescheitert, wenn sie die erste nur nachahmt. Wir mussten also Wege finden, um das, was uns auf der ersten Platte gelungen war, zu untergraben. Der poppige, leichte Zugang zu den Liedern ist dabei eine Methode geworden. Ein einladender Refrain oder eine Melodie, die einen sehr schnell reinzieht. Aber wenn man erst mal drin ist, merkt man, dass der Track viel komplexer ist."
    Jeder Song hat ein eigenes Video
    Die Musik ist eigentlich die zweite Karriere von Breton. Als Künstlerkollektiv BretonLabs haben der studierte Designer Rappak und seine Kollegen Videos, Sound-Designs und Remixe für Tricky, Sinéad O'Connor und Lana Del Ray gemacht. Inzwischen konzentrieren sich die fünf Männer Anfang 30 allerdings auf das eigene musikalische Werk. Besonders bei ihren Konzerten spielt die bildende Kunst eine herausragende Rolle, sagt der Gitarrist Dan McIlvanny. "Vor allem die Filme machen es zu einem Gesamtkunstwerk. Jeder Track hat sein eigenes Video, das wir auf den Konzerten im Hintergrund laufen lassen. Außerdem haben wir viel Energie in die künstlerische Gestaltung gesteckt, das CD-Cover und -Heft. Man sieht verschiedene Symbole, zum Beispiel einen Schmetterling, der mit metallic-blauem Nagellack übergossen ist. Das passt gut zu unserer vielschichtigen Musik, und man kann rum-interpretieren, was man will."
    Breton überschreiten alle Genre-Grenzen und schrecken auch vor Klassik nicht zurück. Für das neue Album engagierten sie ein 44-köpfiges Radio-Symphonieorchester, das die Streicher beisteuerte. Und auch, wenn sich auf "War Room Stories" alles zu einem mehr oder minder harmonischen Ganzen zusammenfügt, beschäftigen sich die Mitglieder der Band doch ständig mit dem theoretischen Unterbau ihrer Musik. "Die große Frage ist", so Rappak, "was ist der Sinn, im Jahr 2014 in einer Band zu sein? Es gibt schon 100 Arctic Monkeys und 100 Beatles-Bands oder Oasis-Bands. Es macht keinen Sinn, irgendetwas wiederzukäuen, was es schon gibt. Ich finde, wir müssen uns alles zu eigen machen, was es an Neuem gibt: Ob es jetzt Synthesizer sind, Laptops, Twitter, Alltagsgeräusche. Und dann zermatschen wir das alles und machen eine neue Platte daraus."