Möller: Guten Tag, Herr Lange.
Lange: Was steht den Indonesiern da ins Haus, doch wieder ein etwas autoritäreres Regime.
Möller: Es sieht danach aus. Die indonesische Bevölkerung ist nach sechs Jahren Demokratisierung etwas desillusioniert über diesen Prozess angesichts anhaltender wirtschaftlicher und sozialer Probleme und von Sicherheitsproblemen. Sie haben in den Umfragen heute zwar noch eine Mehrheit für Demokratie aber es mehren sich die Stimmen nach einem sogenannten starken Führer, wobei es hier weniger um Inhalte geht als um Ausstrahlung. Und auch, wenn man damit keinen aktiven Offizier mehr verbinden möchte, gibt es doch eine Neigung dazu, ehemaligen Offizieren hier mehr zuzutrauen als zivilen Kandidaten.
Lange: Warum spielt die Vergangenheit des Militärs, die Rolle des Militärs in der Diktatur, warum spielt die so überhaupt keine Rolle?
Möller: Zum einen ist die Diktatur insgesamt etwa besser dastehend heute, nachdem man unterstellt, dass die Probleme in der Wirtschaft, in der Gesellschaft heute vielfach auf Demokratie zurückgehen. Andererseits hat Indonesien massive Sicherheitsprobleme mit Unabhängigkeitsbewegungen etwa in Aceh aber auch mit religiöser und ethnisch motivierter Gewalt, sodass eine Mehrheit der Bevölkerung sich wünscht, dass hier wieder stärker durchgegriffen wird. Das Militär selbst hat ein gewisses Comeback in der Politik erzielt. Und die Militärreform, die zu Anfang der Demokratie eingeleitet worden war, ist unter Megawati zum Stillstand gekommen.
Lange: Wer ist denn nun dieser General Yudhoyono, wofür steht er und diese neue Partei, die er gegründet hat?
Möller: Wofür wer steht, ist eigentlich bei all diesen Kandidaten sehr schwer zu sagen, weil es zu keinem inhaltlichen Wahlkampf gekommen ist. Weil grundsätzlich alle natürlich für mehr Arbeitsplätze, gegen Korruption, mehr Sicherheit argumentieren und hier wirklich kaum Unterschiede zu sehen sind. Bei Bambang, dem ehemaligen Sicherheitsminister im Kabinett Megawati, kann man eine große Erfahrung mit Sicherheitsproblemen unterstellen. Er gehört im Vergleich zu den moderateren Generälen, etwa auch im Vergleich mit seinem Gegenkandidaten Wiranto. Ansonsten muss offen bleiben, wie sich seine tatsächliche Politik ausformen wird. Angesichts der erwähnten Schwäche der eigenen Partei im Parlament ist aber davon auszugehen, dass er eine Art zumindest ad-hoc Koalition schmieden muss, in deren Rahmen dann personelle Konzessionen gemacht werden müssen.
Lange: Wiranto, der ehemalige Armeechef, Sie haben ihn schon erwähnt, ist angeklagt wegen Kriegsverbrechen auf Ost-Timor und hat sich ausgerechnet mit dem stellvertretenden Chef der staatlichen Menschenrechtskommission zusammengetan, wie erklärt man sich das?
Möller: Nun, dieses Problem scheint im Ausland etwas überzeichnet zu werden. Wiranto hat in der Tat eine negativen Menschenrechtshintergrund aber in Indonesien spielt das in solchen Wahlkämpfen keine überragende Rolle, jedenfalls nicht außerhalb gewisser intellektueller Kreise. Ein größeres Problem besteht in seinen Beziehungen etwa in die USA, aber wir haben Signale aus Washington gehört, dass auch die USA mit einem Präsidenten Wiranto leben könnten, wohl eher als der Kongress und vielleicht eher als die Europäer. Denn die USA sehen heute die Möglichkeit einer Fragmentierung des Landes als größeres Problem und würden auch davon ausgehen, dass Wiranto hier härter gegen Separatismus vorgehen könnte.
Lange: Also unter Umständen ein Comeback der Staatspartei Golka, die 98 gestürzt worden ist.
Möller: Zum einen ja, indem Golkar sich für diesen Kandidaten entschieden hat. Zum anderen scheint diese Entscheidung in Golkar dermaßen schwer gefallen zu sein, dass auch hier eine gewisse Fragmentierung eingetreten ist, gibt es Absatzbewegungen einzelner Parteimitglieder, die in den jetzt anlaufenden diskreten Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen werden. Es könnte also sein, dass Golkar, wenn hier keine Spitzenführung Wirantos bei herauskommt, seinerseits geschwächt hervor geht.
Lange: Bei Megawati Sukarnoputri der derzeitigen Präsidentin wurde ja immer schon mal die Frage gestellt, was bringt die in die Politik mit außer ihrem Familiennamen Sukarno. Kann man sagen sie hat all diese Vorurteile leider bestätigt oder tut man ihr damit Unrecht.
Möller: Das muss man zum Teil sicher so sehen. Denn der Mythos Sukarno, mit dem Megawati damals gewonnen hat, ist dahin, angesichts der wachsenden sonstigen Probleme. Allerdings hat Megawati eins richtig gemacht, sie hat sich aus der Wirtschaftspolitik weitgehend herausgehalten, hat diese ihrem Finanzminister überlassen. Mit dem Ergebnis, dass sich Indonesien makroökonomisch stabilisiert hat. Das bedeutet allerdings nicht, dass Investoren in Scharen zurückkehren, ganz im Gegenteil und mangels Investitionen gibt es auch keine Arbeitsplätze. Und diese Probleme müssen in den nächsten Jahren entschiedener angegangen werden. Und im Moment ist nicht abzusehen, ob irgendeiner, der jetzt zur Verfügung stehenden Kandidaten, hier eine glücklichere Hand haben wird.
Lange: Also, wenn sie abgewählt wird, dann wegen der Wirtschaftspolitik.
Möller: Ja, das Hauptkriterium des Wählers heute sind so genannte Brot- und Butter-Argumente, das heißt die Frage, wie stehe ich materiell da, wie steht die Sicherheit meiner Familie da. Das ist weitaus wichtiger als alles andere was mit Korruption oder Separatismus oder dergleichen zu tun haben könnte. In dieser Hinsicht hat der einzelne Wähler von Megawati nicht viel gehabt, ganz im Gegenteil, es geht ihm vermutlich schlechter als vor einigen Jahren.
Lange: In den Informationen am Mittag war das Kay Möller von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Möller: Danke auch.
Lange: Was steht den Indonesiern da ins Haus, doch wieder ein etwas autoritäreres Regime.
Möller: Es sieht danach aus. Die indonesische Bevölkerung ist nach sechs Jahren Demokratisierung etwas desillusioniert über diesen Prozess angesichts anhaltender wirtschaftlicher und sozialer Probleme und von Sicherheitsproblemen. Sie haben in den Umfragen heute zwar noch eine Mehrheit für Demokratie aber es mehren sich die Stimmen nach einem sogenannten starken Führer, wobei es hier weniger um Inhalte geht als um Ausstrahlung. Und auch, wenn man damit keinen aktiven Offizier mehr verbinden möchte, gibt es doch eine Neigung dazu, ehemaligen Offizieren hier mehr zuzutrauen als zivilen Kandidaten.
Lange: Warum spielt die Vergangenheit des Militärs, die Rolle des Militärs in der Diktatur, warum spielt die so überhaupt keine Rolle?
Möller: Zum einen ist die Diktatur insgesamt etwa besser dastehend heute, nachdem man unterstellt, dass die Probleme in der Wirtschaft, in der Gesellschaft heute vielfach auf Demokratie zurückgehen. Andererseits hat Indonesien massive Sicherheitsprobleme mit Unabhängigkeitsbewegungen etwa in Aceh aber auch mit religiöser und ethnisch motivierter Gewalt, sodass eine Mehrheit der Bevölkerung sich wünscht, dass hier wieder stärker durchgegriffen wird. Das Militär selbst hat ein gewisses Comeback in der Politik erzielt. Und die Militärreform, die zu Anfang der Demokratie eingeleitet worden war, ist unter Megawati zum Stillstand gekommen.
Lange: Wer ist denn nun dieser General Yudhoyono, wofür steht er und diese neue Partei, die er gegründet hat?
Möller: Wofür wer steht, ist eigentlich bei all diesen Kandidaten sehr schwer zu sagen, weil es zu keinem inhaltlichen Wahlkampf gekommen ist. Weil grundsätzlich alle natürlich für mehr Arbeitsplätze, gegen Korruption, mehr Sicherheit argumentieren und hier wirklich kaum Unterschiede zu sehen sind. Bei Bambang, dem ehemaligen Sicherheitsminister im Kabinett Megawati, kann man eine große Erfahrung mit Sicherheitsproblemen unterstellen. Er gehört im Vergleich zu den moderateren Generälen, etwa auch im Vergleich mit seinem Gegenkandidaten Wiranto. Ansonsten muss offen bleiben, wie sich seine tatsächliche Politik ausformen wird. Angesichts der erwähnten Schwäche der eigenen Partei im Parlament ist aber davon auszugehen, dass er eine Art zumindest ad-hoc Koalition schmieden muss, in deren Rahmen dann personelle Konzessionen gemacht werden müssen.
Lange: Wiranto, der ehemalige Armeechef, Sie haben ihn schon erwähnt, ist angeklagt wegen Kriegsverbrechen auf Ost-Timor und hat sich ausgerechnet mit dem stellvertretenden Chef der staatlichen Menschenrechtskommission zusammengetan, wie erklärt man sich das?
Möller: Nun, dieses Problem scheint im Ausland etwas überzeichnet zu werden. Wiranto hat in der Tat eine negativen Menschenrechtshintergrund aber in Indonesien spielt das in solchen Wahlkämpfen keine überragende Rolle, jedenfalls nicht außerhalb gewisser intellektueller Kreise. Ein größeres Problem besteht in seinen Beziehungen etwa in die USA, aber wir haben Signale aus Washington gehört, dass auch die USA mit einem Präsidenten Wiranto leben könnten, wohl eher als der Kongress und vielleicht eher als die Europäer. Denn die USA sehen heute die Möglichkeit einer Fragmentierung des Landes als größeres Problem und würden auch davon ausgehen, dass Wiranto hier härter gegen Separatismus vorgehen könnte.
Lange: Also unter Umständen ein Comeback der Staatspartei Golka, die 98 gestürzt worden ist.
Möller: Zum einen ja, indem Golkar sich für diesen Kandidaten entschieden hat. Zum anderen scheint diese Entscheidung in Golkar dermaßen schwer gefallen zu sein, dass auch hier eine gewisse Fragmentierung eingetreten ist, gibt es Absatzbewegungen einzelner Parteimitglieder, die in den jetzt anlaufenden diskreten Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen werden. Es könnte also sein, dass Golkar, wenn hier keine Spitzenführung Wirantos bei herauskommt, seinerseits geschwächt hervor geht.
Lange: Bei Megawati Sukarnoputri der derzeitigen Präsidentin wurde ja immer schon mal die Frage gestellt, was bringt die in die Politik mit außer ihrem Familiennamen Sukarno. Kann man sagen sie hat all diese Vorurteile leider bestätigt oder tut man ihr damit Unrecht.
Möller: Das muss man zum Teil sicher so sehen. Denn der Mythos Sukarno, mit dem Megawati damals gewonnen hat, ist dahin, angesichts der wachsenden sonstigen Probleme. Allerdings hat Megawati eins richtig gemacht, sie hat sich aus der Wirtschaftspolitik weitgehend herausgehalten, hat diese ihrem Finanzminister überlassen. Mit dem Ergebnis, dass sich Indonesien makroökonomisch stabilisiert hat. Das bedeutet allerdings nicht, dass Investoren in Scharen zurückkehren, ganz im Gegenteil und mangels Investitionen gibt es auch keine Arbeitsplätze. Und diese Probleme müssen in den nächsten Jahren entschiedener angegangen werden. Und im Moment ist nicht abzusehen, ob irgendeiner, der jetzt zur Verfügung stehenden Kandidaten, hier eine glücklichere Hand haben wird.
Lange: Also, wenn sie abgewählt wird, dann wegen der Wirtschaftspolitik.
Möller: Ja, das Hauptkriterium des Wählers heute sind so genannte Brot- und Butter-Argumente, das heißt die Frage, wie stehe ich materiell da, wie steht die Sicherheit meiner Familie da. Das ist weitaus wichtiger als alles andere was mit Korruption oder Separatismus oder dergleichen zu tun haben könnte. In dieser Hinsicht hat der einzelne Wähler von Megawati nicht viel gehabt, ganz im Gegenteil, es geht ihm vermutlich schlechter als vor einigen Jahren.
Lange: In den Informationen am Mittag war das Kay Möller von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Möller: Danke auch.