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Industrielle Renaissance in den USA

Kaum ein Industrieland hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten so viele Arbeitsplätze an die Globalisierung verloren wie die USA. Doch es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass die industrielle Fertigung in den Vereinigten Staaten wieder ein Zukunftsmodell wird.

Von Marcus Pindur |
    Apple war das Musterbeispiel für amerikanisches Outsourcing. Produktentwurf und –design "Made in USA" – aber der Rest wird hergestellt in China. Doch das ist nicht mehr der Regelfall. Der kalifornische Kulthersteller von hochentwickelten IT-Produkten bringt einen Teil seiner Produktion zurück nach Amerika. Und nicht nur Apple: General Electric stellt wieder Haushaltsgeräte in den USA her, Ford verlagert Produktion aus Japan und Mexiko zurück. Und auch ausländische Hersteller, wie der chinesische Computerbauer Lenovo kommen in die USA.
    520.000 neue Arbeitsplätze sind in den letzten drei Jahren im Bereich der industriellen Fertigung entstanden, davon 50.000 durch die Zurückverlagerung von Produktion aus dem Ausland. Thomas Zielke ist Repräsentant des BDI und DIHK in Washington. Auch er beobachtet einen Trend in den USA, ein Wiedererwachen der industriellen Fertigung.

    "Es gibt mittlerweile wieder Bemühungen, die Industrie wieder zurückzuholen aus dem Ausland – aber auch neue Industrie aufzubauen. Es ist schwer zu sagen, wie nachhaltig und erfolgreich das ist, da das erst seit kurzem passiert. Erst seit der Krise 2008/2009 sind die Amerikaner wieder auf den Trichter gekommen, dass es vielleicht gar nicht so schlecht ist, Industrie zu haben."

    Die Politik unterstützt dies. Es gibt mehrere politische Initiativen, die auf die Ausbildung von Facharbeitern und den Ausbau der Infrastruktur zielen. Besonders bemerkbar macht sich jedoch, dass die Löhne in China deutlich gestiegen und in den USA deutlich gesunken sind. Bei steigenden Frachtkosten ergibt es für viele Firmen Sinn, sich näher an ihren Markt heranzubegeben. Zumal andere Faktoren wie Rechts- und Patentsicherheit in Ländern wie China deutlich zu wünschen übrig lassen. Global konkurrenzfähige Industriekerne gibt es in den USA nach wie vor. Thomas Zielke dazu:

    "Die Amerikaner haben durchaus noch eine wettbewerbsfähige Autoindustrie, Flugzeugindustrie, Chemieindustrie, Landwirtschaftsmaschinen, Raumfahrtindustrie und viele andere Bereiche. Und dort setzen die Amerikaner derzeit an. Auch bei der Nanotechnologie, bei der Fertigung neuer Produkte, selbst Computerfertigungen sind zum Teil zurückgekommen. Das ist ein Prozess, der jetzt klein anfängt, und niemand weiß am Ende genau, wie weit er wirklich gehen wird."

    Neue, revolutionäre Techniken wie das 3D-Drucken werden derzeit in den USA erforscht und für die Produktion und Vermarktung vorbereitet. Das Fracking wird die USA innerhalb des nächsten Jahrzehnts energieunabhängig machen und energieintensiven Branchen einen Wettbewerbsvorteil bieten. Der Wissenschaftler Jacob Kirkegaard vom Peterson Institute for International Economics hält es aber nicht für wahrscheinlich, dass massenhaft Arbeitsplätze in die USA zurückverlagert werden.

    "Wir müssen unterscheiden zwischen Reindustrialisierung als Phänomen der Produktion und als Phänomen der Beschäftigung. Die Realität ist, dass es keinen massenhaften Zuwachs an amerikanischen Arbeitsplätzen geben wird. Ich würde sogar vorhersagen, dass der Trend des Arbeitsplatzabbaus durch technologische Innovation und Produktivitätszuwachs weitergehen wird."

    Ein großes Problem sieht der Wissenschaftler beim Thema Bildung. Die USA stagnierten in dieser Hinsicht.

    "Was das heißt, ist, dass die Arbeitnehmer im Alter von 20 bis 25 Jahren im Schnitt die gleiche Qualifikation haben wie die zwischen 55 und 60 Jahren."

    Das habe es noch nie vorher gegeben. Und das sei die größte Bedrohung für die amerikanische globale Konkurrenzfähigkeit. Am Ende ergibt sich ein Bild mit Chancen und Risiken. Es gibt Chancen für eine Renaissance der industriellen Fertigung in den USA, und das auf einem technologisch hochentwickelten Niveau. Der Energieboom kommt in den nächsten Jahren konjunkturverstärkend hinzu. Doch die USA haben ein Bildungs- und Ausbildungsdefizit, das sie schnell angehen müssen. Sonst fehlen die qualifizierten Facharbeiter und Fachhochschulabsolventen für die weltweit konkurrenzfähige Produktion.