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Infektiologe zu Keim in Kölner Praxis
"Lebensbedrohliche Infektionen sind typisch für den Erreger"

In einer Praxis für Radiologie in Köln haben sich anscheinend mehrere Patienten nach demselben Eingriff am Rücken mit einem gefährlichen Bakterium angesteckt. Der Verdacht liege nahe, dass sich die Patienten durch die Injektionen infiziert hätten, sagte Infektiologe Gerd Fätkenheuer im Dlf.

Gerd Fätkenheuer im Gespräch mit Lennart Pyritz | 15.05.2019
Petrischalen mit Antibiotikatestplatten mit Pseudomonas aeruginosa (grünes schleimiges Wachstum), aufgenommen am 10.04.2017 im Universitätsklinikum Regensburg (Bayern). Wulf Schneider ist Bayerns erster Professor für Krankenhaushygiene. Am Klinikum der Universität Regensburg bildet er Ärzte und medizinisches Fachpersonal weiter, berät Kliniken in Ostbayern und erforscht multiresistente Keime.
Eine Infektion mit dem Bakterium Pseudomonas aeruginosa kann zu Lungenentzündungen oder Sepsis führen, erklärte Infektiologe Gerd Fätkenheuer im Dlf (dpa / Armin Weigel)
Lennart Pyritz: Zunächst hatte der Kölner Stadt-Anzeiger über den Fall berichtet. Inzwischen sorgt er auch überregional für mediales Aufsehen. In einer Praxis in Köln haben sich offenbar 28 Patienten innerhalb weniger Wochen mit dem krank machenden Bakterium Pseudomonas aeruginosa infiziert – anscheinend als ihnen Medikamente an die Wirbelsäule injiziert wurden.
Ein Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger gegenüber, "es handele sich um einen der größten Ausbrüche mit dem Erreger in einer ambulanten medizinischen Einrichtung überhaupt". Um den Fall einzuordnen, haben wir vor der Sendung mit Gerd Fätkenheuer telefoniert, Infektiologe an der Kölner Uniklinik. Ich habe ihn zuerst gefragt, welche gesundheitsbedrohlichen Folgen eine Infektion mit diesen Bakterien haben kann.
Gerd Fätkenheuer: Pseudomonas aeruginosa ist ein Bakterium, was überall vorkommt in der Umwelt, und wenn es dann Infektionen auslöst, häufig sehr schwere Infektionen auslöst. Es ist zum Beispiel bekannt als Erreger von Lungenentzündungen auf Intensivstationen, es kann Blutstrominfektionen machen, auch als Sepsis oft bezeichnet, also lebensbedrohliche Infektionen, das ist typisch für diesen Erreger. Es gibt auch – das spielt auch eine Rolle – zum Beispiel bei Patienten, die chronische Lungenerkrankungen haben, die können davon Infektionen, also Lungenentzündungen haben, die sind dann meistens nicht so schwerwiegend verlaufend, also ein sehr breites Spektrum. Aber der Erreger spielt insgesamt eine sehr große Rolle insgesamt in der Medizin.
"Ein Bakterium, das schwieriger zu behandeln ist"
Pyritz: Dieses Bakterium tritt ja in unterschiedlichen Formen auf, die auch unterschiedliche Resistenzen gegen Antibiotika aufweisen. Gibt es schon Informationen dazu, wie gefährlich die in Köln jetzt aufgefundene Variante ist?
Fätkenheuer: Was die Resistenzen angeht, ist nach meinem Wissen, das ist ein normal empfindlicher Pseudomonas gewesen, das heißt, er hatte keine Resistenzen, dieses Ganze dann noch schwieriger, die Behandlung noch schwieriger gemacht hätten.
Pyritz: Das heißt, der ist wahrscheinlich relativ gut behandelbar.
Fätkenheuer: Insgesamt muss man sagen bei diesem Bakterium, gut behandelbar ist da relativ. Es kommt immer besonders drauf an, was für ein Organ betroffen ist und wie schwer die Erkrankung ist. Also es ist schon ein Bakterium, was per se schwieriger zu behandeln ist als viele andere Bakterien. Wir haben da auch, wenn es ein vollempfindlicher Erreger ist, trotzdem weniger Antibiotika zur Verfügung als bei vielen anderen Bakterien, das ist sozusagen die Ausgangssituation.
Pyritz: Was zeigt denn der Blick auf frühere Ausbrüche, unter welchen Umständen kann es bei einer medizinischen Behandlung zu einer Infektion mit diesen Bakterien kommen und wie oft passiert das in Deutschland ungefähr pro Jahr?
Fätkenheuer: Also Ausbrüche sind jetzt gar nicht so häufig, sondern was häufig ist, ist, dass Patienten daran erkranken, also Einzelpersonen, Patienten zum Beispiel, die auf der Intensivstation liegen und einfach immungeschwächt sind, abwehrgeschwächt sind – das ist auch eine Bedingung, unter der sich dieses Bakterium leichter ausbreitet und leichter zu Infektionen führen kann. Das ist also sehr häufig.
Ich kann Ihnen da keine Zahlen nennen, aber das gibt es in jedem Krankenhaus. Aber es gibt auch in jedem Krankenhaus Patienten, die von draußen mit so einer Infektion kommen, zum Beispiel weil sie eine chronische Lungenerkrankung haben und diese chronische Lungenerkrankung eine Abwehrschwäche macht in der Lunge, die eben zunächst die Besiedlung, sagen wir, also wo das Bakterium da ist, aber noch keine Infektionen macht, und dann später auch wirklich eine Infektion, also eine Erkrankung hervorruft.
Von daher ist es ganz schwierig, da zu unterscheiden von Ausbrüchen. Ausbrüche meint ja, dass wir eine Quelle haben, in einem Krankenhaus beispielsweise, von der ausgehend mehrere oder viel Patienten angesteckt werden. Das ist nicht so häufig.
Vielfältige Infektionswege
Pyritz: Wie wird denn letztendlich tatsächlich das Bakterium auf den Patienten übertragen? Muss das mit einer Injektion geschehen oder kann das auch durch eine einfache Tröpfcheninfektion oder so was passieren?
Fätkenheuer: Das Bakterium ist ein Umwelterreger, der zum Beispiel im Wasser vorkommen kann, den auch viele von uns im Körper tragen, im Darm zum Beispiel, ohne dass er irgendwas macht. Und damit es eine Erkrankung gibt, muss er entweder in die Blutbahn geraten oder er muss ins Gewebe, in sonst gesundes Gewebe geraten. Das kann dann zum Beispiel durch eine Injektion, wenn es sich um kontaminierte Nadeln oder Injektionslösungen handelt, dann wäre das eine Möglichkeit. Der kann zum Beispiel über Tröpfcheninfektion auch in die Lunge geraten und dort eine Infektion machen. Also die Infektionswege sind sehr vielfältig.
Pyritz: In der Kölner Praxis haben sich ja offenbar innerhalb weniger Wochen 28 Patienten bei demselben Eingriff mit den Bakterien infiziert. Lässt so ein Geschehen schon gewisse Rückschlüsse auf Ursprung und Weg der Infektion zu?
Fätkenheuer: Es liegt schon die Vermutung sehr nahe, dass hier die medizinische Maßnahme – in dem Fall ja die Injektionen –, dass da das Problem bestand. Was genau, kann man jetzt natürlich nicht sagen, ich kann jetzt nur spekulieren. Das kann aus der Infusionslösung oder Injektionslösung kommen, das kann von den benutzten Materialien kommen, aber dieser Verdacht liegt schon sehr nahe, weil es eben so viele Patienten sind, bei denen die gleiche Maßnahme durchgeführt worden ist.
"Hygienestandards sind überall gleich"
Pyritz: Unterscheiden sich so was wie Hygienestandards oder andere Faktoren in Klinik und ambulanter Praxis, die zumindest eine Infektion mit so einem resistenten oder potenziell bedrohlichen Erreger wahrscheinlicher machen können?
Fätkenheuer: Nein, also die Standards, die Hygienestandards, unterscheiden sich nicht, die müssen überall die gleichen sein. Die Hygienestandards hängen einzig und allein von der durchgeführten Maßnahme ab. Wenn so eine Maßnahme, nehmen wir eine tiefe Injektion, durchgeführt wird, die muss unter sterilen Bedingungen durchgeführt werden, und alles, was benutzt wird, muss steril sein. Das unterscheidet sich nicht, ob Sie das in einer Klinik, in einer Praxis oder sonst irgendwo im Ambulatorium, wo auch immer machen.
Pyritz: Wie lässt sich denn so ein Ausbruch oder so ein Fall wie jetzt in Köln aufklären und eindämmen, welche Maßnahmen sind da schrittweise notwendig?
Fätkenheuer: Nun, als Erstes ist notwendig, dass man den Ausbruch als solchen erkennt – das ist ja hier erfolgt. Der zweite Schritt ist, hat man eine Vermutung zunächst mal, wodurch, also welche Maßnahme dazu führt. Auch das war hier einfach, weil es überall die gleiche Maßnahme war, also hat man die Quelle des Ausbruchs eigentlich sehr schnell erkannt.
Dann ist der nächste Schritt, dass hier ein Stoppschild gemacht wird, gesagt wird, hier muss erst mal, bevor diese Maßnahmen weiter durchgeführt werden, diese medizinischen Eingriffe weiter durchgeführt werden, muss erst mal geschaut werden, wie das zustande gekommen sein kann, bevor hier mit diesem Eingriff weitergemacht werden kann. Und das ist ja durch das Gesundheitsamt erfolgt. Also in dieser Praxis werden meines Wissens nach ja im Moment diese Eingriffe nicht durchgeführt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.