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Resistente Bakterien
Teufelskreis in der Lunge

Wenn Bakterien gegen Antibiotika resistent werden, sind die Folgen für Patienten gravierend. So ein Bakterium ist Pseudomonas aeruginosa. Es kann chronische Lungeninfektionen auslösen und die Bronchien dauerhaft schädigen. Jetzt arbeiten Forscher an neuen Wegen, diesen Keim zu bekämpfen.

Von Joachim Budde | 30.11.2017
    Petrischalen mit Antibiotikatestplatten mit Pseudomonas aeruginosa (grünes schleimiges Wachstum), aufgenommen am 10.04.2017 im Universitätsklinikum Regensburg (Bayern). Wulf Schneider ist Bayerns erster Professor für Krankenhaushygiene. Am Klinikum der Universität Regensburg bildet er Ärzte und medizinisches Fachpersonal weiter, berät Kliniken in Ostbayern und erforscht multiresistente Keime.
    Grünes, schleimiges Wachstum: Pseudomonas aeruginosa ist hartnäckig und lässt sich mit bestehenden Wirkstoffen nur bedingt bekämpfen (dpa / Armin Weigel)
    Auch Bakterien müssen mit ihren Kräften haushalten. Wenn Keime wie Pseudomonas aeruginosa zum Beispiel die menschliche Lunge infizieren, warten sie so lange, bis sie sich ausreichend vermehrt haben, ehe sie losschlagen. Bei Patienten mit schwacher Immunabwehr kann Pseudomonas aeruginosa chronische Lungeninfektionen auslösen, die die Bronchien dauerhaft schädigen können. Dahinter steckt paradoxerweise, dass der Keim und die Immunantwort sich gegenseitig aufschaukeln, sagt Dr. Martin Empting vom Helmholtz-Zentrum für Pharmazeutische Forschung Saarland in Saarbrücken.
    "Erst gibt es eine Infektion durch die Bakterien, durch Pseudomonas, dann greift das Immunsystem dort ein; das geht einher mit Entzündungen, aber auch Gewebeschädigungen. Das wiederum begünstigt dummerweise dann die Infektion wieder, sodass sich ein Teufelskreis ausbildet, der das Organ immer mehr schädigt. Wenn dort nicht eingegriffen wird, dann kann es natürlich im schlimmsten Falle zu einem frühen Tod kommen."
    Bakterien mit neuem Wirkstoff schwächen
    Bislang lassen Ärzte infizierte Patienten das Antibiotikum Ciprofloxacin inhalieren. Doch nicht einmal damit werden die Betroffenen den Keim ganz los, sagt Thomas Hesterkamp vom Helmholtzzentrum für Infektionsforschung in Braunschweig.
    "Man kann die Keimlast in der Lunge reduzieren, aber wenn man den Wirkstoff absetzt, wächst der Pseudomonas immer wieder zu seinen Ursprungsleveln an."
    Das Fatale daran: Die Patienten müssen die Behandlung immer wieder unterbrechen, weil das Medikament zu starke Nebenwirkungen hat. Thomas Hesterkamp und Martin Empting wollen diese Zwangspausen künftig nutzen, um die Bakterien mit einem neuen Wirkstoff zu schwächen. Und zwar so, dass ihnen das Immunsystem oder spätestens die nächste Antibiotika-Therapie den Garaus machen können. Man habe den neuen Wirkstoff bereits an Tieren getestet, sagt Martin Empting: Mäuse mit einer chronischen Pseudomonas-Infektion bekamen eine kleine Dosis Antibiotikum in Kombination mit dem neuen Präparat.
    "Es war dann eben so, dass es bei der Dosis, bei der das Antibiotikum eingesetzt worden war, kein Effekt zu sehen war, aber dann im Zusammenspiel mit unserer Verbindung ist ein signifikanter Effekt zu sehen gewesen."
    Ein Molekül lässt die Keime warten
    Das heißt, die Wirkstoffkombination verringerte die Zahl der Keime in den Mäusen deutlich. Bei der Entwicklung ihres Pseudomonas-Mittels haben die Wissenschaftler einen neuen Weg eingeschlagen: Sie haben auf der Oberfläche des Bakteriums ein Rezeptormolekül gefunden, das für die Verständigung unter den Bakterien wichtig ist. Am Rechner haben sie ein Molekül entwickelt, das genau in diesen Rezeptor hineinpasst und ihn so blockiert. Den Bakterien wird dadurch vorgegaukelt, dass sie noch warten müssen mit der Produktion ihrer krankmachenden Virulenzfaktoren.
    "Und tatsächlich ist es so: Wenn man dieses Molekül adressiert, dort Wirkstoffe dagegen entwickelt, dass dann nicht nur ein Virulenzfaktor, sondern gleich eine ganze Batterie auf einmal heruntergefahren wird."
    Derzeit arbeiten die Wissenschaftler daran, den neuen Wirkstoff gegen Pseudomonas aeruginosa weiter zu optimieren.
    "Der ist natürlich noch verbesserungswürdig, das ist auch genau das, wo unsere Arbeit ansetzt, dass wir die Verbindung besser machen, die Wirkung verstärken und gleichzeitig auch die Nebenwirkungen oder mögliche Nebenwirkungen verringern können, das heißt, da ist noch ein gewisser Optimierungsbedarf vorhanden, aber das ist so die erste Perspektive, die sich da aufgetan hat, die wir als sehr vielversprechend empfunden haben."