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Infineon-Vorstandschef geht

Vorstandschef Peter Bauer galt als Retter des Halbleiterkonzerns Infineon. Überraschend hat das Unternehmen nun dessen Ausscheiden für Ende September 2012 bekannt gegeben – aus gesundheitlichen Gründen. Auf die Ankündigung reagierten Investoren mit Sorgenfalten.

Von Michael Watzke | 14.05.2012
    Wäre Peter Bauer vor zwei Jahren zurückgetreten – man hätte ihm die "gesundheitlichen Gründe" wahrscheinlich nicht geglaubt. Damals tobte ein Machtkampf in der Chefetage von Infineon. Es ging vordergründig um die Besetzung des Aufsichtsrats, tatsächlich aber um Infineons strategische Ausrichtung, sogar um das Überleben des Münchner Halbleiter-Konzerns. Infineon galt in der Branche als "Intrigantenstadel", der Vorstände am laufenden Band verschliss: Ulrich Schumacher, Wolfgang Ziebart und viele mehr.

    Doch Infineon-Chef Peter Bauer setzte sich in allen personellen Querelen durch. Mit teils drastischen Maßnahmen baute er den einstmals defizitären Chip-Hersteller zu einem profitablen Konzern um. Indem er Infineon auf Chips für die boomenden Branchen Automobil, Industrie und Sicherheitstechnik spezialisierte, Branchen, die nicht so schwankungsanfällig sind wie das normale Chipgeschäft.

    Bauers Machtbasis im Konzern war gesichert – er galt als Infineons Retter. Der erste Chef in der Geschichte der Firma, dem man zutraute, als Vorstandsvorsitzender in Pension zu gehen. Irgendwann. Nur noch nicht jetzt. Bauer ist erst 52 Jahre alt.

    Dass der passionierte Bergsportler Bauer mit Rückenproblemen kämpfte, dass seine Wirbelsäule auf langen Flügen schmerzte, war kein Geheimnis. Wie schwer Bauers Osteoporose tatsächlich war, wussten allerdings nur wenige. Etwa sein Vorstandskollege Reinhard Ploss, der jetzt sein Nachfolger wird. Der 57jährige Ploss ist schon seit einem Vierteljahrhundert bei Infineon. Er leitete die Produktion – ein harter Job in der extrem volatilen Chip-Branche, die ständig von Überkapazitäten bedroht ist. Ploss und Bauer galten stets als eng zusammenarbeitende Kollegen, die sich über die strategische Ausrichtung Infineons einig waren. Ploss baute vor allem die Fertigung in Asien aus. Dort erzielt Infineon mittlerweile den Großteil seiner Erlöse. Deshalb gilt der fränkische Ingenieur manchem Analysten auch nur als Übergangskandidat für einen asiatischen Kronprinzen: den erst 42 Jahre alten Arunjai Mittal. Der Inder ist bei Infineon seit einem Jahr für den Vertrieb zuständig. Mittal ist nicht mit der gleichnamigen indischen Stahl-Dynastie verwandt, aber er gilt als großes Talent in der Sparte "Leistungs-Halbleiter", auf die Infineon große Hoffnungen setzt. Leistungs-Halbleiter werden vor allem bei der Energiewende benötigt.

    Ab Anfang Oktober sitzt aber erst einmal Reinhard Ploss auf dem Chefsessel von Infineon. Die Börse reagierte nervös. Infineon-Aktien lagen bis zu drei Prozent im Minus. Denn die Nachricht vom Rücktritt Bauers kam überraschend, viele Anleger waren geradezu verblüfft. Peter Bauer stand für Konstanz und Kontinuität bei Infineon – zwei Eigenschaften, die für den Münchner Konzern nicht selbstverständlich sind. Der neue Chef muss erst noch beweisen, dass Infineon unter seiner Leitung nicht wieder zu dem wird, als was es einst galt: das Münchner Intrigantenstadel.