Nicht alle Kindheiten in Schweden verlaufen so glücklich und frei wie in Bullerbü. Ingmar Bergman, geboren am 14. Juli 1918 in Uppsala, wuchs in einem strengen Pfarrhaus auf. In einer Welt, in der Macht und Gehorsam mehr zählten als Zuwendung und Gefühl.
"Ich glaube, man kann es sich nicht ganz vorstellen, wie es war, ganz autoritär, weißt du. Hier oben war der Gott, der liebe Gott, aber von der Liebe sah man überhaupt nichts. Da war der König und da war der Vater, und dann war nichts, nichts, nichts."
Ingmar entwickelte zwei Überlebensstrategien in dieser engen Welt. Er wurde ein genauer Beobachter. In seinen Filmen tauchen sie alle wieder auf: Der Vater, der an seinen eigenen Ambitionen scheitert. Die versteinerte, kalte Mutter. Geschwister zwischen Sehnsucht nach Liebe und Freiheitsdrang. Das schwarze Schaf der Familie. Ein Verrückter. Oder ein Künstler, wie man es nimmt. Jedenfalls einer, der die Liebe zur Musik vermittelt, die in Bergmans Filmen stets eine Schlüsselrolle spielen wird.
Flucht in die Kunst
Die zweite Überlebenstaktik: Er war, wie er später freimütig bekannte, ein großer Lügner. Einer, der mit Unschuldsmiene die tollsten Geschichten erfand. Und einer, der vor dem tristen Familienalltag in die Fantasien flüchtete. Und dann, als Theater- und Filmregisseur, in die Kunst.
Bergmans frühe Arbeiten sind von den Bühnen-Autoren Ibsen und Strindberg so geprägt wie vom italienischen Neorealismus. Aber da war schon immer etwas ganz und gar Besonderes. Die Düsternis, die über allem liegt wie ein gnädiger Mantel. Bei Bergman findet alles Schreckliche, in der Wirklichkeit wie im Traum, bei gleißendem Licht statt. Das Spiel mit Erinnerung, Traum und Spiegelung wie in seinem Welterfolg "Wilde Erdbeeren" von 1957. Und diese sehr spezielle Dramaturgie, die immer wieder zeigt, wie Menschen einander verfehlen. In ihren Gesten, in ihren Blicken.
"Das ist ja das Fantastische am Film. du kriegst ja das menschliche Gesicht. du kannst es ganz aus der Nähe studieren. Das ist fantastisch. Und kein anderes künstlerisches Ausdrucksmittel hat diese fantastische Möglichkeit."
Über 50 Filme lang hat Ingmar Bergman das studiert. Das menschliche Gesicht. Hinter den Masken, in den Spiegeln. In Phasen der Hoffnung und in solchen der Verzweiflung. Von der naturalistischen zur symbolistischen Phase und von dieser zu einer künstlerischen Freiheit, die kaum ein anderer Filmemacher erreichte. Nicht jeder Film ein Meisterwerk, aber jeder Film unverkennbar Ingmar Bergman. Grandioses, Skandalöses und manchmal schwer Erträgliches kam dabei heraus. Die Kamera wird Zeuge von Zusammenbruch, Auflösung und Streit. Von "Das Schweigen" über "Szenen einer Ehe" bis zum Endspiel von "Schreie und Flüstern" führen Ingmar Bergman-Filme Entblößungen vor. Körperliche, aber vor allem seelische. Der Filmemacher schont dabei weder sich noch seine Schauspieler und vor allem Schauspielerinnen, noch uns Zuschauer. Aber er zwingt uns zu nichts.
"Glaubst du, dass ich noch hier bin, wenn du zurückkommst?" - "Das interessiert mich einen Dreck." - "Verstehe." - "Weißt du, wie lange mich das schon beschäftigt? Ahnst du das? Ich meine damit nicht die Sache mit Paula. Sondern dich und die Kinder und das Zuhause zu verlassen. Ahnst du das?" - "Sag es nicht!" - "Ich will schon seit vier Jahren weg von dir!" - "Hör bitte auf!"
"Ich mache Vorschläge. Siehst du, hier ist was, hier ist ein Gefühl, hier ist eine Spannung, hier ist eine Wut oder eine Liebe – nimm‘ es und mach damit, was du willst."
Grandioses Traum- und Versöhnungswerk am Ende seiner Arbeit
Und dann, beinahe am Ende seiner Karriere, folgt auf die vielen psychologischen Endspiele noch ein grandioses Traum- und Versöhnungswerk, "Fanny und Alexander", eine Reise zurück in die Kindheit. Von Farbe, Licht und Musik durchdrungen, ohne die Angst und den Zorn, denen wir in Ingmar Bergmans Filmen immer begegnet sind.
Noch ein paar kleinere, intime Arbeiten für das Fernsehen entstehen. Dann, nach Ende der Dreharbeiten zu "Sarabande", verabschiedet er sich mit einem Lächeln von seinen Mitarbeitern und reist auf seine Insel Fårö, die ihm Zeit Lebens Rückzugsort und Heimat gewesen ist. Bleibt dort allein, hört Musik, sperrt die Sonne aus - und stirbt im Alter von 89 Jahren.