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Initiative "Restlos Glücklich"
Kinder vermeiden Lebensmittelabfälle

Der gemeinnützige Verein "Restlos glücklich" in Berlin hat der Lebensmittelverschwendung den Kampf angesagt. Denn in Deutschland landen jedes Jahr elf Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Damit sich das ändert, muss sich das Bewusstsein ändern, sagen die Mitarbeiter - und fangen bei den ganz Kleinen an.

Von Anja Nehls |
    Kinder Kochen in der Schulküche der Adam-Friedrich-Oeser-Schule in Leipzig
    Kinder versuchen sich in der Küche (picture alliance / ZB / Jan Woitas)
    "Schmeckt einfach zu lecker."
    "Darf ich ein bisschen Brot?"
    "Oh lecker."
    "Ja die Pilze schmecken so lecker mit dem Salat."
    "Hm lecker, Pilze, ich esse einen Pilz."
    Die zehnjährige Vivien und die siebenjährige Sariya laden sich ihre Teller nochmal voll. Auf einem Tisch im Lehrerzimmer der Karlsgarten Grundschule in Berlin-Neukölln duften angebratene Pilze mit Knoblauch, Salat aus Spinat, Radieschen und Möhren dekoriert mit Brotcroutons und ein kross überbackener Broccoli-Kartoffelauflauf.
    Ist die Banane schlecht, nur weil sie braun ist
    Sieben Kinder der Schule haben heute selbst gekocht - mit Lebensmitteln, die eigentlich in der Abfalltonne gelandet wären, wenn die Initiative "Restlos Glücklich" sie heute morgen nicht für einen kleinen Workshop mit in die Schule gebracht hätte:
    "Was geht Euch durch den Kopf, wenn ihr 'Restlos Glücklich' hört, was habt ihr für Ideen?"
    "So, dass ihr von Resten was daraus macht."
    "Genau, wir machen aus Resten was, richtig. Und zwar nicht nur aus irgendwelchen Resten, sondern wir gehen in den Supermarkt und holen die Lebensmittel ab, die aussortiert werden, weil sie nicht mehr schön aussehen oder weil sie nicht mehr so lange haltbar sind, die holen wir ab und daraus kochen wir ganz leckere Gerichte."
    Und zwar mit Lebensmitteln aus einem Biomarkt, zusammen mit den Kindern, erklärt Nina Schröder von "Restlos Glücklich".
    Aber wann kann man z.B. Bananen noch essen und wann gehören sie wirklich in die Tonne?
    "Manchmal weil es auch verschimmelt ist."
    "Ja, wenn es verschimmelt ist."
    "Und wenn sie vergammelt sind.
    "Sind die denn schon vergammelt, wenn die eine braune Stelle haben? Heißt dass dann, dass es vergammelt ist, dass es schlecht ist? Nein, eigentlich oder? Was kann man denn machen mit der braunen Stelle?"
    "Ähm, man kann die rausschneiden einfach."
    "Man kann diese Stelle auch essen."
    "Und je brauner eine Banane manchmal ist, einfach durch den Druck wird die ja manchmal von außen schnell braun und nicht von innen und dann werden die eigentlich immer süßer und immer leckerer."
    Mango aus Brasilien und dann direkt in die Mülltonne?
    Jetzt übernimmt Köchin Maria Wagner das Kommando. Auf der Arbeitsplatte der kleinen Küchenzeile im Lehrerzimmer der Schule stehen mehrere Körbe und Tüten mit Obst und Gemüse. Die Möhren sind schon etwas schrumpelig:
    "Die sehen jetzt schon ein bisschen dunkler aus, nicht mehr so 1a sozusagen, sind trotzdem noch super knackige Möhren. Was ist denn das hier?"
    "Mango?, Ja genau das ist eine Mango aus Brasilien, die fliegen zum Beispiel von Brasilien bis hierher, kommen in den Laden, werden aussortiert und sollen wieder weggeworfen werden? Ganz schön tragisch nicht?"
    Mitgründerin Leoni Beckmann bringt auf einem Lastenfahrrad überschüssige Lebensmittel ins Lebensmittelretter-Restaurant "Restlos glücklich" am 11.07.2016 in Berlin. Der Berliner Verein "Restlos glücklich e.V." hat Deutschlands erstes Not-for-Profit-Lokal eröffnet, in dem mit überschüssigen Lebensmitteln Menüs und Gerichte serviert werden. Foto: Jörg Carstensen/dpa |
    Mitgründerin Leoni Beckmann bringt auf einem Lastenfahrrad überschüssige Lebensmittel ins Lebensmittelretter-Restaurant "Restlos glücklich" (picture alliance / dpa / Jörg Carstensen)
    Heute jedenfalls wird nichts weggeschmissen, höchstens weggeschnitten. Hochkonzentriert schnippeln Marco und Christopher Kartoffeln:
    "Gibt es noch ein blaues Messer?"
    "Dann kannst Du mit uns hier, die schneiden."
    "Aber ich habe kein Messer!"
    "Hier sind genug oder?"

    Für jeden findet sich ein Messer. Einige halten zum ersten Mal eines in der Hand. Auch wenn es dadurch etwas länger dauert, am Ende ist das Gemüse fertig für die Auflaufform: "So, der Auflauf ist gestapelt. Broccoli, ein paar Kartoffeln, Sahnesauce, Käse. Den Käse haben wir zugekauft, alles andere ist ja gerettet."
    Kinder essen freiwillig Gemüse und nehmen nach
    Und während der Auflauf im Ofen brutzelt, rettet der zehnjährige Boris das Obst. Aus Beinahe-Abfall soll ein Smoothie werden. Boris schwingt schon den Pürierstab: "Da ist Mango, Honigmelone und Minze. Ich mixe das jetzt."
    Jetzt muss nur noch der Tisch gedeckt werden. Antonia und Azra tragen Salatschüsseln, Vivien Teller und Besteck und Köchin Maria holt den heißen Auflauf aus dem Ofen - und dann kann's losgehen:
    "Ihr habt auf jeden Fall alle super mitgeholfen."
    Der Broccoli Kartoffel-Auflauf ist blitzschnell alle, beim Salat dauert es nicht viel länger. Sogar Marco, der sonst nicht so gerne Gemüse isst, nimmt noch einen Nachschlag.
    Genau das wollte Nina Schröder von "Restlos Glücklich" mit dem kleinen Workshop erreichen: "Wir haben in dem Moment gewonnen, wo die Kinder sagen, boah, schmeckt das lecker und ihnen dann quasi nochmal bewusst wird, dass das alles Sachen sind, die eigentlich in den Müll gewandert wären."
    Scheint geklappt zu haben. Vivien hat so volle Backen, dass sie kaum sprechen kann:
    "Die aussortierten Sachen, die schmecken auch richtig gut."
    "Und das ist total schön, dass man aus diesen Sachen, die weggeworfen werden oder so noch daraus Essen machen kann."
    "Ja und guck mal sogar für so viel Leute…"