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Insektenforschung
Der Duft der Schaben

Kakerlaken sind in den Küchen und Vorratskammern in aller Welt zu Hause. Zielsicher finden sie die perfekten Orte, um tagsüber den Menschen aus dem Weg zu gehen und nachts ungestört fressen zu können, gerne auch gemeinsam. Damit das mit der Geselligkeit auch klappt, kommunizieren Kakerlaken über einen „Code im Kot“

Von Arndt Reuning | 08.12.2015
    Eine Deutsche Küchenschabe auf einer Schiene in Großaufnahme
    Duft- und Überlebenskünstler: Deutsche Küchenschabe (imago)
    Eine Kakerlake kommt selten allein. Kakerlaken lieben Gesellschaft, wie Coby Schal zu bestätigen weiß:
    "They absolutely do. They love company of their own species – not so much us."
    Sie sind gerne in Gesellschaft ihrer eigenen Artgenossen, nicht in der von uns Menschen, erklärt der Insektenforscher von der North Carolina State University in Raleigh. Weil aber die Deutsche Schabe fast ausschließlich in menschlichen Behausungen anzutreffen ist, verlässt sie vor allem nachts ihren Unterschlupf – und geht den Menschen somit aus dem Weg. Diese Lebensweise stellt besondere Herausforderungen daran, wie sie sich orientiert und den Weg zu ihren Mit-Kakerlaken findet.
    "Bei Nacht besteht die effektivste Methode darin, mithilfe von Chemikalien zu kommunizieren. Denn die Sicht ist doch ein wenig eingeschränkt in einem dunklen Küchenschrank. Daher verfügen Schaben über einen ausgeprägten Geruchssinn. Sie können ihre Artgenossen förmlich erschnuppern – anhand des Fäkaliengeruchs. Sie kommunizieren über Chemikalien im Kot. Denn den sondern sie an jenen Orten ab, wo sie tagsüber schlafen."
    Bakterien als Helfershelfer
    Aggregations-Pheromone heißen diese Duft- und Lockstoffe, die Schaben unabhängig von ihrem Geschlecht zueinander bringen. An Veröffentlichungen zur chemischen Natur der Substanzen mangelt es nicht gerade. Im Gegenteil – doch die Studien scheinen einander zu widersprechen, da die potenziellen Pheromone sich oft von Schabenkolonie zu Schabenkolonie unterscheiden. Und das brachte Coby Schal auf die Idee, dass nicht die Insekten selbst die Lockstoffe produzieren, sondern Bakterien in ihrem Verdauungstrakt.
    "Um das zu überprüfen, haben wir die Insekten unter sterilen Bedingungen aufgezogen. Wir haben Eier von Schaben keimfrei gemacht und daraus dann die Tiere heranwachsen lassen. In ihrem Kot haben wir nur sehr wenige Substanzen entdeckt, die als Lockstoff in Frage kämen. Wir haben diese Chemikalien extrahiert und getestet, wie andere Schaben darauf reagieren. Die fühlten sich nicht gerade angezogen von diesen Extrakten."
    40 verschiedene Duft-Botschaften
    Impfte der Entomologe jedoch die steril aufgewachsenen Insekten mit den Darmbakterien, die normalerweise bei ihnen vorkommen, verwandelten sich die Mauerblümchen in attraktive Koloniemitglieder. Bei den Duftstoffen handelt es sich um leicht flüchtige Carbonsäuren, also organische Säuren. Vierzig verschiedene davon produzieren die Bakterien im Darm der Schaben üblicherweise. Coby Schal vermutet, dass schon wenige Substanzen aus dieser Stoffklasse genügen, um die Schaben anzulocken. Welche das genau sind, könnte von Kolonie zu Kolonie unterschiedlich sein. Auch wenn der Forscher aus North Carolina betont, dass es sich bei seinen Untersuchungen um Grundlagenforschung handelt: Anwendungen in der Schädlingsbekämpfung kann er sich trotzdem gut vorstellen.
    "Alle Stoffe, die Schaben dazu bringen, sich an einem Ort anzusammeln, kommen dafür in Betracht. Denn gerade darum geht es ja: Dass sich die Insekten dort versammeln, wo wir sie dann eliminieren können. Wenn wir also Fallen mit diesen Carbonsäuren präparieren könnten, wäre das bestimmt nützlich.