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Insektensterben
Modifizierte Darmbakterien stärken Abwehrkräfte der Bienen

Eine der Hauptursachen für das Sterben von Bienenvölkern ist die Varroa-Milbe. Der Parasit schwächt die nützlichen Insekten und macht sie anfällig für Virusinfektionen. US-Forschern ist es jetzt gelungen, die Abwehrkräfte der Bienen zu stärken - mit gentechnisch veränderten Darmbakterien.

Von Joachim Budde | 31.01.2020
Eine Biene im Anflug auf eine geöffnete Finger-Küchenschelle
Als Bestäuber von Blüten leisten Bienen einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Ökosysteme (picture alliance / Winfried Rothermel)
RNA-Interferenz (RNAi) – damit lassen sich Gene stummschalten, sagt Sean Leonard, Mirkobiologe an der University of Texas in Austin. Auch bei Bienen: "Schon andere haben RNAi genutzt, um damit einzelne Gene auszuschalten und damit ihre Funktion zu verstehen. Und um Viren wie das Krüppelflügelvirus oder Milben zu bekämpfen."
Dieses Duo – Milbe und Virus – schwächen jedes Jahr zahlreiche Bienenvölker, sodass sie den Winter nicht überstehen. Doch wie kann man Milbe und Virus in den Griff bekommen? Die Suche nach Strategien läuft auf Hochtouren.
Gezielter Angriff auf Varroa-Milben und Krüppelflügelviren
Herkömmliche chemische Gifte töten immer auch Lebewesen, die sie eigentlich verschonen sollen. Anders die RNAi-Methode. Wählen die Forscher die richtigen Gensequenzen, können sie mit RNAi-Molekülen ganz spezifisch einzelne Parasiten bekämpfen. Im Körper von Bienen existiert RNA ausschließlich einsträngig. Viren dagegen speichern ihren Bauplan in doppelsträngiger RNA. Findet das Immunsystem solche doppelsträngige RNA, greift es an. Schon lange kennen Wissenschaftler die Gensequenzen, die sie im Krüppelflügelvirus und in der Varroa-Milbe attackieren könnten, erklärt Sean Leonard:
"Gegen die Milben greifen wir auf eine Liste von 14 Genen zurück, die schon früher verwendet wurden und ganz grundlegende Funktionen in ihnen steuern. Die Milben sind wirklich darauf angewiesen, um zu leben. "
Doch bislang hakt die Methode an zwei entscheidende Stellen, so der Wissenschaftler: "Eines der großen Hindernisse ist: Doppelsträngige RNA ist sehr teuer in der Herstellung, das verhindert bislang die Behandlung ganzer Bienenvölker. Und das andere: Sie zerfällt in der Umwelt ziemlich schnell."
Ein Darmbakterium stellt die Wirkstoffe her
Diese beiden Probleme haben Sean Leonard und seine Kollegen in Austin gelöst, indem sie das Darmbakterium der Honigbiene Snodgrasella alvi gentechnisch dazu gebracht haben, die für die RNA-Interferenz benötigten RNA-Moleküle gegen Virus und Milbe herzustellen und in den Darm der Biene abzugeben. Das Immunsystem der Honigbiene wird also immer wieder daran erinnert, was sie im Krüppelflügelvirus attackieren muss. Auch die RNA der Varroa-Milbe zirkuliert nun ständig im Bienenblut und sammelt sich im Fettkörper des Tiers an – ausgerechnet darauf hat es die Milbe besonders abgesehen, wenn sie eine Biene anpiekst. Saugt sie an einer von Sean Leonards Bienen, nimmt sie die RNAi auf.
"Dadurch benutzen wir das RNAi-System der Milbe selbst und ihr Immunsystem dazu, die eigenen lebenswichtigen Gene anzugreifen und zu zerstören." Die Varroa-Milbe begeht also letztlich Selbstmord.
Die Methode könnte Millionen Bienenvölkern das Leben retten
Prof. Robert Paxton, Bienenforscher an der Universität Halle an der Saale, ist begeistert von der Arbeit seiner amerikanischen Kollegen. Sie bringe einerseits die Grundlagenforschung voran, sagt er, biete aber auch Perspektiven, Varroa-Milben und Krüppelflügelvirus zu bekämpfen: "Und das wird Millionen von Völkern pro Jahr den Tod sparen."
Robert Paxton sieht aber auch noch eine Menge offener Fragen. Eine lautet: Geben die Bakterien die künstlichen Gene an andere Mirkoorganismen weiter? "Es könnte sein, dass sie auf andere Bakterien überspringen. Das könnte zu einer Vernichtung von anderen Milben führen. Und einige Milben werden verwendet in Gewächshäusern, um andere Schädlinge zu bekämpfen - nicht alle Milben sind schädlich."
Ein weiteres Problem: Die Viren und die Milben dürften Resistenzen gegen die neue Methode entwickeln. Und noch etwas muss sich erst noch erweisen, räumt Sean Leonard ein: "Wir wissen noch nicht, wie sich die veränderten Bakterien im Bienenstock im Freiland verhalten, weil wir in diesem Maßstab noch keine Versuche gemacht haben. Wir wissen, dass die Arbeiterinnen diese Darmbakterien normalerweise an die Brut weitergegeben. Darum erwarten wir, dass es funktioniert."
Aber erst, wenn all diese Fragen geklärt sind, bekommen Imker – vielleicht – ein neues und vielversprechendes Mittel gegen eine große Bedrohung ihrer Honigbienenvölker.