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Insolvenz der Kirch Media GmbH

Remme: Nach dem Insolvenzantrag schlägt jetzt die Stunde der Insolvenzverwalter. Am Telefon ist Wilhelm Uhlenbruck, ehemaliger Insolvenzrichter und langjähriger Vorsitzender des Kölner Arbeitskreises für Insolvenzwesen. Er war auch der zuständige Richter, als es seinerzeit um Herrstadt ging. Guten Tag, Herr Uhlenbruck.

    Uhlenbruck: Guten Tag, Herr Remme.

    Remme: Herr Uhlenbruck, was sind die unmittelbaren Auswirkungen eines solchen Antrags?

    Uhlenbruck: Zunächst einmal tritt mit dem Antrag erst einmal Ruhe ein, das heißt, es wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, wahrscheinlich wird das Amtsgericht München auch ein Vollstreckungsverbot, ein Verfügungsverbot erlassen, damit Vollstreckungen der Gläubiger ausbleiben und auch - das darf man wohl sagen - verhindert wird, dass Ausgliederungen, die vom Gesetz nicht gebilligt werden, stattfinden.

    Remme: Da haben Sie mir das Stichwort gegeben: Wir haben eben schon über diese wertvollen WM-Rechte, die von Kirch Media noch schnell auf eine Schweizer Gesellschaft übertragen wurden, die ebenfalls zum Konzern gehören, gesprochen. Ist das rechtens?

    Uhlenbruck: Das kann ich noch nicht entgültig beurteilen. Von objektiver Warte aus muss man sagen: Wenn hier sozusagen Perlen ins Ausland verschoben werden, dann kann man nur sagen, diese werthaltigen Gegenstände gehören in das Vermögen, in die Insolvenzmasse, wie man sie nennt und müssen von einem Insolvenzverwalter zurückgeholt werden. Aber das scheint mir im Augenblick nicht so plausibel zu sein, denn der Berater ist ein erfahrener Insolvenzverwalter, Herr van Betteray aus Düsseldorf, der schon weiß, was zulässig, was eventuell durch einen Insolvenzverwalter anfechtbar ist, und ich kann mir durchaus vorstellen, dass zum Beispiel hier auch gesichert ist, dass gewisse Gegenleistungen an die Gläubiger in die Masse erfolgen, und es hängt jetzt ganz davon ab: Wie sieht die Konstruktion aus? Wie wird dieser Konzern abgewickelt? Was wird auf Auffanggesellschaften übertragen und was - und das ist entscheidend für die Gläubiger - sind die Auffanggesellschaften bereit, als Gegenleistung in die Insolvenzmasse zu zahlen?

    Remme: Nun hoffen offenbar einige Banken - Sie haben das am Anfang angesprochen, als Sie von der Berufung des Insolvenzverwalters sprachen -, dass dies überhaupt nicht geschieht, sondern dass eine eigenverwaltete Insolvenz vorgeschlagen wird. Was für Auswirkungen hätte das?

    Uhlenbruck: Die Eigenverwaltung ist im Grunde genommen nichts Neues, aber die Insolvenzordnung hat sie ausdrücklich geregelt in den Paragraphen 270 ff. der Insolvenzordnung: Die Gerichte stehen - das muss man ganz offen sagen - der Eigenverwaltung sehr zurückhaltend gegenüber. Es bedarf schon - und man hat bei Philipp Holzmann das Beispiel ja gesehen: Da hat man einen Kölner Rechtsanwalt Dr. Görk in den Vorstand eingewechselt, um das Vertrauen des Gerichts zur Eigenverwaltung hier zu gewährleisten und zu erhalten. Es ist sicherlich richtig, dass die Eigenverwaltung, das heißt unter der bisherigen Führung, möglicherweise die optimale Verwertungsart ist. Auf der anderen Seite aber muss man sehen: Der Vorstand oder die Geschäftsführung, die die Sache an die Wand gefahren hat, ist meist ungeeignet dazu, und - das kann ich aber nur aufgrund von Presseberichten sagen - hat man vor, zum Beispiel Herrn van Betteray in die Geschäftsführung einzuwechseln. Wenn das geschieht - so möchte ich sagen -, wäre das ein optimaler Weg, um zum Beispiel das Gericht dazu zu bringen, die Eigenverwaltung anzuordnen.

    Remme: Es geht um viele Arbeitsplätze, es geht um viel Geld, es geht aber auch um viel Einfluss, auch politischen Einfluss auf dem deutschen Medienmarkt. Ist das dennoch ein Insolvenzfall wie jeder andere?

    Uhlenbruck: Es ist mit Sicherheit kein Insolvenzfall wie jeder andere, denn hier spielen Dinge eine Rolle, die zum Teil auch aus dem Inland heraus nicht steuerbar sind. Das sind einmal die Interessen an der Aufrechterhaltung der Rechte der Fußballweltmeisterschaft, zum anderen aber auch das Interesse ausländischer Investoren - ich denke an Berlusconi und Murdoch -, die hier ja interessiert sind, auf dem deutschen Markt Einfluss zu erhalten, so dass hier die Besonderheit besteht, dass einmal ein weltweites Recht eventuell vermarktet werden muss, zum anderen aber auch Interessenten schon auf der Matte stehen, die Interesse daran haben - und vielleicht in dem Insolvenzverfahren die einzige Chance sehen, hier im deutschen Markt Fuß zu fassen -, und zwar mehr als bisher - sie sind ja schon beteiligt - Einfluss zu gewinnen.

    Remme: Vielen Dank. Das war die Meinung des Kölner Insolvenzexperten, Wilhelm Uhlenbruck. Herr Uhlenbruck, vielen Dank für das Gespräch.