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Integration verbessern

Integration an deutschen Hochschulen funktioniert entweder gar nicht oder nur sehr mangelhaft. Das hat eine Studie des Hochschul-Informations-System mit Zahlen belegt: 50 Prozent aller ausländischen Studierenden brechen ihr Studium in Deutschland ab, weil eklatante Integrationsmängel an Hochschulen existieren. Hier setzt ein Projekt namens "Einleben" der Humboldt-Universität Berlin an. Ausländische und deutsche Studierende sollen dabei voneinander lernen.

Von Dennis Kastrup | 10.03.2009
    "Integration heißt, ausländische Studierende sind in Deutschland nur dann erfolgreich, wenn sie sich hier zu Hause fühlen, angenommen fühlen. Dieses Angenommenfühlen ist nicht ein Gefühl, dass sich einstellt, wenn man vom Bäcker gegrüßt wird oder wenn der Hochschullehrer nett ist, sondern ganz wichtig ist der Kontakt, die Kommunikation, der Austausch mit den deutschen Studierenden."

    Dr. Ullrich Heublein weiß wovon er spricht. Im Auftrag des Deutschen Akademischen Austauschdienstes hat er letztes Jahr für das Hochschul-Informations-System geforscht. Fazit der Studie: Ausländische Studierende haben sehr große Probleme an deutschen Hochschulen. Sie fühlen sich allein gelassen im Dschungel der Bürokratie, finden die Anlaufstellen schlecht oder gar nicht und können kaum soziale Kontakte knüpfen. Die Georgierin Nina Archvadze kennt diese Schwierigkeiten. Sie wollte hier auf das in ihrer Heimat abgeschlossene Studium aufbauen. Die anfänglichen Probleme an der Humboldt-Universität zu Berlin räumte sie aber mit viel Eigeninitiative aus dem Weg. Dabei geholfen hat ihr ein Seminar.

    "Frau Doktor Sybille Benninghoff-Lühl leitete das Seminar. Das war 'Interkulturelle Kompetenz'. Und hier an der Uni habe ich dann sehr oft gehört, dass einige nur russisch gesprochen haben. Dann habe ich immer gefragt: 'Warum spricht ihr denn nur russisch?' Da habe ich festgestellt, dass sie deutsch nicht so gut beherrschen. Ich habe überhaupt nicht verstanden, wie man hier studieren kann, wenn man nicht perfekt Deutsch spricht. Dann habe ich eine Arbeit geschrieben und eine Frage gestellt: 'Warum ich als Ausländer keine Probleme hatte?' Und da habe ich angefangen, Antworten zu geben."

    Zusammen mit anderen koordiniert Archvadze nun schon seit 2001 das Projekt "Einleben - Interkulturelle Kompetenz voneinander lernen". Ein Lehr- und Forschungsprojekt zur Integration. Dabei wurden unter anderem Fragebögen an ausländische Studierende verteilt und dann ausgewertet. Die guten Erfahrungen mit dem Seminar an der Humboldt-Universität hat die Beteiligten ermutigt, das Projekt auch außerhalb von Berlin voranzubringen. Demnächst sollen an mehreren Universitäten Veranstaltungen zur Interkulturität durchgeführt und angewandt werden. Leiterin Dr. Sibylle Benninghof-Lühl will die Integration der ausländischen Studierenden also nicht dem Zufall überlassen. Die Beteiligten müssen selber aktiv Integration betreiben.

    "Gedacht ist es, im weitesten Sinne als ein Kennenlernen - aber darüber hinaus eben auch als ein Austausch über spezifische wissenschaftliche Fragen, über einen kulturellen Austausch und einen emotionalen Austausch, der dann dahin führen soll, dass Anfänge eines Netzwerkes auch entstehen, die über den Rahmen des Seminars hinaus wirken. Die Erfahrung hat gezeigt, dass das funktioniert. Die Seminarteilnehmer von damals stehen bis heute noch miteinander in Verbindung. Letztendlich ist das Projekt entstanden aus den Anfängen eines Netzwerks, denn diejenigen, die das vorangetrieben haben, außer mir, sind eben Teilnehmer des damaligen Seminars."

    Geplant sind regelmäßige Seminare. Hörer aller Fachrichtungen und Nationalitäten dürfen daran teil nehmen. Die Auseinandersetzung mit akademischen Themen im Hörsaal soll später in Freundschaften und gemeinsamen Freizeitaktivitäten außerhalb der Hochschule münden.

    "Ich denke, es ist das Besondere des Seminars, dass hier ein Übersprung vom intellektuellen Verstehen vielleicht zum 'Sich-Verstehen' oder umgekehrt auch vom 'Sich-Mögen/Sich-Verstehen' hin zum Verstehen passiert."

    Das Projekt soll länderübergreifend an den Hochschulen eingeführt werden. 75 Prozent der Finanzierung sind bereits gesichert. Es sieht gut aus, dass die restlichen 25 Prozent aus Fördertöpfen bezahlt werden. Dr. Ullrich Heublein, der die alarmierenden Integrationsmängel an den deutschen Hochschulen mit seiner Studie erst aufgedeckt hat, ist vom Erfolg des Projektes jedenfalls jetzt schon überzeugt.

    "Wir haben ja hier nicht das Problem, dass ausländerfeindliche Haltungen verbreitet sind, weder bei den deutschen, noch bei den ausländischen Studierenden. Sondern ich spreche immer davon: Es ist wechselseitige Ignoranz da. Was für die ausländischen Studierenden besonders wichtig ist, dass eine solche Plattform ihnen Möglichkeiten gibt, sich zu erklären. Nicht nur, dass es die Möglichkeiten gibt, sondern dass sie aufgefordert werden, dass sie hingeführt werden, sich zu erklären, von sich zu erzählen, von ihrer eigenen Kultur, davon, was sie hier erleben, was sie schätzen, was sie seltsam finden."