Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Integrationsdebatte
Kein Deutsch, keine Einschulung?

Kinder, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, dürften nicht eingeschult werden. Mit dieser Aussage hat der CDU-Politiker Carsten Linnemann viel Kritik provoziert, auch in der eigenen Partei. Debattiert wird aber auch über Ansätze, Sprachkenntnisse gezielter und früher zu fördern.

Von Gudula Geuther | 06.08.2019
Ein Junge zeigt in Essen in der Maria-Kunigunda-Grundschule während einer Mathe-Übung auf.
CDU-Politiker Linnemann bringt eine mögliche Vorschulpflicht ins Gespräch (picture alliance / dpa / Marcel Kusch)
Es ist vor allem ein Satz, für den Carsten Linnemann heftigen Protest erntet, auch in der eigenen Partei CDU. Notfalls müsse eine Einschulung auch zurückgestellt werden, wenn Kinder nicht ausreichend deutsch sprächen, hatte der Unionsfraktionsvize gefordert.
"Populistischen Unfug" nennt das Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Katrin Prien. Im Jahr 100 der Schulpflicht sollten Christdemokraten auf die soziale und gesellschaftliche Errungenschaft einer allgemeinen Schulpflicht hinweisen, so die CDU-Politikerin, die sich stattdessen für Deutsch-als-Zweitsprache-Klassen im Rahmen der Regelbeschulung ausspricht.
"Populistischer Unfug"
Auch Katja Leikert, Unionsfraktionsvize wie Linnemann selbst, kritisiert, von dessen Vorschlag würden die Kinder und das Einwanderungsland nicht profitieren. Sie plädiert für mehr Sprachförderung und dafür, endlich den gesetzlichen Anspruch auf Nachmittagsbetreuung an Grundschulen durchzusetzen. Dann hätten auch Kinder, die wenig deutsch sprechen, bessere Chancen.
Verärgert reagiert die SPD-Bildungspolitikerin Marja-Liisa Völlers. Wer Kinder, die kein Deutsch sprächen, von der Grundschule ausschließe, schaffe Parallelgesellschaften und langfristige Integrationsprobleme. Linnemanns Aussagen seien zum Fremdschämen.
Ähnlich der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung VBE. Die Forderung, Kinder, die kein Deutsch könnten, nicht einzuschulen, sei eine Bankrotterklärung der Politik, befindet Udo Beckmann gegenüber der dpa. Sein Verband fordert mehr Unterstützung für Kitas. Die besuchten vor der Einschulung inzwischen fast alle Kinder. Es fehle aber an Sprachexperten, Gruppen seien zu groß, Personalschlüssel unzureichend.
Mehr und frühere Sprachförderung
Wie er sehen auch andere die fehlenden Sprachkenntnisse von Grundschülern als Problem. Die Kieler Bildungsministerin Prien macht dafür auch den Bund verantwortlich. Der habe die Integrationsmittel massiv zurückgefahren, weil weniger Flüchtlinge kämen. Die Kinder seien allerdings schon hier. Sie unterstützt eine andere Forderung Linnemanns, nämlich die, Kita und Vorschule zum Spracherwerb verpflichtend zu machen.
In manchen Ländern gibt es das bereits. So sieht das Berliner Schulgesetz einen verpflichtenden Sprachtest, ein so genanntes Sprachstandsfeststellungsverfahren, vor. Und für die, die durchfallen, Sprachförderung in der Kita oder in eigens dafür eingerichteten Vorschulen.
Der Präsident des deutschen Lehrerverbands Heinz-Peter Meidinger wünscht sich solche Sprachstandstests für Drei- bis Vierjährige bundesweit und flächendeckend. Auch er verweist darauf, dass es Ansätze dazu in einigen Bundesländern gebe. In der Praxis geschehe dann aber zu wenig – auch mangels Logopäden.
"Stimmenfang im rechten Sumpf"
Dass Linnemann gleichwohl auf so viel Kritik stößt, liegt auch am Kontext seiner Äußerungen. Er hatte seine Forderung mit einer ganz generellen Warnung vor "neuen Parallelgesellschaften" verknüpft. In dem Zusammenhang zählte er auf, was seiner Ansicht nach Menschen aufwühlt: Die Vorfälle in Freibädern, die Tat auf dem Frankfurter Bahnsteig, die Schwertattacke in Stuttgart.
Linnemann gehe auf Stimmenfang im rechten Sumpf, warf ihm daraufhin die Co-Chefin der Linken Katja Kipping vor, die darauf hinwies, dass der mutmaßliche Täter von Frankfurt fließend deutsch spreche.