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Integrationsgipfel
Viele Ideen, wenig Verbindliches

Es gebe "gute Ansätze" in dem Vorhaben, die Chancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, sagte Kanzlerin Merkel auf dem Integrationsgipfel. Darunter die Einführung anonymisierter Bewerbungsverfahren sowie die Forderung an Arbeitgeber, Mehrsprachigkeit als Kompetenz zu berücksichtigen. Ob der Gipfel tatsächlich dazu beitragen wird, die Situation zu verbessern, blieb letztlich unklar.

Von Kemal Hür | 01.12.2014
    Die Teilnehmer des 7. Integrationsgipfels der Bundesregierung tagen am 01.12.2014 im Bundeskanzleramt in Berlin.
    Probleme auf dem Ausbildungsmarkt für Migranten standen im Mittelpunkt des Integrationsgipfels der Bundesregierung. (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Das Statistische Bundesamt erfasst Jugendliche nicht nach Migrationshintergrund, sondern nach der Staatsbürgerschaft. Nach dessen Statistiken haben ausländische Jugendliche schlechtere Schulabschlüsse, und sie sind unter den Auszubildenden unterrepräsentiert. Mehrere Studien belegen, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund - besonders solche mit türkischem oder arabischem Namen - sogar bei gleicher Qualifizierung benachteiligt werden. Bundeskanzlerin Merkel sprach auf dem Integrationsgipfel von Diskriminierung.
    "Wir kommen langsam voran. Wir sind statistisch noch längst nicht da, wo wir sein müssen, dass gleiche Ergebnisse für diejenigen mit Migrationshintergrund da sind wie für diejenigen, die keinen Migrationshintergrund haben. Aber wir wollen mit diesem Gipfel heute hier das Tempo beschleunigen. Und ich glaube, das ist durchaus gelungen. Da gibt's gute Ansätze."
    Die wichtigsten Ansätze wurden von mehr als 20 Migrantenorganisationen in einem Impulspapier zusammengefasst. Darin formulieren sie eine Reihe von Empfehlungen an die Politik: unter anderem die Einführung anonymisierter Bewerbungsverfahren, interkulturelle Öffnung des Öffentlichen Dienstes und der Behörden als Vorbilder für Unternehmen, Mehrsprachigkeit als Kompetenz zu berücksichtigen und Migrantenorganisation als Partner der Politik in Beratungsgremien zu beteiligen. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann, nahm besonders die Unternehmen in die Pflicht.
    "Es gehört auch mit zur Willkommenskultur, dass wir über interkulturelle Kompetenz verfügen, weil auch das ist keine Einbahnstraße. Auch wir müssen uns als Einwanderungsgesellschaft darauf einstellen, wie wir mit jungen Menschen aus anderen Ländern hier erfolgreich ihre Arbeits- und Lebenssituation verbessern."
    Auch Eltern besser über das Ausbildungssystem informieren
    Bei der Verbesserung der Ausbildungssituation müssten besonders die Eltern über das Ausbildungssystem in Deutschland informiert und aufgeklärt werden. Viele Eltern mit Migrationshintergrund würden ihre Kinder zum Studium drängen. Sie wüssten oft aber nicht, dass eine Ausbildung für ihr Kind besser geeignet wäre. Aber die Unkenntnis der Eltern rühre auch nicht immer daher, dass sie aus einem anderen Land stammten, sagte die Staatsministerin für Integration Aydan Özoguz.
    "Der Migrationshintergrund ist nicht das Entscheidende, sondern es sind auf der einen Seite oft soziale Lagen, Bildungshintergründe der Eltern etc. Aber auf der anderen Seite können wir immer noch strukturelle Diskriminierung feststellen. Das heißt, wenn es eben nach Namen geht, nach Herkünften und danach sortiert wird, dann ist das ja ein Befund, der nicht nach sozialen Lagen zu tun hat. Wir haben eben beides."
    Wie und ob der Gipfel dazu beitragen wird, die Situation der Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu verbessern, blieb unklar. Die von Migrantenverbänden geforderte Maßnahme, das anonymisierte Bewerbungsverfahren einzuführen, wollte Kanzlerin Merkel nicht verpflichtend sehen. Eine weitere Empfehlung, auf die sich alle Beteiligten einigen konnten, ist die assistierte Ausbildung. Jugendliche sollen von Mentoren begleitet werden. Und der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Eric Schweitzer, wies auf die Gefahren hin, wenn sich an der Situation nichts verbessert.
    "Am Ende des Tages werden wir als Deutschland mit einem wesentlichen Bestandteil das Thema Fachkräftemangel nur hinbekommen, wenn wir es schaffen, jeden einzelnen Migranten in die Arbeitswelt zu integrieren, so dass er entsprechend auch über eine Berufsausbildung verfügt."