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Interdisziplinärer Masterstudiengang

In den letzten Jahren ist eine ganze Flut neuartiger Masterstudiengänge entstanden. Einen besonderen Boom erfahren dabei interdisziplinäre Studiengänge. So bietet beispielsweise die Martin-Luther-Universität Halle einen Master Medizin-Ethik-Recht an - einmalig in Deutschland.

Von Thomas Kramer |
    8.15 Uhr im Juridicum der Universität Halle, eine frühmorgendliche Vorlesung zum Thema Reproduktionsmedizin. Vorne mit Labtop Professor Friedrich Röpke, der frühere Direktor der Universitätsklinik Halle und Poliklinik für Geburtshilfe. Ihm gegenüber sitzen neun Studenten: Juristen, Philosophen, Sozialpädagogen. Röpke vermittelt medizinische Grundlagen.

    "Ich mache die Vorlesung natürlich nicht so, wie ich sie für die Medizinstudenten gehalten habe, ich versuche mit den deutschen, nicht mit den lateinischen Begriffen zu arbeiten und mache das, dass das für Hörer aller Fakultäten verständlich ist."

    Seit 2007 gibt es den interdisziplinären Aufbaustudiengang Medizin-Ethik-Recht. Jährlich werden etwa 25 Bewerber angenommen. Voraussetzung: ein guter Hochschulabschluss. Wer einen Bachelor hat, studiert zwei Jahre - ein Jahr, wer Staatsexamen oder Magister mitbringt. Das Masterprogramm MER ist gebührenpflichtig, mit 300 Euro pro Semester jedoch vergleichsweise günstig.

    "Der Grundgedanke geht eigentlich auf das Erleben zurück, dass die moderne Medizin heute kaum noch in der Lage ist viele Grenzfragen alleine zu entscheiden","

    so Professor Hans Lilie. Der Straf- und Medizinrechtler ist der geistige Vater des Programms. An dem von ihm geleiteten Wissenschaftszentrum treffen sich Juristen, Theologen und Mediziner. Es geht um Themen wie Präimplantationsdiagnostik und Schwangerschaftsabbruch, Organspende oder Sterbehilfe. Die überschaubare Teilnehmerzahl gewährleistet das hohe Niveau.

    ""Jedes Jahr aufs Neue rüttelt sich hier ein Kreis wildfremder Menschen aus ganz Deutschland in Halle zusammen, unterschiedlichster Altersgruppen, eine wirklich verschworene Gemeinschaft, die gemeinsam diskutieren, studieren und lernen."

    Eine, die zu dieser Gemeinschaft gehört, ist Marlen aus Gera. Die 24-Jährige hat in Dresden ihren Bachelor in Philosophie gemacht.

    "Ich persönlich denke eben, dass kein Fach existieren kann ohne die anderen Fächer, die es eben auch gibt. Also Physik geht nicht ohne Mathematik und genauso geht Ethik nicht ohne praktische Wissenschaften."

    Praktisch interessiert Marlen besonders die Problematik von Gesundheitsleistung und Krankenversicherung.

    "Heute Nachmittag wird noch Sozialrecht sein und Ethik in der Psychiatrie und Psychoanalyse."

    Und als Wahlfach der Philosophie besucht sie ein Seminar zu Gerechtigkeit.
    Einer ihrer Kommilitonen ist bereits Doktor. Sein Name: Adam Gasiorek-Wiens, 62 Jahre alt, ein Pränatalmediziner aus Berlin. Nach über 30 Jahren Beruf will er es noch einmal wissen: Auszeit fürs Studium.

    "Es ist eine neue Erfahrung, die ich aber nicht missen mag, denn die Auseinandersetzung, die wir hier haben in den täglichen Diskussionen, die ja auch außerhalb der Vorlesungen stattfinden, sind schon sehr hilfreich für beide Seiten. Und ich hoffe, dass ich auch einen kleinen Beitrag diesen jüngeren Menschen zur Verfügung stellen kann durch meine Erfahrungen, die ich schon durch meinen Beruf mitbringe."

    Wie und wann kann eine medizinische Behandlung abgebrochen werden? Wie Menschen helfen, die auf ein Spenderorgan warten? Wäre es ethisch und rechtlich möglich bei Organspenden eine Auskunftspflicht einzuführen, für jeden verbindlich?

    Viele theoretische Fragen, doch wie sieht es danach aus mit einem Job? Sehr gut, so Institutsdirektor Lilie. Er verweist auf ärztliche Ethikkommissionen, Anwälte mit Spezialgebiet Medizinrecht, Verwaltungsjobs in Versicherungen und Ärztekammern:

    "Wir haben auch die junge Frau, die aus dem Bereich Erziehungswissenschaften kommt, die sich auf Erwachsenenbildung spezialisiert und dort mit ihren Kenntnissen interdisziplinär angelegte Fortbildungskurse macht. Also das ist so vielfältig, dass man es in so einer kurzen Zeit gar nicht zusammenfassen kann."

    Weiterführende Informationen:

    Homepage der Martin-Luther-Universität Halle