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International Light Award
Konsumkritische Lichterketten und parasakrale Effekte

Über 300 Künstler aus aller Welt haben sich um den International Light Award 2017 beworben. Die Arbeiten der Finalisten sind in einer Ausstellung in Unna zu sehen. Sie zeigt: Rein visuell war gestern - Lichtkunst heute zielt auf alle Sinne und hinterfragt sich selbst.

Von Peter Backof | 20.04.2017
    Die Installation "Point of Contact" von Satoru Tamura - wie ein Regen aus Licht erhellen die vielen Lampen ein dunkles Gewölbe. (Foto: Frank Vinken)
    Die Installation "Point of Contact" von Satoru Tamura (Zentrum für internationale Lichtkunst Unna / Frank Vinken)
    Immer schwer: Im Radio zu visualisieren, ohne minutenlang auszuholen; besonders, wenn es um technisch komplizierte Apparaturen geht. Tilman Küntzel aus Berlin ist in der Hinsicht ein Geniestreich gelungen. Man hört das und denkt gleich an kristallines, wohnlich behagliches Licht. Wenn auch raffiniert, luxuriös, etwas dekadent vielleicht. Genau! Ein Kronleuchter, der wie ein gefallener Engel am Boden liegt. Christofer Schmidt erklärt:
    "Das sind Starter von Leuchtstoffröhren, die ausgebaut sind. Und wenn sich das Gas in dem Starter erwärmt, dann gibt es den kurzen Kontakt zwischen den beiden Metallen."
    "Die Kunstwerke werden komplizierter"
    Es geht über Tonabnehmer und ein 15 Meter langes Gewirr aus Spulen, Kabeln, Lautsprechern hinein in den Kronleuchter, erläutert Christofer Schmidt vom Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna. Er hat zusammen mit Museumsleiter John Jaspers die Ausstellung zum Lichtkunst Award kuratiert. Von über 300 eingereichten Bewerbungen aus 41 Ländern, konnten nur drei in Gänze aufgebaut werden. Den Trend macht John Jaspers aus:
    "Dass die Kunstwerke komplizierter und komplizierter werden. Es gibt enorme Computerprogramme dahinter. Ja und alles wird mittlerweile ausprobiert!"
    Bei Tilman Küntzel entsteht aus 26 handtellergroßen Spulen in dekorativer Plexiglas-Vitrine mit viel Brimborium also dieser Klang. Soll der ein Sinnbild sein für den unsäglichen ökologischen Fußabdruck, den so ein typischer Bewohner der westlichen Welt hinterlässt, mit seinem persönlichen Energieverbrauch?
    Stonehenge des 21. Jahrhunderts
    Nicht unbedingt. Kunst macht zunächst mal das, was sie macht. Tilman Küntzel hat per Zufall empirisch nachweisen können, dass Leuchtstoffröhren-Starter ganz unterschiedliche Sounds produzieren, obwohl sie Massenware sind. Und auch der Japaner Satoru Tamura sagt, er habe keine Mission, freue sich einfach nur, was man mit Licht alles machen könne. Seine Installation wirkt dabei wie ein Tempel für das Licht. So ein dystopischer Raum für para-religiöse Erfahrungen. Stonehenge des 21. Jahrhunderts.
    "Der Titel ist 'Point of Contact für Unna'. Was man sieht, ist ein Funke. Man riecht es auch gleich, weil die Messingstäbe, wenn die hin und her gehen, gibt es einen Geruch", sagt John Jaspers.
    Und ein stilisierter Weihnachtsbaum geht an. Hier fließen echte 220 Volt. Daher die Absperrung wie in einer Kirche. Die Räumlichkeiten des Lichtkunstzentrums, ein grobsteiniger, an Ausgrabungen aus der Antike erinnernder ehemaliger Brauereikeller, tun ihr Übriges zu dieser atmosphärisch unheimlich wirkungsmächtigen Schau. Ohne Lichtkunst wäre es hier zappenduster. Zu sehen sind durchgehend nur Werke, die sich ursächlich mit Licht beschäftigen. Der Reiz, hier alles zu fotografieren und im Netz zu teilen, ist groß. Christofer Schmidt sagt:
    "Deswegen hatten wir jetzt kurz vorab, vor der Veranstaltung, eine Blogger-Preview, wo wir ganz gezielt mal Leute, die auf diesen Kanälen unterwegs sind, Instagrammer, eingeladen haben. Und haben gemerkt, dass das sehr gut angekommen ist."
    Zwischen Erlebnis und Kritik
    Vom Zukunftsexperiment mit bioluminiszentem Material, in dem Technik und Natur ineinanderfließen bis zurück zu Arbeiten mit Kerze und Tageslicht reichten die Themen der über 300 Wettbewerbsbeiträge. Die dritte der groß realisierten Arbeiten spielt damit: Die taoistische Meditationstechnik, den Innenraum und den Außenraum vertauschen zu können. Christofer Schmidt erklärt:
    "Diese Arbeit ist Von Vroegop/Schoonveld. Und der Titel lautet: 'Echo turning the light around'"
    200 identische chinesische Frisör-Reklame-Leuchten, in Schlangenlinie gestellt. Das ist es am Ende: Zwischen universalem Tiefenerlebnis und ganz irdischer Kritik am persönlichen Energiekonsum. Die Ausstellung wirkt wie eine Art Trip. Unbedingt die Empfehlung, sich davon ein eigenes Bild zu machen.
    Die Ausstellung im Zentrum für internationale Lichtkunst Unna können Sie vom 22. April - 3. September besuchen.