Es ist immer überraschend. Für die Öffentlichkeit, für die Medien, aber natürlich vor allem für die Betroffenen. Es können Jahre in der Todeszelle vergangen sein: Eines Morgens öffnet sich die Tür, und der Henker steht davor.
"Manchmal sagt der Verurteilte nur: 'Einverstanden.' Dann drücken wir den Knopf am Galgen. Es gibt aber auch welche, die großen Widerstand leisten. Sobald der Verurteilte auf dem Brett über der Grube steht, müssen wir ihn fallen lassen. Wir wissen aber, wie das geht, selbst wenn er sich wehrt."
Knappe Auskünfte nach den Hinrichtungen
Ob sich gestern jemand gewehrt hat, wird die Welt nie erfahren. Traditionell geben die japanischen Justizminister nach Hinrichtungen nur knappe Auskünfte. Katsutoshi Kaneda erklärte:
"Heute wurden Masakatsu Nishikawa und Koichi Sumida hingerichtet. Beide waren extrem grausam, sie haben ihren Opfern ihr kostbares Leben vollkommen willkürlich geraubt. Es gibt keinen Grund, die Todesstrafe nicht zu vollstrecken, auch wenn ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt wurde."
Die letzte Bemerkung bezieht sich auf Nishikawa. Der 61-Jährige wurde vor 26 Jahren wegen des Mordes an vier Bardamen zum Tode verurteilt. Ein Wiederaufnahmeverfahren lief noch, als sich seine Zellentür gestern zum letzten Mal öffnete.
Nicht nur Amnesty protestiert gegen Haftbedingungen und Exekutionen
Es sind genau diese Zweifelsfälle, die Menschenrechtsorganisationen anprangern. Amnesty International verweist auf die große Mehrheit von 141 Staaten, die keine Todesstrafe mehr haben oder anwenden. Japan aber gehört zu jenen Ländern der Welt, in denen Gefangene immer noch umgebracht werden. Zur Zeit sitzen hier etwa 130 Menschen in Todeszellen, nicht wissend, was der nächste Morgen bringt. Nicht nur Amnesty protestiert gegen Haftbedingungen und Exekutionen, auch der japanische Anwaltsverein erhebt schwere Vorwürfe. Und der Präsident des Zentrums für Gefangenenrechte erklärte nach der gestrigen Hinrichtung:
"Wir sind der Meinung, dass die Todesstrafe nicht vollstreckt werden darf, vor allem dann, wenn eine Wiederaufnahme des Verfahrens ansteht und deswegen die Festsetzung der Strafe noch nicht endgültig ist. Aus diesem Grunde haben Institutionen wie die Vereinten Nationen Japan mehrmals dazu aufgefordert, auf Hinrichtungen zu verzichten. Japan stellt sich dem entgegen. Ich halte das für ein dramatisches Problem."
19 Menschen wurden in viereinhalb Jahren aufgehängt
Die Regierung unter Shinzo Abe hat in den vergangenen viereinhalb Jahren 19 Menschen aufhängen lassen. Sie beruft sich dabei auf die Unterstützung der Bevölkerung. Angeblich befürworten 80 Prozent der Japaner die Todesstrafe. Allerdings ist diese Zahl lange nicht mehr überprüft worden.
Und in anderen Bereichen wird die sogenannte öffentliche Meinung nicht zur Rechtfertigung juristischer Entscheidungen herangezogen. Seit 2009 sind Schöffen an den Urteilen beteiligt. 20 von ihnen waren von den Details der Hinrichtungen so schockiert, dass sie eine Petition einbrachten, die Exekutionen auszusetzen.
Ein spektakulärer Fall rüttelte vor zwei Jahren die Öffentlichkeit auf. Nach 48 Jahren Isolationshaft war einem Todgeweihten die Wiederaufnahme seines Verfahrens gestattet worden. Es stellte sich heraus, dass sein Geständnis durch Folter erzwungen worden war. Als der zu Unrecht Eingesperrte nach einem halben Jahrhundert Einzelhaft entlassen wurde, konnte er nur noch stammeln:
"Dass die Staatsmacht Leute aus dem Volk hinrichtet, ist ein Verbrechen. Es geht nicht an, dass Menschen Menschen töten."