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Internationaler Terrorismus und das Verhältnis USA-Europa

Durak: Heute Abend beginnend werden sich zahlreiche Experten aus Politik, Wissenschaft und natürlich Militär traditionell in München treffen zur sicherheitspolitischen Tagung, ein gesellschaftlicher Gedankenaustausch weit ab von parteipolitischen Intentionen. Interessierte Fachleute auf der Suche nach zeitgemäßen Antworten, nach Wegen zur Lösung internationaler Probleme, auch sicherheitspolitischer Art: als da sind zur Zeit - wir kennen sie - internationaler Terrorismus, Stärken und Schwächen der atlantischen Allianz, das Verhältnis USA-Europa. Mit dabei ist wie gesagt Karsten Voigt, der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, nun am Telefon. Guten Morgen!

    Voigt: Guten Morgen Frau Durak.

    Durak: Herr Voigt, sie haben eine Vorlage, sie alle, nämlich Bushs Rede zur Lage der Nation, für diese Diskussion in München eine Vorlage in mancherlei Hinsicht, denn die Beschreibung oder auch Umschreibung künftiger amerikanischer Außenpolitik, auch spezieller amerikanischer Interessen hat ja aufhorchen lassen. Können, dürfen die Europäer und wir Deutsche dem so folgen? Wenn es darum geht, beginnen wir beim Kampf gegen das Böse.

    Voigt: Ich glaube beim Einsatz gegen den internationalen Terrorismus gibt es überhaupt keine Unterschiede zwischen Amerikanern und Europäern in der Zielsetzung. Wir sind genauso Gegner von solchen terroristischen Strukturen wie sie und potentiell natürlich auch ähnlich wie sie betroffen. Wie man diesen Kampf führen wird, da wird es sicherlich unterschiedliche Meinungen geben, zum Beispiel die Frage, ob man den Irak jetzt in eine militärische Auseinandersetzung einbeziehen soll, falls das die Amerikaner dort zum Thema machen sollten. Da wird es bestimmt kritische Stimmen und Nachfragen aus Europa geben.

    Durak: Und auch aus Deutschland?

    Voigt: Natürlich!

    Durak: Den Iran hat Bush schwer angegriffen. Es gab wütende Äußerungen zurück, selbst vom gemäßigten Präsidenten Chatami. Hat Bush da vielleicht einen politischen Fehler gemacht, ist übers Ziel hinausgeschossen und hat irgendwie diplomatisches Porzellan zerschlagen?

    Voigt: Über die Frage, wie man am besten mit dem Iran umgeht, gibt es seit vielen, vielen Jahren einerseits enge Diskussionen zwischen Deutschen und Amerikanern, andererseits zum Teil Übereinstimmung, zum Teil Unterschiede. Es gibt Übereinstimmung, dass man alles tun muss, um zu verhindern, dass der Iran über Massenvernichtungswaffen verfügt. Es gibt immer Übereinstimmung, wenn es um die Verletzung von Menschenrechten und Freiheitsrechten im Iran geht. Aber es gibt viele Deutsche, zu denen ich auch gehöre, die glauben, dass man einen engen Dialog mit dem Iran suchen soll, dass es im Iran sehr differenzierte Entwicklungen gibt, auch Entwicklungen hin auf mehr Meinungsfreiheit und mehr Demokratie, natürlich alles mit Widersprüchen und es gibt auch immer wieder Rückfälle. Es ist aber erkennbar, dass die Unterstützung eines islamischen Fundamentalismus im Iran abbröckelt und dass es besonders in der Bevölkerung mit großen Widerständen in der Geistlichkeit eben auch Versuche gibt, das System langsam zu reformieren. Darüber wird man, falls das angesprochen wird, dann auch diskutieren müssen.

    Durak: Und da sind die Bemerkungen von George Bush, die er gestern wiederholt hat, nicht sehr hilfreich oder?

    Voigt: Wissen Sie, für mich ist das nicht überraschend. Wenn ein Präsident sich in einer Rede an die Nation wendet, dann sagt er nicht zuerst, übrigens hier habe ich die und die Schattierung in meiner Auffassung, die mich etwas unterscheidet von den Europäern, sondern da versucht er, sich erst mal einzuschwören auf die amerikanische Position, auf die amerikanische Wahrnehmung der Welt und auf die amerikanische Wertevorstellung. Das ist ihm mit seiner Rede, die ja überwiegend positiv in Amerika aufgenommen worden ist, auch geglückt. Das ändert nichts daran, dass es bei ausländischen Beobachtern, zu denen ich dann auch gehöre, im einen oder anderen Punkt kritische Nachfragen gibt.

    Durak: Herr Voigt, die USA sind die führende Nation in der NATO. Würden Sie dennoch von einem angemessenen Gewicht der Europäer innerhalb der NATO sprechen, oder ist dieses Verhältnis verbesserungsbedürftig?

    Voigt: Das Gewicht der Europäer in der NATO ist so groß, wie ihre politischen, ökonomischen und militärischen Fähigkeiten sind. Das heißt da wir im politischen und ökonomischen Bereich sehr stark sind, sind wir, wenn es um solche Fragen geht, ausgesprochen leistungsfähig und dort wird auch auf uns gehört. Wenn es um militärische Fragen geht, dominieren die Amerikaner und daran können die Europäer nur etwas ändern, indem sie ihre eigene Handlungsfähigkeit verbessern und das versuchen sie mit der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Aber das geht nicht so schnell, wie man es möchte, und vor allen Dingen nicht so schnell, wie die Amerikaner das möchten.

    Durak: Sind sich die Europäer dort in allem einig, oder behindern sie sich nicht gegenseitig durch eigene nationale Interessen?

    Voigt: Das ist die alte Sache in Europa. Der Fortschritt ist auch da eine Schnecke. Es bewegt sich für europäische historische Maßstäbe sehr schnell, aber angesichts unserer Absicht, sozusagen als Partner der USA noch wesentlich relevanter zu werden, auch im militärischen Bereich relevanter zu werden, kann man sich natürlich erhoffen, dass es sich noch schneller bewegt. Aber so ist das nun mal in Europa nicht.

    Durak: Nun gibt es einen ganz, ganz neuen Vorschlag. Der spanische Ministerpräsident hat vorgeschlagen, die schnelle Eingreiftruppe der EU mit der Friedenssicherung in Mazedonien zu beschäftigen, ihr das zu übertragen. Noch ist ja die Eingreiftruppe nicht wirklich einsatzbereit. Ist das ein bisschen voreilig?

    Voigt: Dazu kann ich mich nicht äußern, weil ich darüber nicht informiert bin. Dann halte ich im allgemeinen den Mund.

    Durak: Wie sieht es denn aus mit der künftigen Rolle der NATO? Ich denke daran, dass insbesondere die USA die baltischen Staaten eingeladen hat und auch andere, sehr bald beizutreten. Die Europäer sollten darüber nachdenken. Das heißt, das Gewicht der Europäer innerhalb der NATO nimmt dort schon wieder zu, wenigstens an Zahl.

    Voigt: Das wird auch so sein. Es sind noch keine endgültigen Entscheidungen innerhalb der NATO gefallen, aber es gibt einen Trend innerhalb der NATO, doch eine große Erweiterungsrunde nicht auszuschließen. Wie viel das sein wird weiß ich nicht, aber es wird eher eine größere Runde sein. Das wird die Zahl der Europäer in der NATO vergrößern, aber man muss gleichzeitig, wenn man genau hinguckt, sehen, dass das meistens Staaten sind, die ausgesprochen sehr gute Beziehungen zu den Amerikanern haben und sie auch behalten wollen. Insofern wird Europa stärker in der NATO und gleichzeitig werden die transatlantischen Beziehungen dadurch nicht geschwächt, sondern eher gestärkt.

    Durak: Wieso?

    Voigt: Weil die Zahl der Staaten innerhalb der NATO, die ein größeres Gewicht der Europäer in der NATO wollen, aber gleichzeitig enge Beziehungen zu den Amerikanern wollen und Europa nicht gegen die USA definieren wollen, zunimmt. Polen und die baltischen Staaten sind ausgesprochen proamerikanisch.

    Durak: Das heißt aber nicht zwangsläufig proeuropäisch?

    Voigt: Das ist im allgemeinen so, dass dort immer ein Lernprozess einsetzt und nach einer gewissen Zeit, wenn sie dann auch in der EU sind, glaube ich wird auch ihre proeuropäische Dimension noch ausgeprägter sein werden, als das heute der Fall ist.

    Durak: Herr Voigt, Sie reisen heute nach München zu dieser sicherheitspolitischen Konferenz, früher mal Wehrkundetagung. Welche Rolle spielen solche Konferenzen heutzutage noch?

    Voigt: Eine sehr große. Die NATO ist ja nun kein Bündnis, wo es nur um Absprachen zwischen Ministern geht, sondern es ist ein Bündnis demokratischer Nationen. Da spielt die Frage, wie in Parlamenten, wie unter Journalisten, wie in der Öffentlichkeit insgesamt über sicherheitspolitische Fragen gedacht wird, eine große Rolle. Das Forum ist gleichzeitig ein Instrument, um die unterschiedlichen Meinungen öffentlich auszutragen. Das ist so eine Art eines sicherheitspolitischen Davos. Da werden faktisch die Meinungen, die es in den USA, in Europa, auch weit über die Grenzen der NATO hinweg gibt, ausgetragen und man sieht dann schon gewisse Trends.

    Durak: Und welche Trends könnten Sie uns jetzt nennen?

    Voigt: Da bin ich natürlich klüger, wenn ich zurückkomme, als ich jetzt bin, wo ich dort hinfahre. Ich glaube aber ein Trend wird ganz eindeutig sein, dass die Amerikaner noch ein stärkeres Engagement beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus verlangen. Es wird eine strittige Diskussion geben, ob man nicht nur schwache Staaten wie Afghanistan als Problem ansieht, in denen sich terroristische Strukturen eingenistet haben, vielleicht auch Somalia, sondern ob man auch gegen so genannte Schurkenstaaten vorgehen soll, die Bush in seiner Rede erwähnt hat. Das wird sicherlich kontrovers sein. Und dann geht es um die Frage der Höhe von Verteidigungshaushalten und auch um zivile Komponenten. In Mazedonien und in Bosnien geht es ja um zivile Friedenssicherung.

    Durak: Kann Deutschland, Herr Voigt, sein Engagement wirklich noch ausweiten? Stehen wir nicht mit dem Etat, mit den Männern, mit dem Material der Bundeswehr mit dem Rücken an der Wand?

    Voigt: Wir sind mit unseren finanziellen Mitteln und damit natürlich auch mit den militärischen Mitteln begrenzt. Das wird bestimmt strittig sein. Da wird es auch unterschiedliche Töne geben, je nachdem ob man in der Regierung oder in der Opposition ist. Realität aber ist, ganz egal was jemand jetzt sagt, wenn er in der Opposition ist, auch wenn er in der Regierung mal sein sollte, dass die finanziellen Mittel vielleicht etwas verschoben werden können, aber weil wir nach wie vor die Finanzierungsnotwendigkeiten unserer ersten Priorität, nämlich die Gestaltung der deutschen Einheit haben, dann auf absehbare Zeit die militärischen Mittel wie gesagt vielleicht etwas erhöht werden können. Die Aufwendungen werden aber immer aus amerikanischer Sicht noch zu niedrig sein.

    Durak: Karsten Voigt, Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, auf dem Weg zur sicherheitspolitischen Konferenz in München. - Danke schön Herr Voigt für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Link: Interview als RealAudio