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Internationaler Vergleich
Studie: Mindestlohn gefährdet keine Arbeitsplätze

Mindestlöhne führen einer Studie zufolge nicht zum Verlust von Arbeitsplätzen. Die unter deutschen Ökonomen herrschende Meinung, dass eine Lohnuntergrenze sich negativ auf den Arbeitsmarkt auswirke, sei empirisch nicht haltbar, heißt es in einer Untersuchung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

Von Stephan Maas | 23.06.2014
    Ein Fahrradkurier fährt in Berlin auf der Friedrichstraße im Bezirk Mitte
    Ein höherer Verdienst sorge außerdem dafür, dass Mitarbeiter nicht so häufig den Arbeitgeber wechselten, so das Ergebnis einer Studie. (picture alliance / Wolfram Steinberg)
    Mindestlöhne haben keine signifikanten Auswirkungen auf die Beschäftigung. Ihre Einführung führt nicht zwingend zu Arbeitsplatzverlusten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, für die Claudia Weinkopf und Gerhard Bosch vom Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen den neuesten internationalen Forschungsstand aufgearbeitet haben:
    "Während in den USA und Großbritannien viele prominente Ökonominnen und Ökonomen unter dem Eindruck neuerer Forschungsergebnisse ihre zuvor kritische Einschätzung zum Mindestlohn revidiert haben, wird in Deutschland der neue Forschungsstand vielfach noch ignoriert. Man kann schon fast von einer Realitätsverweigerung der Ökonomen sprechen."
    Urteilt Gerhard Bosch. Und auch bei der Untersuchung der Branchenmindestlöhne in Deutschland haben die beiden Wissenschaftler für ihre von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie ebenfalls keine negativen Beschäftigungseffekte festgestellt, sagt Claudia Weinkopf.
    Mindestlohn wird von Unternehmen akzeptiert
    Die Erfahrungen in In- und Ausland zeigten vielmehr, dass ein Mindestlohn von Unternehmen akzeptiert werde, wenn ihn die Konkurrenten auch zahlten. Daher sei es wichtig, die Einhaltung zu kontrollieren und im Notfall abschreckende Strafen zu verhängen. Allerdings, betonen die Autoren der Studie, seien die Forschungsergebnisse nicht als Freibrief zu verstehen, Mindestlöhne in beliebiger Höhe einzuführen. Ein zu hoch angesetzter Mindestlohn könne selbstverständlich negative Auswirkungen haben.
    Im europäischen Vergleich sei das Niveau des geplanten gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro der Stunde aber moderat. Deutschland biete darüber hinaus gute Voraussetzung für die Einführung eines Mindestlohns:
    "Die internationalen Erfahrungen verweisen darauf, dass es von der Innovationsfähigkeit eines Landes abhängt, welche Höhe von Mindestlöhnen verkraftet werden können."
    Deutschland als innovative Volkswirtschaft
    Deutschland gehöre nach den Innovationsindikatoren der EU zu den innovativsten Volkswirtschaften in Europa.
    "Das gilt auch für die deutschen Klein- und Mittelbetriebe, die ihre Löhne stärker als Großbetriebe anheben müssen, weil sie einen höheren Anteil von beschäftigten haben, die bislang weniger als 8,50 verdienen."
    USA: 70 Prozent der Niedriglohnbeschäftigten haben keinen Abschluss
    Auch sie könnten mit Effizienzsteigerungen auf die neue Lohnuntergrenze reagieren. Zumal gut drei Viertel der Beschäftigten, die aktuell weniger den zukünftigen Mindestlohn verdienen einen beruflichen oder einen akademischen Abschluss hätten.
    Zum Vergleich: In den USA haben 70 Prozent der Niedriglohnbeschäftigten keinen beruflichen oder High School-Abschluss.
    Ein höherer Verdienst sorge außerdem dafür, dass Mitarbeiter nicht so häufig den Arbeitgeber wechselten. Auch das ein Vorteil für die Unternehmen.
    "Das heißt man spart das Geld für die Einstellung und Einarbeitung von neuen Leuten."
    Regierung geht angemessen vorsichtig vor
    Bei der Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes zum Januar 2015 gehe die Regierung angemessen vorsichtig vor, um negative Auswirkungen zu vermeiden. Dazu gehöre die Übergangsfrist für niedrigere Branchen-Tariflöhne bis Ende 2016. Ebenso die Absicht, den Mindestlohn frühestens 2017 oder sogar 2018 erstmals zu erhöhen.
    Zu viele Ausnahmen dürfe es nicht geben, urteilen die beiden Autoren der Studie.
    "Zum Schutz unseres Berufsausbildungssystems ist es gerechtfertigt, Auszubildende auszunehmen. Für problematisch halten wir hingegen die Ausnahme für Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Beschäftigungsmonaten, weil die Definition von Langzeitarbeitslosigkeit unklar ist und weil Drehtüreffekte befürchtet werden müssen."
    Das Gesetz zur Einführung des Mindestlohnes soll am 4. Juli vom Bundestag und anschließend vom Bundesrat beschlossen werden.