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Internet für alle
Gründung der Initiative "Schulen ans Netz"

Aus unserer Lebenswirklichkeit sind die digitalen Medien nicht mehr wegzudenken. Um den Einzug dieser Wirklichkeit in die deutschen Schulen voranzubringen, startete heute vor 20 Jahren, am 18. April 1996, die Initiative "Schulen ans Netz".

Von Monika Köpcke | 18.04.2016
    Schülerinnen und ihre Lehrerin beugen sich über ein Tablet
    Wenn es ums Lernen geht, gehören die digitalen Medien heute einfach dazu. (imago / Westend61)
    "Schülerinnen und Schüler werden auf die informationelle Müllhalde Internet verwiesen, und dort finden sie natürlich auch mal was Gutes, wie man auf jeder Müllhalde was Gutes findet, aber die Masse der Information ist kommerziell, ist pornografisch."
    Klaus Haefner, der als Informatikprofessor an der Universität Bremen zukünftige Lehrer ausbildete, war nicht der einzige, der dem Start von "Schulen ans Netz" äußerst skeptisch gegenüberstand. Das Bundesbildungsministerium und die Telekom hatten den Verein gemeinsam ins Leben gerufen. Am 18. April 1996 nahm er seine Arbeit auf: Alle 34.000 Schulen in Deutschland sollte "Schulen ans Netz" mit einem Internetzugang versorgen. Bislang verfügten nur 800 über diesen Luxus.
    "Es gibt Pädagogen, die sagen, das ist Teufelszeug. Man sollte die Kinder damit nicht konfrontieren."
    Maria Brosch, Geschäftsführerin von "Schulen ans Netz".
    "Wir machen in Projekten die gegenteilige Erfahrung. Wir machen die Erfahrung, dass die Kinder sowieso auf die Technik abfahren. Viele Kinder haben intuitiven Zugang. Aber was man inhaltlich dort macht, da brauchen sie Begleitung."
    Schon 2012 war Schluss mit "Schulen ans Netz"
    Schon fünf Jahre nach der Gründung hatte die Initiative ihr Ziel erreicht: 2001 besaßen alle Schulen in Deutschland einen kostenfreien Internetanschluss. Und Kommunen, Fördervereine oder ortsansässige Firmen hatten dafür gesorgt, dass die Schulen mit neuen oder gebrauchten Computern ausgestattet waren.
    "'Schulen ans Netz' hat dann eine Reihe von Aktionen gestartet, um die Lehrerschaft instand zu setzen, mit diesen neuen Möglichkeiten arbeiten zu können. Beispielsweise gab es 'Lehrer online', eine Plattform, über die Unterrichtsinhalte, Vorschläge zur Gestaltung von Unterricht verteilt werden konnten, wo Lehrer untereinander kommunizieren konnten."
    Wilfried Hendricks vom Berliner Institut für Bildung in der Informationsgesellschaft.
    "Aber das Kernproblem war ein mehr, sage ich mal, didaktisches Problem, nämlich den Unterricht sozusagen umstricken zu müssen. Ich bin jetzt nicht mehr derjenige, der die Inhalte vermittelt, sondern ich bin derjenige, der zulässt, dass die Jugendlichen und Kinder im Internet sich ihre Inhalte suchen. Viele Lehrer fühlten sich überfordert mit der Situation, fürchteten zum Teil auch, den Schülern gegenüber unterlegen zu sein. Das Lernen mit Internet sieht anders aus als das konventionelle Lernen. Und darauf sind große Teile der Lehrerschaft damals, und auch heute, nicht richtig eingestellt."
    "Wir brauchen in diesen Jahren eine neue, zweite Ausstattungsinitiative, weil die Altcomputer, die jetzt in den Schulen sind, sind vielfach nicht web-2.0-fähig. Und deshalb brauchen wir eine Erneuerungsphase in den Schulen."
    Dieser Appell von Maria Brosch aus dem Jahre 2011 verhallte unerhört. Schlimmer noch: Nur ein Jahr später war Schluss mit "Schulen ans Netz". Bereits 2009 hatte sich die Telekom aus dem Verein zurückgezogen. Da es nicht gelang, neue finanzstarke Partner zu finden, und auch die Bundesländer sich nicht über ihre Bildungshoheit hinweg engagieren wollten, löste sich der Verein Ende 2012 auf. Ein einheitlicher Ausstattungsstandard an deutschen Schulen ist seitdem in weite Ferne gerückt.
    Unzureichender Einsatz digitaler Medien bei Achtklässlern
    "Wir haben vielleicht ein oder zwei Stunden im Jahr mal bei Mathematik mit dem Computer zu tun. Man hat 45 Minuten Zeit, um am Computer zu arbeiten, und die erste Viertelstunde geht eigentlich immer schon damit drauf, sich einzuloggen, weil’s da immer zu Komplikationen kommt."
    Die internationale Vergleichsstudie ICILS, die 2013 die Medienkompetenz von Achtklässlern untersuchte, konstatierte für Deutschland einen unzureichenden Einsatz digitaler Medien; zum Nachteil insbesondere der Schüler aus den unteren sozialen Schichten. Denn der Umgang mit neuen Technologien ist eine Schlüsselkompetenz unserer Zeit. Und sie beinhaltet mehr als Videos gucken, spielen oder chatten. Wilfried Hendricks:
    "Die Schule hat immer schon die Aufgabe gehabt, für gesellschaftlichen Ausgleich zu sorgen. Alle Menschen müssen die Chance haben, an dieser neuen Welt teilhaben zu können. Das heißt, wer heute nicht medienkompetent ist, wer heute nicht gelernt hat, dass seine Daten ihm selbst gehören, nicht anderen, und so weiter, der hat Riesenprobleme in der Gesellschaft. Und deshalb muss die Schule in Deutschland möglichst schnell den Anschluss an das internationale Niveau bekommen."