Freitag, 10. Mai 2024

Archiv

Invasion im Fluss
Schwarzmundgrundeln breiten sich aus

Von Tonia Koch | 07.09.2015
    Peter Schönfließ ist ein erfahrener Angler. Der Abschnitt an der Saar an dem er sich niedergelassen hat, verläuft an dieser Stelle ein Stück parallel zur Autobahn in Sichtweite des Hafens. Dieser ist eine Ursache für das schnelle Wachstum der Grundeln, die Schönfließ aus dem Wasser zieht.
    "Ich schmeiß jetzt hier rein, und zähle bis fünf und dann habe ich eine Grundel. Eins, zwei, drei, vier, fünf. Hat nicht geklappt."
    Im zweiten Versuch dann schon. An der Angel hängt ein kaum sieben Zentimeter langer Fisch. Es sei schwer, ihn waidgerecht zu töten, sagt der Angler.
    "Ich muss ihn betäuben, hier ist das Gehirn von dem Fisch, da muss ich draufschlagen. Dann muss ich einen Herzstich machen, wie soll das funktionieren. Man muss dem Fisch keine Schmerzen zufügen, man sollte ihn waidgerecht töten. Das ist fast unmöglich."
    Beliebt ist die Schwarzmundgrundel bei den Anglern nicht. Sie steht auf der schwarzen Liste der invasiven Arten und wurde erst vor wenigen Jahren über das dichte europäische Verbundsystem von Wasserwegen in Deutschland eingeschleppt. Meist gelangte sie über das Ballastwasser der Schiffe aus dem Schwarzen Meer in die heimischen Fließgewässer. Hier verbreitet sich die Schwarzmundgrundel aufgrund ihrer außerordentlichen Reproduktionsrate rasant, sagt der Geschäftsführer des saarländischen Fischereiverbandes Bernd Hoen.
    "Man geht davon aus, dass die Grundel drei Mal im Jahr ablaichen und man geht von 100.000 Eiern aus, pro Ablaichen, pro Fisch."
    Die anpassungsfähige Art zählt zu den Laichräubern. Sie verdrängt die heimischen Weißfischarten wie Brassen und Rotaugen. Nach jüngsten Untersuchungen der Technischen Universität München machen die Grundeln in den Uferbereichen der Donau bereits 70 Prozent des gesamten Fischbestandes aus. An Rhein, Main und Mosel dürfte die Situation vergleichbar sein. Die Saar ist noch nicht vollständig besiedelt, deshalb versucht der Fischereiverband, der weiteren Ausbreitung entgegenzuwirken. Aale wurden als natürliche Feinde eingesetzt. Zum anderen versucht der Verband nach dem Vorbild der Schweiz, mithilfe spezieller Laichhilfen, die Fischeier zu entnehmen. Die Wissenschaft hat jedoch erhebliche Zweifel daran, dass sich die Grundeln dadurch noch eindämmen lassen, sagt Professor Jürgen Geist von der TU München.
    "Jede Maßnahme, zu versuchen, diese Populationen zu reduzieren: Im besten Fall zeigen sie einen kurzfristigen Effekt. Aber sobald man die Aktion einstellt, ist der Effekt wieder weg. Also, der Kampf lässt sich nur präventiv gewinnen. Das heißt, sobald ein System wirklich besiedelt ist, gibt es keine Möglichkeit mehr, das unter Kontrolle zu bekommen."
    Zu den wirksamen Präventionsmaßnahmen zähle zum Beispiel, das Ballastwasser von Schiffen zu filtern bevor sie in das innereuropäische Wasserstraßennetz einfahren. Die EU habe auch entsprechende Vorschriften erlassen, so Geist. Nur seien diese bislang nicht überall umgesetzt. Heimische Raubfische wie Wels oder Zander profitieren vom zusätzlichen Nahrungsangebot. Die Artenvielfalt allerdings ginge verloren, wenn am Ende die Friedfische verschwinden und nur noch Grundeln und Wels übrig bleiben.
    "Wenn sich die Systeme immer stärker einander angleichen und wir praktisch ähnliche Lebensgemeinschaften mit den Grundeln in vielen unserer großen Fließgewässer haben, dann geht man davon aus, dass die Störanfälligkeit eines solchen Systems – wenn beispielsweise eine Krankheit da rein kommt - größer ist als in Systemen, die sich stärker voneinander unterscheiden."
    Die Schwarzmundgrundeln schaffen nach Auffassung der Wissenschaftler einen neuen ökologischen Zustand der heimischen Gewässer. Die Praktiker unter den Anglern haben dieser Entwicklung nur noch Rezeptempfehlungen entgegen zu setzen. Die Grundel gehöre auf den Speiseplan. Peter Schönfließ.
    "Er wird nur eben geschuppt und ausgenommen. Und dann in die Fritteuse, mit Salz und Pfeffer. Er schmeckt hervorragend."