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Irak-Politik der USA in der Kritik

Stefan Heinlein: Nun also doch: Im zweiten Anlauf entschuldigte sich US-Präsident Bush für die Folterungen irakischer Gefangener im Irak. "Es tut mir leid", diese Worte des Bedauerns kommen aber wohl zu spät, um den enormen Schaden für die amerikanische Irak-Politik und das weltweite Ansehen der USA noch abzufangen. Schal wirkt nach wie vor die verbale Rückendeckung für seinen angeschlagenen Verteidigungsminister. Heute muss Donald Rumsfeld im Kongress Rede und Antwort stehen. Heute Morgen habe ich bereits mit Professor Gerald Feldman von der Universität Berkleley in Kalifornien gesprochen und ihn zunächst gefragt, wie die amerikanische Öffentlichkeit auf die neuen Folterbilder reagiert?

Moderation: Stefan Heinlein |
    Gerald Feldman: Es gibt natürlich eine schlechte Wirkung. Ich meine, es ist ganz klar: Das ist ein größeres Problem, als man gedacht hatte. Es sind ja nicht nur die Bilder, sondern es gibt auch einige Berichte darüber bereits vom Herbst vergangenen Jahres. Diese Sache ist nicht nur ein kurzfristiges, auf ein Gefängnis beschränktes Problem. Das ist ein bisschen weiter verbreitet und kann auch ein Problem in Afghanistan sein. Das ist natürlich verheerend.

    Heinlein: Die Dinge wurden lange unter den Teppich gekehrt. Warum hat man das gemacht im Pentagon? Wurde die Sprengkraft dieser Bilder unterschätzt?

    Feldman: Ich glaube, dass das ein Problem der Militärbürokratie ist. Wenn es Gerüchte gibt, nehmen die ihren Lauf und die politische Brisanz wird am Anfang nicht wirklich erkannt. Das sieht man an Rumsfeld. Die Tatsache, dass der Präsident das im Fernsehen gesehen hat, ist natürlich ein großes Problem. Es zeigt, dass die Wichtigkeit dieser Sache, des ganzen Problems, wie man das im Irak macht, sehr, sehr unterschätzt wird. Man war nicht vorbereitet, man hat Leute dort hingeschickt, die nicht ausgebildet sind. Dann kommt noch hinzu, dass einige von diesen Bereichen privatisiert sind. Die ganze Sache ist mehr und mehr ein Desaster, in dem Sinne, dass alles schlecht organisiert und vorbereitet war. Hinzu kommt noch, dass einige Personen wirklich nicht fähig waren, mit den Problemen in den Gefängnissen umzugehen. Es ist ganz klar: Das ist eine riesige bürokratische Panne, vom Anfang bis zum Ende.

    Heinlein: Ist es dann glaubhaft, wenn Donald Rumsfeld sagt, er habe die Berichte - die ja schon Anfang des Jahres vorlagen - nicht gelesen, oder glauben Sie, dass Rumsfeld bewusst die Dinge vor seinem Präsidenten vertuscht hat?

    Feldman: Ich glaube, dass er sie wirklich nicht gelesen hat. Er hat die Wichtigkeit der Sache unterschätzt. Diese Arroganz ist das Wichtigste und nicht die Frage, ob es Vertuschung gewesen ist. Ich vermute, es hat ihn nicht besonders interessiert. Er hat das natürlich wahrgenommen und weitergeleitet, aber mit der politischen Seite dieses Problems hat er sich nicht wirklich befasst. Wenn man bedenkt, wie schlecht die Vorbereitungen auf diesen Krieg in Bezug auf die Regierungsprobleme gelaufen sind, dann ist es ganz glaubwürdig, dass dies auch ein Bestandteil dieser riesigen Schlamperei bezüglich unserer Aufgaben im Irak ist.

    Heinlein: Müsste Donald Rumsfeld wegen dieser Schlamperei jetzt zurücktreten? Demokraten fordern das ja jetzt.

    Feldman: Die Demokraten fordern das, und ich muss ehrlich sagen: Es ist nun Zeit für ihn zurückzutreten. Andererseits hat er natürlich die Unterstützung des Präsidenten. Der Präsident hängt sehr stark von seiner Beratung ab: Warum ist mir nicht so klar, aber Rumsfeld ist einer der Favoriten im Kabinett. Es ist schwer einzuschätzen, was Bush mit ihm tun will. Einerseits hat er ihm natürlich ganz öffentlich Vorwürfe gemacht, andererseits unterstützt er Rumsfeld doch. Es ist schwer zu sagen, wie das ausgehen wird. Donald Rumsfeld ist ein sehr sturer Typ.

    Heinlein: Wird Präsident Bush selber durch diese Affäre in Mitleidenschaft gezogen werden? Oder wird er versuchen diesen ganzen Imageschaden auf seinen Verteidigungsminister, auf den Pentagonchef, abzuwälzen?

    Feldman: Es ist sehr schwer zu sagen, was er eigentlich machen wird. Natürlich gab es einige faul Äpfel bei den Militärs dort und die werden natürlich heftig bestraft. Die sind schuld daran, nicht die Amerikaner. Die Nation als Ganzes muss natürlich die Schuld tragen. Aber wir sind für die Demokratie und für die gute Behandlung dieser Leute. Wenn man diese Linie verfolgt, dann wartet man einfach, bis das Problem wieder weg ist.

    Heinlein: Gerade zu Kriegszeiten sind die Amerikaner ja stolz auf ihre Armee, auf ihre Soldaten. Könnte sich das nun ändern? Hat das Ansehen der US-Armee insgesamt gelitten in der amerikanischen Öffentlichkeit?

    Feldman: Das glaube ich nicht. Was nun heute gesagt wird, ist, dass man Reservisten für diesen Einsatz benutzt hat. Die waren nicht gut ausgebildet, schlecht vorbereitet. Aber das betrifft nicht die ganze Armee. Das Ansehen der Armee hat nicht gelitten. Ich meine, dass das auch fair ist. Die normalen Soldaten sind nicht daran schuld. Die Führung ist dafür verantwortlich, dass die betreffenden Personen bestraft werden, auch die Generäle und die Offiziere. Das betrifft nicht nur die Mannschaften. Aber es trifft nicht die ganze Armee dort im Irak. Die meisten Amerikaner sehen das so. Auf der anderen Seite ist vom Verteidigungsministerium her so schlecht vorbereitet worden, dass ich gespannt bin, was passiert, wenn Donald Rumsfeld vor dem Kongress sitzt. Er sitzt gewissermaßen auf einem elektrischen Stuhl. Das ist sehr unbequem.

    Heinlein: Wie steht es denn um die politische, moralische Rechtfertigung des Irakkrieges? Ist sie hinfällig geworden in den Augen der Amerikaner durch diese Folterexzesse?

    Feldman: Nein, das nicht. Es gibt die Probleme mit der Begründung des Krieges wegen Massenvernichtungswaffen. Man hat sie nicht gefunden. Aber das ist eine davon abgetrennte Frage.

    Heinlein: Aber wie kann die US-Regierung weiter von Demokratieexport, von Menschenrechten und von Rechtstaatlichkeit reden angesichts dieser Folterbilder?

    Feldman: Ja, es ist sehr schwierig. Sie fragen mich, was die Meinung im Inland ist. Es besteht noch der Wille, dort Demokratie einzuführen. Die Menschen rechtfertigen den Krieg auch zusätzlich auf dieser Grundlage. Das ist eine andere Sache. Aber natürlich sind wir in diesem Unternehmen beschädigt worden. Um unseren Ruf im Nahen Osten steht es sehr schlecht. Aber das ist allgemein bekannt. Das kann aber isoliert werden von der allgemeine Frage, was wir dort im Irak tun sollen.