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"Iran nicht isolieren"

Der Friedensforscher Hans Joachim Gießmann hält im Atomstreit mit dem Iran weiter eine diplomatische Lösung für möglich. "Wichtig ist, dass die Gespräche zwischen den beteiligten Seiten jetzt nicht abgebrochen werden", sagte der Professor vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik. Die Auslagerung der Urananreicherung nach Russland sei ein möglicher Kompromiss, der sowohl von den Vereinten Nationen als auch vom Iran akzeptiert werden könnte.

Moderation: Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Guten Tag, Herr Gießmann!

    Hans Joachim Gießmann: Guten Tag!

    Heinlein: Geben Sie der Diplomatie noch eine Chance?

    Gießmann: Ja, das bleibt abzuwarten. Der politische Druck, der diplomatische Druck auf den Iran, ernsthaft jetzt zu verhandeln und auf die Angebote einzugehen, ist deutlich erhöht worden. Es ist ein Zeitfenster aufgemacht worden, das zumindest noch bis Anfang März reicht, bis der Chef der Atomenergiebehörde, El Baradei, seinen Bericht vorlegen wird. Aber es ist auf jeden Fall ein deutliches Signal nun der fünf Vetomächte im Sicherheitsrat, dass man nicht mit sich umspringen lassen will.

    Heinlein: Haben Sie eine Erklärung, warum China und Russland, die ja lange skeptisch waren in Sachen Sicherheitsrat, nun gestern eingebrochen sind und den USA, England und Frankreich folgen mit ihrem Veto?

    Gießmann: Also, zunächst erst mal denke ich, dass noch nicht klar ist, ob sich beide Länder auch im Zweifelsfall Sanktionen anschließen würden durch den Sicherheitsrat. Aber Fakt ist natürlich, dass beide, sowohl China als auch Russland, keine Interesse an einer atomaren Bewaffnung des Irans haben, weil dies die Sicherheitslage in einer doch sehr kritischen, auch wirtschaftlich kritischen Region der Welt, dramatisch auch zu ihren Ungunsten verschlechtern würde.

    Heinlein: Sie haben erklärt in ihrer ersten Antwort, der Druck auf Teheran ist deutlich erhöht worden. Ist es denn klug, aus Sicht eines Friedensforschers jetzt diese weitere Eskalationsstufe zu beschreiten?

    Gießmann: Ja, Eskalationen sind aus der Perspektive der Friedensforschung sicherlich immer kritisch, andererseits muss man natürlich sehen, dass wir in einer Phase uns befinden, in der die Proliferation von Atomwaffen zu einem tagespolitischen Thema geworden ist und alles getan werden muss, um zu verhindern, dass die Weiterverbreitung von Atomwaffen tatsächlich auch andere Staaten insbesondere auch in kritischen Krisenregionen erreicht. Insofern halte ich das gegenwärtig vorgesehene Verfahren noch für ein relativ moderates Verfahren, um zu einem politischen Resultat, zu einem diplomatischen Ergebnis zu kommen.

    Heinlein: Gab es denn Alternativen zu dieser Entscheidung?

    Gießmann: Ich denke zum gegenwärtigen Zeitpunkt wohl kaum noch, weil schon klar ist, dass die Entwicklungen sowohl in Arak als auch in Natanz, also in den beiden Versuchszentren oder Reaktorzentren des iranischen Atomprogramms, inzwischen eine kritische Schwelle erreicht haben, in der Entscheidungen zu fällen sind. Das heißt, das Zeitfenster für eine diplomatische und politische Lösung beginnt sich auch schon aus technologischen Gründen langsam zu schließen.

    Heinlein: Es sind ja nun, wir haben es gerade gehört, sehr selbstbewusste Töne aus Teheran zu hören. Wie ernst muss man denn diese Töne nehmen oder hat sich Teheran noch ein Hintertürchen offen gelassen, um das Gesicht zu wahren in diesem Streit?

    Gießmann: Ich denke, die Töne waren, verglichen auch mit einigen anderen Äußerungen aus den jüngsten Tagen, durchaus moderat. Sie bewegen sich insofern noch im üblichen Rahmen, als auch mit der Möglichkeit eines Abbruchs der diplomatischen Kontakte gedroht wird. Andererseits muss man natürlich auch sehen, dass der Iran sich in einer schwierigen sicherheitspolitischen Lage befindet. Er ist von Atommächten umgeben, und auch die USA sind in der Region mit Atomwaffen präsent. Es gibt Drohungen gegenüber dem Iran, das heißt also, ich denke, man wird versuchen eine Lösung herauszuschlagen, die die wirtschaftlichen auch mit den sicherheitspolitischen Interessen Irans in Übereinstimmung bringt und es bleibt eben abzuwarten. Wichtig ist, dass die Gespräche zwischen den beteiligten Seiten jetzt nicht abgebrochen werden.

    Heinlein: In der Londoner Erklärung, wenn man sie liest, werden ja vertrauensbildende Maßnahmen angemahnt von Seiten der Vetomächte. Was könnten denn diese vertrauensbildenden Maßnahmen sein, um diese vergiftete Atmosphäre zwischen den beiden Konfliktparteien wieder zu befrieden?

    Gießmann: Ich denke, die wichtigste vertrauensbildende Maßnahme wäre, das aktive Bemühen, den Iran auch in die internationale Diplomatie zurückzuholen, das heißt ihn nicht zu isolieren oder der Eindruck zu erwecken, dass man allein mit militärischem, gar vielleicht aber auch nur mit politischem Druck versucht, das Land aus der Weltgemeinschaft zu isolieren. Da müssen sich auch die Vetomächte an die eigene Nase fassen, denn nach Artikel 6 des Nichtweiterverbreitungsvertrages von Kernwaffen sind sie verpflichtet, alles dafür zu tun, die nukleare Abrüstung voranzutreiben. Also hier gibt es auch eine Bringeschuld der Nuklearwaffen besitzenden Staaten, insbesondere natürlich auch dann in der Region.
    Heinlein: Ein möglicher Ausweg aus der Sackgasse, ein möglicher Kompromiss, ist ja die viel diskutierte Auslagerung der iranischen Urananreicherung nach Russland. Hat dieser Weg noch eine Chance, Herr Gießmann?

    Gießmann: Das ist ein interessanter Vorschlag, und wenn ich die Informationen richtig deute, gibt es zumindest keine komplette Absage aus dem Iran entgegen ursprünglichen vehementen Ablehnungen. Das scheint noch eine Option zu sein, die auch von den anderen Vetomächten Unterstützung findet. Ich denke, sie muss eingehen in das Paket der Verhandlungen, die jetzt stattfinden müssen.

    Heinlein: Hans Joachim Gießmann vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik.