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Iran-Sieg zum WM-Auftakt
Ausgelassene Feiern trotz Sittenwächter

Trotz "Hammergruppe" ist Außenseiter Iran nach dem ersten WM-Spieltag Gruppenerster. Entgegen den Vorstellungen der islamischen Führung wurde in Teheran deshalb ausgiebig gefeiert. Der Auftaktsieg gegen Marokko sorgte für Bilder, die es so im Iran selten gibt - in einem Land, in dem Frauen nicht einmal ins Stadion dürfen. Marina Schweizer hat mit ARD-Korrespondentin Natalie Amiri darüber gesprochen.

Natalie Amiri im Gespräch mit Marina Schweizer | 16.06.2018
    Das Bild zeigt eine Szene am Rande der Fußball-WM-Vorrundenbegegnung zwischen Marokko und dem Iran im Sankt-Petersburg-Stadion. Ein Poster zur Unterstützung von iranischen Frauen zum Besuch in Fußball-Stadien hängt an der Tribüne.
    WM 2018: Ein Poster zur Unterstützung von iranischen Frauen zum Besuch in Fußball-Stadien. (dap-bildfunk / AP / Darko Vojinovic)
    "Ganz Teheran war eine einzige Party, das ist nicht gerade das übliche Bild", sagt Natalie Amiri, ARD-Fernsehkorrespondentin und Leiterin des Studios in Teheran. Sicherheitskräfte hätten die Menschen gewähren lassen. Nach dem späten Siegtor gegen Marokko habe es für viele Iraner kein Halten mehr gegeben. Tausende Menschen feierten einen historischen Erfolg, das 1:0 war der erste iranische Sieg bei einer WM seit 20 Jahren.
    Vor dem Turnier hatte das iranische Regime Public Viewings verboten, aus Angst vor Protesten. Doch die Polizeikräfte hätten nach dem Spiel nicht interveniert und die Menschen feiern lassen, sagt Natalie Amiri über seltene und "berührende" Bilder von der iranischen Bevölkerung. Doch in den meisten Fällen werde die WM nicht öffentlich verfolgt. "Viele Menschen kamen im Privaten zusammen, so wie die Menschen in der islamischen Republik üblicherweise zusammenkommen – hinter verschlossenen Türen, nicht vor den Augen der Sittenwächter", erklärte Amiri.
    Ex-Profi Ali Daei spricht sich für Frauen in iranischen Stadien aus
    Seit fast 40 Jahren werden Frauen im Iran von Fußballspielen ausgeschlossen. Einige hatten sich in der vergangenheit deshalb als Männer verkleidet, um ihre Mannschaft trotzdem anfeuern zu können.
    Bei ihrer Recherche für den ARD-Weltspiegel konnte Amiri mit Irans Fußballlegende Ali Daei sprechen. Daei spielte in Deutschland unter anderem für Bayern München und Hertha BSC. Der ehemalige Nationalspieler hat sich im Interview überraschend deutlich auf die Seite der iranischen Frauen geschlagen, erzählte Amiri. "Seine Worte, die er über Twitter geteilt hat, haben ein großes Echo ausgelöst." Viele Menschen im Iran hofften auf eine Lockerung des Verbots und einen positiven Einfluss auf die Fußball-Kultur im Land.