Christiane Kaess: In Brüssel kommen heute die EU-Staats- und Regierungschefs zu ihrem Gipfeltreffen zusammen. Dabei steht die gemeinsame Energie- und Klimaschutzpolitik im Mittelpunkt. Kanzlerin Angela Merkel leitet als EU-Ratspräsidentin den Gipfel. Sie will die EU-Staaten auf verbindliche Ziele beim Einsatz erneuerbarer Energien und zur Verringerung des CO2-Ausstoßes verpflichten. Ob das gelingt, ist fraglich.
Dem Vorschlag der EU-Kommission, den Ausstoß an Treibhausgasen bis 2020 zum 20 Prozent gegenüber 1990 zu senken, dem haben die EU-Umweltminister im Februar bereits zugestimmt. Eine endgültige Entscheidung müssen aber jetzt die Staats- und Regierungschefs fällen.
Ernst Ulrich von Weizsäcker ist Gründungspräsident des Wuppertaler Instituts für Klima, Energie und Umwelt und lehrt jetzt an der Universität in Kalifornien. Dort haben wir ihn vor der Sendung erreicht. Ich habe ihn zuerst gefragt, ob aus der Sicht des Umweltforschers 20 Prozent weniger Treibhausgase in der EU viel oder wenig sind?
Ernst Ulrich von Weizsäcker: Politisch viel, ökologisch wenig.
Kaess: Was heißt das?
Weizsäcker: Na ja. Wenn man die Treibhausgaskonzentrationen stabilisieren will, muss man minus 60 bis 80 Prozent weltweit kriegen und das unter Einschluss der Länder wie China und Indien, die natürlich mehr und nicht etwa weniger wollen. Das hieße also, die ökologische Aufgabe für Europa oder USA wäre minus 80 bis 90 Prozent, aber das ist natürlich politische Traumtänzerei.
Kaess: Würden Sie so weit gehen, von einer Symbolpolitik zu sprechen?
Weizsäcker: Nein, nein. Es ist wie gesagt politisch mutig, und ich finde es ausgezeichnet, dass Deutschland da auch initiativ ist und die EU wirklich mitmacht. Ich bin sehr dafür, denn irgendwann muss man ja anfangen. Man muss ja eine Dynamik anstoßen, die dann später auch noch mehr erzeugen kann.
Kaess: Es gibt außer diesen Treibhausgasen oder der Einigung dazu eine Vielzahl von anderen Vorschlägen. Die reichen von einer umweltgerechten Gebäudesanierung bis zu einem Emissionshandel für den Flugverkehr. Führt das alles zu einem besseren Klima?
Weizsäcker: Ein besseres Klima ist einfach ein bisschen hoch geschworen. Es wird mit Sicherheit in den nächsten 40 Jahren schlimmer und nicht etwa besser, einfach weil die Treibhausgase sich da oben so lange aufhalten.
Kaess: Wie wird es schlimmer?
Weizsäcker: Das ist nun eine Frage an wirkliche Klimaforscher. Das bin ich nicht. Da fragen Sie die Leute vom Potsdam-Institut oder vom Max-Planck-Institut in Hamburg oder so. Aber man kann ja nach dem Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change, der vor einem Monat in Paris vorgestellt wurde, eindeutig sagen: Es ist vom Menschen gemacht, und die Dramatik nimmt zu. Insbesondere auch der Meeresspiegel ist sehr viel labiler, als wir das vielleicht in der Vergangenheit gedacht haben.
Aber gehen wir zurück zur Politik. Ich bin ja eigentlich eher Politiker. Ich war ja im Bundestag Vorsitzender des Umweltausschusses, und da würde ich sagen, man muss eine Langfriststrategie endlich durchsetzen, statt in Vier-Jahres-Perioden zu denken. Das ist eine hohe Aufgabe für die Politik. Einer der Vorschläge, die ich immer mal wieder gemacht habe, war, dass man ungefähr im Gleichklang mit der Verbesserung der Energieeffizienz die Energie teurer macht, so dass es von Jahr zu Jahr zu Jahr zu Jahr rentabler wird, Energieeffizienz durchzuführen im eigenen Betrieb, im eigenen Haus, im Verkehr und so weiter. Dann hat man vielleicht in 40, 50 Jahren genau das, was wir brauchen.
Kaess: Bei diesem Thema ist allerdings auch stark umstritten, wie viel Treibhausgas jetzt im Falle des EU-Gipfels jedes Land in der EU vermeiden soll. Da sind vor allem die osteuropäischen Staaten wie Polen oder Ungarn, die Zweifel haben, ob sie eine entsprechende CO2-Reduzierung ohne wirtschaftlichen Schaden überhaupt hinbekommen. Ökonomie also gegen Ökologie?
Weizsäcker: Es ist die alte Denke. Während des gesamten 19. Jahrhunderts war es gar keine Frage, dass wirtschaftliches Wachstum und Energieverbrauch vollkommen Hand in Hand gehen. Den größten Teil des 20. Jahrhunderts war es auch so. Das müssen wir abkoppeln. Das ist die eigentliche technologische Herausforderung. Das ist nicht geringer als die Herausforderung der ersten industriellen Revolution, als es eben nur um die Steigerung der Arbeitsproduktivität ging. Jetzt geht es um die Steigerung der Energie- und Ressourcenproduktivität. Ich war ganz begeistert zu sehen, dass die Große Koalition zwischen CDU und SPD damals im Jahr 2005 die Ressourcenproduktivität endlich in den Vordergrund gestellt hat. Dann kann man auch die Osteuropäer überzeugen, dass das Fortschritt und nicht etwa Stagnation ist.
Kaess: Sie haben es schon angesprochen: Die Bemühungen der EU bringen nicht so viel, wenn die USA und Australien, die zum Beispiel nicht Teil des Kyoto-Abkommens sind, sich nicht auch beteiligen. Und die Entwicklungsländer haben bisher auch keinen Beitrag geleistet. Wie kann man denn diese Länder davon überzeugen? Angela Merkel spricht von einer Vorreiterrolle der EU, der dann andere folgen sollen. Sehen Sie das als realistisch?
Weizsäcker: Da gibt es im Wesentlichen zwei Antworten. Eine die: Wenn wir Europäer und im Gleichklang die Japaner technologisch aufzeigen, dass die Erhöhung der Energieeffizienz und in gewissem Umfang der Umstieg auf erneuerbare Energien einfach modern sind und sich auch auf den Aktienmärkten der Welt durchsetzen, dann ist das ein Signal, was auch in Australien und den USA gehört wird, auch in der Wirtschaft bei Wall Street und so weiter.
Das Zweite, mit den Entwicklungsländern: Da muss man einen Schritt machen, der neuerdings auch im Bundestag positiv bewertet wird, nämlich ein Treibhausgas-Handelssystem weltweit, aufgebaut auf Pro-Kopf-Erlaubnissen für Emissionen. Das hieße dann, dass die Inder und Chinesen und Bangladeschis und so weiter in einer ausgezeichneten Handelsposition wären, viele Lizenzen an uns zu verkaufen. Wir müssten dann shopping gehen und das würde einen weltweiten starken Druck in Richtung Verminderung der CO2-Emissionen geben, einen wirtschaftlichen Druck. Auf einmal würde es sowohl in China wie in Deutschland äußerst rentabel, diese Modernisierung voranzutreiben.
Kaess: Herr von Weizsäcker, noch kurz zum Schluss. Sie warnen seit Jahrzehnten vor dem Klimawandel. Im Moment hat das Thema Konjunktur. Haben Sie Hoffnung, dass das Thema länger auf der politischen Tagesordnung bleiben wird?
Weizsäcker: Aber selbstverständlich! Das wird völlig unvermeidlich sein. Solange man ein einzelner Rufer in der Wüste war, war die Chance null, dass das politisch einen Effekt hat. Jetzt, wo es auf einmal alle sagen, haben wir eine gute Chance, dass auch etwas daraus wird.
Kaess: Haben Sie eine Erklärung dafür, warum das Thema gerade jetzt so aktuell geworden ist?
Weizsäcker: Viele Faktoren: der Wirbelsturm Katrina, der Bericht des IPCC, Al Gores Film, auch die politische Frustration in Amerika mit der Rückständigkeit der Regierung Bush. Da gibt es also viele Faktoren. Ich habe das Gefühl, selbst die Chinesen sind aufgewacht. Der 11. Fünf-Jahres-Plan in China ist sozusagen ein Bekenntnis zur Ökologie und zum Klimaschutz.
Kaess: Der Ökologe und Physiker Ernst Ulrich von Weizsäcker war das. Derzeit lehrt er an der Universität in Kalifornien, und wir sprachen über die Klimaschutzziele der Europäischen Union.
Dem Vorschlag der EU-Kommission, den Ausstoß an Treibhausgasen bis 2020 zum 20 Prozent gegenüber 1990 zu senken, dem haben die EU-Umweltminister im Februar bereits zugestimmt. Eine endgültige Entscheidung müssen aber jetzt die Staats- und Regierungschefs fällen.
Ernst Ulrich von Weizsäcker ist Gründungspräsident des Wuppertaler Instituts für Klima, Energie und Umwelt und lehrt jetzt an der Universität in Kalifornien. Dort haben wir ihn vor der Sendung erreicht. Ich habe ihn zuerst gefragt, ob aus der Sicht des Umweltforschers 20 Prozent weniger Treibhausgase in der EU viel oder wenig sind?
Ernst Ulrich von Weizsäcker: Politisch viel, ökologisch wenig.
Kaess: Was heißt das?
Weizsäcker: Na ja. Wenn man die Treibhausgaskonzentrationen stabilisieren will, muss man minus 60 bis 80 Prozent weltweit kriegen und das unter Einschluss der Länder wie China und Indien, die natürlich mehr und nicht etwa weniger wollen. Das hieße also, die ökologische Aufgabe für Europa oder USA wäre minus 80 bis 90 Prozent, aber das ist natürlich politische Traumtänzerei.
Kaess: Würden Sie so weit gehen, von einer Symbolpolitik zu sprechen?
Weizsäcker: Nein, nein. Es ist wie gesagt politisch mutig, und ich finde es ausgezeichnet, dass Deutschland da auch initiativ ist und die EU wirklich mitmacht. Ich bin sehr dafür, denn irgendwann muss man ja anfangen. Man muss ja eine Dynamik anstoßen, die dann später auch noch mehr erzeugen kann.
Kaess: Es gibt außer diesen Treibhausgasen oder der Einigung dazu eine Vielzahl von anderen Vorschlägen. Die reichen von einer umweltgerechten Gebäudesanierung bis zu einem Emissionshandel für den Flugverkehr. Führt das alles zu einem besseren Klima?
Weizsäcker: Ein besseres Klima ist einfach ein bisschen hoch geschworen. Es wird mit Sicherheit in den nächsten 40 Jahren schlimmer und nicht etwa besser, einfach weil die Treibhausgase sich da oben so lange aufhalten.
Kaess: Wie wird es schlimmer?
Weizsäcker: Das ist nun eine Frage an wirkliche Klimaforscher. Das bin ich nicht. Da fragen Sie die Leute vom Potsdam-Institut oder vom Max-Planck-Institut in Hamburg oder so. Aber man kann ja nach dem Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change, der vor einem Monat in Paris vorgestellt wurde, eindeutig sagen: Es ist vom Menschen gemacht, und die Dramatik nimmt zu. Insbesondere auch der Meeresspiegel ist sehr viel labiler, als wir das vielleicht in der Vergangenheit gedacht haben.
Aber gehen wir zurück zur Politik. Ich bin ja eigentlich eher Politiker. Ich war ja im Bundestag Vorsitzender des Umweltausschusses, und da würde ich sagen, man muss eine Langfriststrategie endlich durchsetzen, statt in Vier-Jahres-Perioden zu denken. Das ist eine hohe Aufgabe für die Politik. Einer der Vorschläge, die ich immer mal wieder gemacht habe, war, dass man ungefähr im Gleichklang mit der Verbesserung der Energieeffizienz die Energie teurer macht, so dass es von Jahr zu Jahr zu Jahr zu Jahr rentabler wird, Energieeffizienz durchzuführen im eigenen Betrieb, im eigenen Haus, im Verkehr und so weiter. Dann hat man vielleicht in 40, 50 Jahren genau das, was wir brauchen.
Kaess: Bei diesem Thema ist allerdings auch stark umstritten, wie viel Treibhausgas jetzt im Falle des EU-Gipfels jedes Land in der EU vermeiden soll. Da sind vor allem die osteuropäischen Staaten wie Polen oder Ungarn, die Zweifel haben, ob sie eine entsprechende CO2-Reduzierung ohne wirtschaftlichen Schaden überhaupt hinbekommen. Ökonomie also gegen Ökologie?
Weizsäcker: Es ist die alte Denke. Während des gesamten 19. Jahrhunderts war es gar keine Frage, dass wirtschaftliches Wachstum und Energieverbrauch vollkommen Hand in Hand gehen. Den größten Teil des 20. Jahrhunderts war es auch so. Das müssen wir abkoppeln. Das ist die eigentliche technologische Herausforderung. Das ist nicht geringer als die Herausforderung der ersten industriellen Revolution, als es eben nur um die Steigerung der Arbeitsproduktivität ging. Jetzt geht es um die Steigerung der Energie- und Ressourcenproduktivität. Ich war ganz begeistert zu sehen, dass die Große Koalition zwischen CDU und SPD damals im Jahr 2005 die Ressourcenproduktivität endlich in den Vordergrund gestellt hat. Dann kann man auch die Osteuropäer überzeugen, dass das Fortschritt und nicht etwa Stagnation ist.
Kaess: Sie haben es schon angesprochen: Die Bemühungen der EU bringen nicht so viel, wenn die USA und Australien, die zum Beispiel nicht Teil des Kyoto-Abkommens sind, sich nicht auch beteiligen. Und die Entwicklungsländer haben bisher auch keinen Beitrag geleistet. Wie kann man denn diese Länder davon überzeugen? Angela Merkel spricht von einer Vorreiterrolle der EU, der dann andere folgen sollen. Sehen Sie das als realistisch?
Weizsäcker: Da gibt es im Wesentlichen zwei Antworten. Eine die: Wenn wir Europäer und im Gleichklang die Japaner technologisch aufzeigen, dass die Erhöhung der Energieeffizienz und in gewissem Umfang der Umstieg auf erneuerbare Energien einfach modern sind und sich auch auf den Aktienmärkten der Welt durchsetzen, dann ist das ein Signal, was auch in Australien und den USA gehört wird, auch in der Wirtschaft bei Wall Street und so weiter.
Das Zweite, mit den Entwicklungsländern: Da muss man einen Schritt machen, der neuerdings auch im Bundestag positiv bewertet wird, nämlich ein Treibhausgas-Handelssystem weltweit, aufgebaut auf Pro-Kopf-Erlaubnissen für Emissionen. Das hieße dann, dass die Inder und Chinesen und Bangladeschis und so weiter in einer ausgezeichneten Handelsposition wären, viele Lizenzen an uns zu verkaufen. Wir müssten dann shopping gehen und das würde einen weltweiten starken Druck in Richtung Verminderung der CO2-Emissionen geben, einen wirtschaftlichen Druck. Auf einmal würde es sowohl in China wie in Deutschland äußerst rentabel, diese Modernisierung voranzutreiben.
Kaess: Herr von Weizsäcker, noch kurz zum Schluss. Sie warnen seit Jahrzehnten vor dem Klimawandel. Im Moment hat das Thema Konjunktur. Haben Sie Hoffnung, dass das Thema länger auf der politischen Tagesordnung bleiben wird?
Weizsäcker: Aber selbstverständlich! Das wird völlig unvermeidlich sein. Solange man ein einzelner Rufer in der Wüste war, war die Chance null, dass das politisch einen Effekt hat. Jetzt, wo es auf einmal alle sagen, haben wir eine gute Chance, dass auch etwas daraus wird.
Kaess: Haben Sie eine Erklärung dafür, warum das Thema gerade jetzt so aktuell geworden ist?
Weizsäcker: Viele Faktoren: der Wirbelsturm Katrina, der Bericht des IPCC, Al Gores Film, auch die politische Frustration in Amerika mit der Rückständigkeit der Regierung Bush. Da gibt es also viele Faktoren. Ich habe das Gefühl, selbst die Chinesen sind aufgewacht. Der 11. Fünf-Jahres-Plan in China ist sozusagen ein Bekenntnis zur Ökologie und zum Klimaschutz.
Kaess: Der Ökologe und Physiker Ernst Ulrich von Weizsäcker war das. Derzeit lehrt er an der Universität in Kalifornien, und wir sprachen über die Klimaschutzziele der Europäischen Union.