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Irland
Biografie über eine eigenwillige Frau

Über die irische Revolutionärin, Feministin und selbst ernannte Nationalheldin Edith Maud Gonne MacBride ist schon einiges geschrieben worden, inklusive einer Autobiografie aus dem Jahr 1853. Elsemarie Maletzke hat jetzt die erste deutschsprachige Biografie über sie verfasst. Darin mangelt es allerdings an der geschichtlichen Einordnung.

Von Tanya Lieske | 11.07.2016
    Edith Maud Gonne (1866-1953)
    Edith Maud Gonne (1866-1953) (imago / Leemage)
    Edith Maud Gonne, am 21. Dezember 1966 in der Grafschaft Surrey in England geboren, war die Tochter eines Hauptmanns der britischen Kavallerie. Maud Gonne wurde in Frankreich erzogen und bewegte sich als junge Frau im Dunstkreis des englischen Hofs. Aufgrund ihrer legendären Schönheit bot sich ihr mehr als eine Chance, an der Seite eines gut situierten Mannes ein ruhiges Leben zu führen. Stattdessen bestieg Maud Gonne mit 21 Jahren im Winter 1887 den Nordexpress von Paris nach St. Petersburg, in ihrem Muff eine Depesche an den Zaren. Der sollte sich für eine Allianz mit Frankreich und gegen Preußen entscheiden, das war jedenfalls der Plan, den Maud Gonne und ihr Geliebter, der rechts gerichtete französische Politiker Lucien Millevoye, ausgeheckt hatten.
    Auch wenn daraus nichts werden sollte, Maud Gonne hatte ihre politische Initiation erlebt. Der fortwährende Versuch, möglichst direkt in das Rad der Geschichte einzugreifen, verliehen ihrem Leben Glanz, Rastlosigkeit und einen Hauch von Vergeblichkeit. In einem Schlüsselerlebnis wurde Maud Gonne Zeuge, wie eine irische Familie von ihrem gepachteten Land vertrieben wurde.
    "Maud sollte die entsetzliche Armut, die Kälte, die Not der Ausgesetzten und ihre eigene Hilflosigkeit nie vergessen. Dem Büttel, der mit seinem Trupp von Haus zu Haus zog, wünschte sie von Herzen den Tod. 'Ich bin von Natur aus Pazifistin, aber die Engländer zwingen uns den Krieg auf, und das erste Gesetz im Krieg ist, den Feind zu töten'",
    schreibt und zitiert Elsemarie Maletzke, die die erste deutschsprachige Biografie von Maud Gonne verfasst hat. Es gibt frühere Arbeiten von Nancy Cardozo aus den USA, von Margaret Ward aus Großbritannien und natürlich Maud Gonnes Autobiografie von 1953, in der sie allerdings etliche Lücken lässt und biografische Details verheimlicht. Das lässt Rückschlüsse auf ihr Anliegen Charakter.
    Maud Gonne lebte lange, sie wurde 87 Jahre alt, und sie führte in Dublin das späte Leben einer Frau, die zur Ikone geworden war. Maud Gonne stilisierte sich selbst zur weiblichen Nationalheldin im Kampf um Irlands Unabhängigkeit, zu einer Art irischer Jeanne d'Arc. Eine Bezeichnung, die sich im Titel ihrer englischen Biografie wieder findet, der Maletzke zum Glück aber nicht folgt. Vielmehr wahrt die Autorin Maletzke einen sorgfältig justierten Abstand zu allen heroischen und nationalistischen Tönen, die Maud Gonnes Lebensweg säumten. Am 17. März 1891, es war der Nationalfeiertag der Iren, hielt Gonne eine Rede in Paris:
    "Meine Herren, Englands jahrhundertelange Tyrannei über Irland ist ein Verbrechen gegen Gott und die Menschheit. Ihr großer Dichter Victor Hugo hat den Hunger ein öffentliches Verbrechen genannt und dieses Verbrechen verübt England an Irland vorsätzlich und mit kalter Berechnung. Sie fragen, wonach wir streben? Ich werde es Ihnen sagen: Wir, das sind drei Dinge: Eine Rasse, ein Volk und eine Demokratie, und aus diesen drei Dingen wollen wir eine Nation schmieden."
    Keine Beschönigungen
    Auch wenn das Wort der "Rasse" damals einen anderen Klang hatte als heute, darf man es Elsemarie Maletzke zugutehalten, dass sie nichts beschönigt.
    Mit einigem Rechercheaufwand hat sie die politische Biografie einer Frau geschrieben, in der sich rechtsnationale Anschauungen mit sozialistischen Narrativen mischten, das ist einer von vielen Widersprüchen, die Maud Gonnes Weg säumten. Maletzke beschreibt sehr anschaulich ihr Auftreten in Herrenklubs und Herrenhäusern, in Armenküchen, in Geheimgesellschaften und auf politischen Versammlungen.
    Die vielen stupenden Details, mit denen die Autorin hier aufwartet - sie hat Briefe und Tagebücher, politische Schriften, historische Abhandlungen, Lyrik und Prosa, Quellen im Web und in Archiven berücksichtigt - stehen sowohl für die Stärke als auch die Schwachstelle ihres Unterfangens. Alles, was man zu Maud Gonne möglicherweise wissen will, erfährt man hier. Die Einordnung und Deutung dieser Fakten überlässt Elsemarie Maletzke aber weitestgehend ihren Lesern.
    Der Mensch Maud Gonne entzieht sich, und das hätte sie wahrscheinlich gut geheißen. Kaum beleuchtet werden die Ursachen für ihren lebenslangen Fanatismus, für ihre unkonventionelle Rolle als Frau in einer von Männern geprägten Welt, die Geheimniskrämerei um ihre gescheiterte Ehe mit dem Revolutionär John MacBride, um ihre beiden unehelichen Kinder. Was schließlich die Verbindung zum Nationaldichter William Butler Yeats angeht, so verharrt die Biografin in den Grenzen dessen, was man schon wusste.
    "Maud sollte Yeats' Muse und Furie werden, sein Phönix und sein Gestirn, die Rose der Welt, Cathleen ni Houlihan und Pallas Athene."
    Schreibt Maletzke in Anspielung auf die Metaphern des Dichters. Wenigstens vier Mal hat Yeats um ihre Hand angehalten. "The world will not thank me for marrying you", soll Maude Gonne erwidert haben – gemeint war, dass sie als Muse des Dichters eine größere Wirkung haben würde denn als Ehefrau. Die Geschichte hat ihr leider recht gegeben, in jeder Hinsicht. Während sich Yeats in dem halben Jahrhundert, das ihre eigentümliche Begegnung währte, ein Lebenskunstwerk schuf und sich immer größerem Ruhm entgegenschrieb, droht Maud Gonnes eher fragmentarisches Wirken in Vergessenheit zu geraten. Sie bleibt die große schöne Unbekannte, die wie ein Wirbelsturm durch das Leben eines Dichters und durch Irlands Geschichte fegte. Auch nach der Lektüre von Elsemarie Maletzkes neuer Biografie.
    Elsemarie Maletzke: "Maud Gonne: Ein Leben für Irland", Inselverlag 2016, 24,96 Euro