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Irland und Nordirland zum Brexit
Die Angst vor der harten Grenze

Irland und Nordirland sorgen sich um die Folgen des Brexits. Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und NGOs aus beiden Ländern trafen sich deswegen zu einem Dialoggipfel in Dublin. Auch mit dem Ziel, der irischen Regierung einen Ideenkatalog zur Orientierung bei den Brexit-Verhandlungen vorzulegen.

Von Friedbert Meurer | 17.02.2017
    Anti-Brexit-Schild an der Grenze zwischen Irland und Nordirland.
    Die grenznahen Gemeinden in Nordirland lehnen den Brexit ab. (imago stock&people)
    Einen besseren Tagungsort als Schloss Dublin hätte man kaum wählen können. Hier fand 2004 die offizielle Zeremonie der EU statt, als die Union um zehn neue Staaten erweitert wurde. Und bis 1922 residierte auf Schloss Dublin die britische Verwaltung, bevor Irland unabhängig wurde. Heute aber herrschten besorgte Mienen vor. Irland und Nordirland sorgen sich vor den Folgen des Brexit. Ministerpräsident Enda Kenny:
    "Unsere Mitgliedschaft in der EU bringt uns enorme Vorteile. Die Bevölkerung Irlands hat diese Mitgliedschaft immer wieder unterstützt. Der EU-Binnenmarkt und die Zollunion sind für unsere Wirtschaftsstrategie absolut fundamental."
    "Wir hören diese Plattitüden von der reibungslosen Grenze die ganze Zeit"
    Die britische Premierministerin Theresa May aber will das Vereinigte Königreich aus beiden herausführen, aus dem Binnenmarkt und aus der Zollunion. London will Zölle mit Irland vermeiden – und wenn, dann bedeute das nicht die Rückkehr zu Zollkontrollen alten Stils. Die Nordirland-Direktorin des britischen Unternehmerverbands, Angela McGovan, wischt das fast schon verärgert beiseite.
    "Wir hören diese Plattitüden von der naht- und reibungslosen Grenze die ganze Zeit. Ich habe noch von keiner praktikablen Lösung gehört. Aber selbst wenn es innovative elektronische Zollkontrollen gibt, dann wird es die Unternehmen Geld kosten, wenn es zwischen Irland und Nordirland eine Grenze gibt."
    Einzelne Redner gaben ihrer Hoffnung Ausdruck, die Briten würden sich das mit dem Brexit noch einmal anders überlegen, wenn die Folgen deutlich werden. Aber die vage Hoffnung teilen nur wenige, vor allem nicht der Chef der nordirischen Sinn-Fein-Partei, Gerry Adams. Er will für Nordirland einen EU-Sonderstatus.
    "Die irische Regierung lehnt diesen Sonderstatus innerhalb der EU für den Norden ab. Das ist ein großer Fehler. Ohne diesen Status wird eine harte Grenze unvermeidlich."
    Auf welcher Seite der Verhandlungen steht Dublin eigentlich?
    Am Ende des gesamt-irischen Dialogs mit seinem heute zweiten Treffen und diversen Arbeitsgruppen soll ein Ideenkatalog stehen, der der irischen Regierung bei den Brexit-Verhandlungen eine Orientierung geben soll. Zum Beispiel auch in der Frage, auf welcher Seite der Verhandlungen steht Dublin eigentlich? Auf der Seite der EU oder auf der Großbritanniens, von dem man als kleiner Nachbar immer noch recht abhängig ist. Irlands Premier Kenny:
    "Wenn die britische Premierministerin den EU-Austritt nach Artikel 50 beantragt, dann stehen wir vor den wichtigsten Verhandlungen in unserer Geschichte seit der Unabhängigkeit. Eines ist dabei völlig klar: Irland wird am Verhandlungstisch auf der Seite der EU und ihrer 27 Mitgliedsstaaten sitzen."
    Enda Kenny wird dann selbst persönlich wahrscheinlich nicht mehr dabei sein. Der Dialoggipfel in Dublin wurde heute ein wenig auch geprägt von immer deutlicheren Hinweisen, dass Kenny seinen Chefposten als irischer Ministerpräsident nach sechs Jahren Amtszeit vielleicht schon im kommenden Monat räumen wird.