Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Irland
Wachstum nach der Krise

Die Immobilienkrise in Irland führte 2010 zu einer Bankenkrise - und zum Kollaps der aufgeblähten Baubranche. Die EU schnürte mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) ein Rettungspaket. Für drei Jahre stand das Land unter Vormundschaft. Wie geht es Irland heute?

Von Martin Alioth | 14.08.2018
    Dublin, Irland. Stadtübersicht bei Regen. Mitte: Katholische Augustinius John's Lane Church und die Türme der mittelalterliche Christ Church Cathedral. Blick vom Dachrestaurant der Guinness-Brauerei.
    Endlich gibt es in Dubllin wieder Baukräne. Nach der Immobilienkrise 2010 war die Baubranche größtenteils kollabiert (dpa / picture alliance)
    Nach der Wirtschaftskrise mussten die Bürger der irischen Hauptstadt Dublin lange Jahre auf einen beliebten Zeitvertreib verzichten: Das Zählen von Baukränen. Sie verschwanden, zusammen mit weiten Teilen des Bausektors. Doch inzwischen darf man wieder zählen - der Himmel über der Hauptstadt gleicht in gewissen Vierteln einem Nadelkissen.
    Als die Troika das Regiment übernahm, befand sich Irland schon mitten in einem schmerzhaften Sparprogramm. War das alles zu brutal? Dan O'Brien ist der Chefökonom der Denkfabrik IIEA, des irischen Europainstituts, sagt Irland habe 2010 schlicht keine Wahl gehabt, weil es pleite war. In anderen Ländern wie Deutschland habe es durchaus eine Debatte über zusätzliche staatliche Ausgaben während der Krise gegeben, aber nicht so in Irland.
    Irische Exporte gingen auch während der Krise weiter
    Je nach Berechnungsmethode schrumpfte der Staat in diesen Jahren um ein Siebtel oder gar ein Fünftel der Wirtschaftsleistung. Steuern stiegen, staatliche Leistungen und Löhne sanken. Das Land gewann seine Glaubwürdigkeit bei den Investoren wieder - um einen hohen Preis. Hätte man das weniger schmerzhaft gestalten können?
    "Die irischen Politiker haben wohl das Bestmögliche herausgeholt", meint O'Brien. Das entschuldige die politischen Versäumnisse aber nicht, die massiv zur Krise beigetragen hatten. Letztes Jahr erreichte die offizielle Messzahl für das Wirtschaftswachstum 7,2 Prozent. Warum hat sich Irland so viel schneller erholt als die anderen Euro-Patienten?
    O'Brien nennt einen Hauptgrund: "Irland ist stärker globalisiert." Die riesigen Exporte gingen auch während der Krise weiter und hielten die zerstörte Binnenwirtschaft einigermaßen über Wasser.
    Staatsschuld pro Kopf ist während der Krise stark angeschwollen
    Gerade für die irische Wirtschaft sei die Beschäftigung die beste Maßzahl. Die Kurve gleicht einer Achterbahn: In den ersten 70 Jahren seit der Unabhängigkeit stagnierte die Zahl der Arbeitsplätze. In den nächsten zwölf Jahren verdoppelte sie sich - das war der keltische Tiger. Dann kam die Krise und ein Einbruch um rund 15 Prozent. Der sei inzwischen wieder aufgeholt. Jetzt sei die Wirtschaft erholt und größer als jemals zuvor.
    Das heißt indessen nicht, dass alles rosig ist. O'Brien weist darauf hin, dass die immer noch weitgehend verstaatlichten Banken auf allzu vielen faulen Krediten sitzen. Die Staatsschuld pro Kopf ist während der Krise stark angeschwollen, und: "Ein harter Brexit und ein transatlantischer Handelskrieg würden die mühselig errungene Erholung erneut zunichte machen."