Eine junge Frau, 19 Jahre alt, immer gekleidet in einen schwarzen Schleier, der ihren ganzen Körper bedeckt, zu sehen ist nur ihr Gesicht mit großen dunklen Augen. Dieses Bild fehlt in diesen Tagen in keiner britischen Zeitung. Es ist Shamima Begum, geboren und aufgewachsen in London. Vor vier Jahren hat sie sich dem IS angeschlossen, heute lebt sie in einem Lager im Norden Syriens. Ein Reporter der Times hat sie dort vor wenigen Tagen aufgespürt
"Hast Du jemals Hinrichtungen gesehen, wird sie gefragt. Nein das nicht, sagt sie, aber ich habe abgetrennte Köpfe im Mülleimer gesehen. Köpfe im Mülleimer, was hast Du da gedacht? Es hat mich nicht weiter beunruhigt."
Heirat mit einem IS-Kämpfer
Dieses Interview mit der Times hat hohe Wellen geschlagen. Das liegt an dem saloppen Ton, mit dem die junge Frau über den IS erzählt. Aber es liegt auch daran, dass Shamima Begum dem Reporter sagt, dass sie zurück will nach London. Sie wolle jetzt ein ruhiges Leben. Als 15-Jährige ist Shamima Begum aus ihrem Londoner Elternaus geflohen. Mutter und Vater stammen aus Bangladesch. Jung und radikalisiert hat sie im syrischen Rakka einen IS-Kämpfer geheiratet und sie hat dort mitbekommen, dass der IS auch in Europa aktiv ist – zum Beispiel beim Anschlag auf ein Popkonzert in Manchester vor zwei Jahren mit 22 Toten. Shamima Begum dazu gegenüber einem BBC-Reporter.
" Frauen und Kinder töten ist nicht richtig. Aber Frauen und Kinder werden auch hier in Syrien getötet, mit Bomben. Es beruht auf Gegenseitigkeit, der Terror in Europa ist wie eine Vergeltung – das sagen die Leute beim Islamischen Staat und für mich war das eine Rechtfertigung."
Mangelnde Reue sorgt für Schlagzeilen
Spätestens mit diesem Interview, und mit dieser mangelnden Reue hat Shamima Begum für einen landesweiten Aufschrei in Großbritannien gesorgt. Vor allem die Boulevard-Zeitungen schreien in großen Buchstaben: Gnade mit Dir – wie kommst Du darauf? Und im Privatfernsehen kommen die Angehörigen von Terror-Opfern zu Wort, so wie diese Frau, die in Manchester ihre Eltern verloren hat.
"Sie sollte bleiben, wo sie ist. Sie ist nicht ehrlich. Der einzige Grund, warum Shamima Begum zurück will ist, weil es ihr zu gefährlich ist in Syrien. Sie sagt ja selbst, dass sie beim IS ein gutes Leben hatte – und jetzt ist ihr die Gefahr auf einmal zu groß. "
Staatsangehörigkeit soll entzogen werden
Der britische Innenminister Sajid Javid hat inzwischen Schritte eingeleitet, um Shamima Begum die britische Staatsangehörigkeit entziehen – ihre Eltern stammten schließlich aus Bangladesch, sie könne deshalb dorthin gehen.
Menschenrechtsaktivisten und Freunde der Familie schlagen allerdings Alarm. Die junge Frau sei als Britin groß geworden und in diesem Land auch radikalisiert worden. Deshalb müsse sich Großbritannien auch um ihre Rückkehr kümmern und falls nötig, müsse sie in Großbritannien vor Gericht. Dal Babu ist ehemaliger Polizist und vertritt die Eltern von Shamima Begum.
"Es gibt keine Beweise dafür, dass sie selbst an Kämpfen beteiligt war. Wir wissen, dass sie ein naives Mädchen ist, das eine Gehirnwäsche hinter sich hat. Wer sich ihre Interviews anhört, der merkt doch sofort: Da spricht ein Mensch mit einem ernsthaften psychischen Problem."
Die Regierung in Bangladesch hat inzwischen erklärt, dass sie sich nicht zuständig sieht für die junge Frau und ihr vor wenigen Tagen neu geborenes Kind. Für Shamima Begum könnte das heißen, dass sie noch für lange Zeit in einem rechtlichen Niemandsland lebt und in einem syrischen Flüchtlingslager.