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IS-Terrormiliz in Syrien
Türkei schließt erstmals Bodentruppen nicht aus

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu hat den Vorwurf, sein Land unterstütze radikale Kräfte wie die IS-Terrormiliz, entschieden zurückgewiesen. Eine Zeitung, die dafür Beweise gefunden haben will, hat nun Ärger mit der Justiz. Zudem hat er gegenüber der britischen BBC die Entsendung von Bodentruppen in das Nachbarland nicht ausgeschlossen.

Von Reinhard Baumgarten |
    Türkische Sicherheitskräfte während eines Schusswechsels in Instanbul.
    Sind türkische Sicherheitskräfte bald auch in Syrien im Einsatz? Das schließt die Türkei nicht mehr aus. (AFP / Ozan Kose)
    "Momentan möchte niemand Bodentruppen nach Syrien schicken", sagt der türkische Regierungschef Ahmet Davutoğlu in einem Interview mit der britischen BBC. Der BBC-Reporter Jeremy Bowen hakt nach und bekommt diese Antwort. "Wenn es eine Drohung gegen türkische Interessen und gegen unser Land gibt - von wem auch immer - dann werden wir all unsere Macht nutzen, ob die Luftwaffe oder andere Kräfte, um die zu bestrafen, die die Türkei angreifen."
    Das klingt in wichtigen Nuancen anders als noch vor 17 Tagen. Am 27. Juli hatte Ahmet Davutoğlu den Einsatz türkischer Truppen in Syrien zur Einrichtung und Sicherung einer Sicherheitszone für Flüchtlinge noch gänzlich ausgeschlossen. Diese Sicherheitszone soll mit amerikanischer Hilfe geschaffen werden und auf syrischer Seite der gemeinsamen Grenze ein Gebiet von knapp 100 Kilometer Länge und 45 Kilometer Breite umfassen. Nun formuliert Regierungschef Davutoğlu eine Voraussetzung für die Nicht-Entsendung eigener Kräfte. "Wenn die moderaten Kräfte in Syrien stark genug sind, dann wird es für kein Land - inklusive der Türkei - nötig sein, Bodentruppen zu entsenden. Wichtig ist, moderate syrische Kräfte in Syrien zu stärken."
    Türkei dementiert Hilfe für IS-Miliz
    Das ist der Türkei bisher nicht gelungen. Stattdessen wird Ankara vorgeworfen, radikale Kräfte wie die Terrormiliz Islamischer Staat zu unterstützen. Die Türkei habe niemals die IS-Terrormiliz oder eine mit ihr verbandelte Gruppe unterstützt, beharrt Davutoğlu in dem BBC-Interview. Gab es Unterstützung für die islamistische Nusra-Front?
    "Nein, niemals. Wir haben nur jene unterstützt, die den Grausamkeiten Assads entkommen sind - den Chemiewaffen und Fassbomben. Es ist eine ungerechte Anschuldigung gegen die Türkei, für die es keinerlei Beleg gibt. Wenn jemand dafür Beweise hat, dann soll er die auf den Tisch legen."
    Anfang Juni berichtete die liberale Zeitung "Cumhuriyet" über mutmaßliche Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an Islamisten in Nordsyrien. Türkische Sicherheitskräfte hatten in der Provinz Adana einen Lastwagen gefilzt, der dem Bericht zufolge Medikamente und darunter verborgene Waffen transportierte. Es gab eine Nachrichtensperre über den Vorfall und es gab eine Strafanzeige von höchster Stelle gegen den Chefredakteur Can Dündar.
    Klage gegen Chefredakteur angekündigt
    Dafür werde Dündar bitter büßen, wetterte Präsident Erdoğan, der komme ihm nicht so leicht davon. "Denn diese Zeitung ist jetzt Teil dieser ganzen Spionage geworden. Ich habe meine Anwälte angewiesen, unverzüglich eine Klage einzureichen. Sie haben einen Prozess in die Wege geleitet."
    Die Mühlen der türkischen Justiz mahlen nun gegen Dündar. Wie stichhaltig dessen Behauptungen oder gar Beweise sind, weiß niemand. Wie auch? Wenn es einen Eingriff in die Tätigkeiten des Geheimdienstes gebe, erklärt Präsident Erdoğan, dann müsse das zunächst einmal vom Geheimdienstchef genehmigt werden. "Der LKW-Stopp und die Durchsuchungen sind nichts weiter als der Versuch, die Türkei international in Verruf zu bringen."