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Is was?! Aufreger der Woche
Hackordnung als Hausordnung

„Hej Boss, ich brauch mehr Geld“, sang Gunter Gabriel vor Jahren. Oder war’s vor einer Ewigkeit? Die Einkommensschere ist weit offen, die Gerechtigkeitslücke klafft. Und im Background klingt es demütig wie: „Hej Boss, du brauchst mehr Geld!“

Von Stefan Reusch | 14.06.2019
Eine Frau geht an einem Banner für die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in Frankreich 2019 am Stadion Roazhon Park vorbei.
Ungerechtigkeiten nicht nur beim Fussball (dpa / picture alliance / Sebastian Gollnow)
Jetzt weiß man das auch noch: Bei den großen deutschen DAX- notierten Firmen bekommen die Angestellten sehr viel weniger als ihre Bosse. Bisher wusste man: Frauen bekommen für gleiche Arbeit weniger als Männer. Zum Beispiel beim Frauenfußball. So entrüstete sich kürzlich einer mir gegenüber. Ja, eineR. Anschließend habe ich ihn darauf aufmerksam gemacht, dass ein Busfahrer ja auch weniger verdiene als ein Rennfahrer, weil der eine ist halt Profi, während - okay...
Fliegendreck!
Zurück zum Unterschied in der Bezahlung bei den DAX-Unternehmen. Dort erhalten Mitarbeiter im Durchschnitt knapp zwei Prozent eines Vorstandsgehaltes. Und diese Zwei-Prozent- Mitarbeiter sind 100-Prozent-Profis, anders als die meisten unterbezahlten Fußballerinnen, die - Egal: Zwei Prozent ist ein Fliegendreck!
Wer rechnet sich weniger?
Ach? Schauen wir mal über den deutschen Tellerrand: Gut vier Millionen Euro verdient Jeff Bezos, der Amazon–Chef – pro Stunde! Zwei Prozent davon – wären 80.000 pro Stunde. Dafür würde ein Amazon-Mitarbeiter gerne auch mal ’ne Überstunde schieben, nicht jeder vielleicht, aber der eine oder andere. Der kriegt aber nur "nullkommanullbisschen" Prozent vom Chef–Gehalt. Und viel weniger - relativ wie absolut - als der deutsche Zwei-Prozentler.
Ja ja ja: Eine Ungerechtigkeit wird nicht besser durch eine größere andere. Und wenn jemand sauschlecht bezahlt wird, muss der sich nicht noch freuen, dass es anderen noch schlechter geht, die sich - im Marktsprech - "weniger rechnen". Oder gar nicht.
Erst das Fressen, dann die Moral?
Zum Beispiel männliche Küken. Da gab es gestern ein bemerkenswertes Urteil. Die Richter bestätigten: Man darf, laut Gesetz, kein Tier ohne vernünftigen Grund umbringen. Tierschutz steht über Wirtschaftlichkeit.
Das "Du darfst nicht schreddern" über dem "Wir haben das aber immer so gemacht". Kurz: Schützen ist moralischer als Töten, nur: Töten ist billiger. Erst das Fressen, dann die Moral? Jawohl. Schreddern gewinnt, urteilten die Richter, als Übergangslösung. Aber unbefristet. Also vorläufig, aber für immer.
Hackordnung als Hausordnung
Tja: "It’s the economy, stupid". Also: "Du Dax-Unternehmens-Mitarbeiter, du solltest wirklich mehr Geld kriegen, und du, Fußballerin auch – na ja, vielleicht nee - Egal: Aber schau: der Amazon-Arbeiter kriegt noch weniger, und andere werden sogar geschreddert!" Also freut euch, und passt auf, dass ihr euch rechnet. Denn so ist nun mal die Hausordnung - eine Hackordnung...