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Is was!?
Der satirische Wochenrückblick

Eine Woche nach den Anschlägen von Paris erscheint die neue Ausgabe des Satire-Magazins "Charlie Hebdo". Wieder mit dem Propheten Mohammed auf dem Cover. Wieder wird diskutiert, ob diese Provokation nötig ist. Diskutiert wird auch in der sogenannten "Lügenpresse" - eine Bezeichnung, die jetzt sogar zum Unwort des Jahres gewählt wurde.

Von Stefan Reusch |
    Blumen und die aktuelle "Charlie Hebdo"-Ausgabe vor der Redaktion des Satiremagazins
    In der Türkei hat ein Gericht die Sperrung von Internetseiten angeordnet, die das Titelblatt des neuen "Charlie Hebdo"-Hefts zeigen (Joel Saget/AFP)
    Dass Pegida es wagte "je suis Charlie" zu rufen, war anmaßend. Setzten sich einfach auf den Protestzug mit drauf. Aber was tat die von Pegida als "Lügenpresse" beschimpfte Medienlandschaft anderes? Sie machte aus den Ereignissen von Paris einen Anschlag auf die gesamte Meinungsfreiheit.
    Nun galt der Anschlag nicht dem "Spiegel" oder der "Bild", und zudem: Der Anschlag war vor allem mehrfacher Mord. Mord aus niedrigsten Beweggründen. Paradiesprivilegien halber. Von einem Anschlag auf die Meinungsfreiheit zu schreiben, das wertet diese Morde auf, zum einen; zum andern klopfte sich damit die Presse ordentlich selbst auf die Schulter: Wir alle sind attackiert worden. Die Stifte zum Himmel.
    Und dann wurde auch noch "Lügenpresse" Unwort des Jahres.
    Wahr, unwahr? Folgendes: Eine ultraorthodoxe jüdische Zeitung hat Frau Merkel aus einem Foto per Retusche verschwinden lassen. Das Foto zeigt furchtlose Staatenlenker an der Spitze der Pariser Massen, für Meinungsfreiheit demonstrierend. Das Foto war inszeniert. Schlimm genug. Andererseits wurde Angela Merkel aus etwas weggelassen, das es eh so nicht gab. Das ist alles.
    Von Merkel dürfen Bilder gezeugt werden. Sie ist nur manchmal nicht im Bilde. Beim Propheten ist das schwieriger. Wie mit der Wahrheit. Die haben andere gepachtet.
    Andere kreativ-satirische Wege
    In der Türkei hat ein Gericht die Sperrung von Internetseiten angeordnet, die das Titelblatt des neuen "Charlie-Hebdo"-Hefts zeigen. Weil der Prophet drauf ist. Webseiten werden hierzulande nicht gesperrt, aber Empfehlungen ausgesprochen. Der türkisch-islamische Verband DITIB findet den Mohammed-Titel auch nicht gut, was niemand verlangt, aber hat gute Ratschläge, was auch niemand verlangt. Zitat: "Das hätte man vielleicht auch ohne Abbildung unseres Propheten thematisieren können." Es gäbe sicherlich – so DITIB weiter – "viele andere kreativ-satirische Wege". Rührend. Und der Zentralrat der Muslime will eine Debatte anstoßen – Zitat- "wo die Grenze zwischen Meinungs- und Religionsfreiheit verlaufen sollte". Zitatende.
    Tja, die neuen Freunde von Charlie.
    Neue Freunde
    Die zeigt auch ein Cartoon des neuen "Charlie-Hebdo"-Heftes. Unterm Titel "Neue Freunde" sind hohe Würdenträger der Weltreligionen zu sehen.
    Naina hat auch viele neue Freunde. Auf Twitter. Follower. Naina steht kurz vorm Abi und twitterte "Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen, aber ich kann ne Gedicht-Analyse schreiben in vier Sprachen." Und ihr Erfolg: Die Schriftgelehrten, sprich Minister und Lehrer, sie diskutieren mit ihr. Und: Nun hat sie fast 16.000 Follower. Tendenz steigend. "Natürlich werde ich mir jetzt zweimal überlegen, was ich poste", sagt sie. Verständlich. Bei so viel neuen Freunden. "Charlie Hebdo", wird seine neuen Freunde nicht so pfleglich behandeln, sondern rücksichtslos und undankbar. Chapeau.