Auf ihrem Bundesparteitag in der nächsten Woche will die AfD erstmals über ein Parteiprogramm abstimmen. Junge sagte weiter, er gehe davon aus, dass es am Ende eine differenziertere Positionierung geben werde. Es lägen zahlreiche Änderungsanträge vor - auch, was das Kapitel zum Islam angehe. Deshalb seien die Aussagen der stellvertretenden Bundesvorsitzenden von Storch und von Brandenburgs AfD-Chef Gauland nicht als endgültige Haltung der Partei zu sehen.
Von Storch hatte erklärt, der Islam sei eine politische Ideologie, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei. Gauland nannte den Islam einen "Fremdkörper" in Deutschland. Junge blieb aber dabei, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre. Er sei eine politische Religion und "hat nicht die Zurückhaltung, diesen Laizismus, den wir von Religion erwarten". Insbesondere durch die massive Zuwanderung junger Muslime steige das Risiko der Radikalisierung.
Das Interview in voller Länge:
Tobias Armbrüster: Die AfD positioniert sich zunehmend als Anti-Islam-Partei. Zwei führende Politiker der AfD, Beatrix von Storch und Alexander Gauland, haben am Wochenende erklärt, der Islam sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, die Partei solle sich deshalb dafür einsetzen, dass beispielsweise Moscheen stärker kontrolliert und notfalls geschlossen werden, Minarette und Verschleierung sollen verboten werden. Das waren Aussagen aus zwei Interviews, die die beiden gegeben haben.
Wir wollen das noch ein bisschen genauer wissen. Am Telefon ist jetzt Uwe Junge, der Landeschef der AfD in Rheinland-Pfalz. Schönen guten Morgen, Herr Junge.
Uwe Junge: Schönen guten Morgen, Herr Armbrüster.
Armbrüster: Herr Junge, sehen wir das richtig? Erst mal kommen jetzt keine Flüchtlinge mehr nach Deutschland, also sind die Muslime in Deutschland jetzt das neue Ziel der AfD?
Junge: Ganz sicher nicht. Das Thema Islam ist ja ein ständiges Thema, das wir auch im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise natürlich thematisiert haben. Aber so wie es kolportiert wurde, dass das jetzt unser neues Thema ist, das stimmt ja nicht. Es ist eines der Themen, die wir in unserem Grundsatzprogramm anschneiden werden, aber es ist sicherlich nicht der Mittelpunkt unserer Programmatik, so wie es in der "FAZ" stand, denn es handelt sich um drei Seiten von insgesamt 70 Seiten und insofern ist es ein Thema, aber es ist sicherlich nicht das zentrale Thema.
Armbrüster: Darüber sollten wir trotzdem genau reden. Was genau hat Ihre Partei gegen Muslime?
Junge: Gegen Muslime an sich ja nun mal gar nichts, sondern wir sagen, und Alexander Gauland hat das ja auch ganz deutlich gemacht, hat auch gesagt, wir müssen schon unterscheiden zwischen Muslime, die sich ihren Platz in unserer Gesellschaft durch Anpassung, durch Integration erworben haben. Aber es gibt natürlich auch den fundamentalen Islam. Der steht gegen alles, was unser freiheitlich-demokratisches Gesellschaftsmodell ausmacht. Er ist intolerant, steht gegen die freie Meinungsäußerung, lehnt die Gleichberechtigung von Mann und Frau ab, und darum sagen wir auch, der Islam gehört nicht zu Deutschland.
Armbrüster: Warum machen Sie denn dann keine Unterscheidung zwischen dem fundamentalen Islam, der extremen Variante, und dem Islam, der von Millionen von Muslimen in Deutschland praktiziert wird, ohne dass irgendjemand damit ein Problem hat?
Junge: Wir unterscheiden sehr wohl. Es ist natürlich jetzt die Aussage …
"Der Islam ist eine politische Religion"
Armbrüster: Moment! Nein, nein! Zumindest in diesen beiden Interviews wird nicht unterschieden. Da heißt es, der Islam ist an sich mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
Junge: Der Islam ist eine politische Religion. Er hat nicht diese Zurückhaltung und den Laizismus, den wir von Religion in der Regel erwarten, dass er sich aus Politik zurückhält, sondern er ist eine eindeutig politisch ausgerichtete Glaubensgemeinschaft, die sich auch so darstellt und auch so in dieser Form sich präsentiert - nicht nur hier in Deutschland, hier natürlich sehr stark verdeckt, aber in den islamischen Ländern ja nun sehr deutlich ausgeprägt, wie ich es auch selber bei meinen Einsätzen in Afghanistan festgestellt habe.
Armbrüster: Darüber können wir gleich gerne noch sprechen, über Ihre Erfahrungen im Ausland. Aber zumindest für Deutschland können wir doch festhalten, ich wiederhole das noch einmal, dass es Millionen von Muslimen gibt, die ihren Glauben hier praktizieren, die hier arbeiten, die hier Steuern zahlen, die möglicherweise ab und zu in die Moschee gehen und beten, die ihren Glauben leben, aber die damit in keinerlei Konflikt mit Deutschland geraten.
Junge: Das ist sicherlich so. Das erleben wir auch so. Aber ich denke, wir haben dennoch ein Problem damit, dass wir mit einer jetzt mit einer massiven Zuwanderung, die wir ja erlebt haben, insbesondere von jungen Muslimen in Deutschland hier ein Verhältnis bekommen und auch eine Unterscheidung in der Masse ganz einfach, die dann mit einer Radikalisierung des Islams durchaus auch eine Gefahr für unsere Gesellschaft darstellen kann.
Armbrüster: Woher nehmen Sie denn diese Informationen?
Junge: Na ja, gut. Es gibt ja entsprechende Erkenntnisse, die man ja auch dann, wenn wir in Parallelgesellschaften gehen, in massive Parallelgesellschaften, so wie wir das ja nun auch erlebt haben in Brüssel und in anderen Bereichen, sieht. Dass es hier eine Radikalisierung gibt, ist ja nun eindeutig festgestellt. Und die Frage ist - und das ist ja der entscheidende Punkt -, dass wir hier diesen Dingen, die sich entwickeln können und die sich in Teilen ja auch schon entwickelt haben, uns entgegenstellen wollen und zumindest auf dieses Thema aufmerksam machen wollen.
"Es gibt ein Klima, das eine Radikalisierung möglich macht"
Armbrüster: Herr Junge, dann verstehe ich Sie richtig? Sie werfen die Terroristen beispielsweise in Brüssel und in Paris in einen Topf mit muslimischen Arbeitnehmern in Deutschland, die hier Steuern zahlen, die hier arbeiten, die sich nichts zuschulden kommen lassen?
Junge: Nein, ganz sicher nicht. Aber es gibt natürlich ein Klima und eine Möglichkeit, die hier durchaus eine Radikalisierung möglich macht. Und natürlich nicht - das habe ich eingangs gesagt - meinen wir diejenigen, die sich hier bereits integriert haben. Im Übrigen stellen wir ja auch fest, …
Armbrüster: Was sollen die denn sagen zu Ihrem Satz, diese Muslime, von denen Sie jetzt sprechen, die friedfertigen, die große, die absolut überwiegende Mehrzahl der Muslime? Was sollen die denn sagen zu Ihrem Satz, der Islam ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar?
Junge: Nun, wir haben ja gerade auch in dieser Bevölkerungsgruppe, die durchaus sich integriert haben, Ängste, die auch artikuliert werden, mit denen wir sprechen und wo wir auch ganz klar heraushören können, dass auch sie Ängste haben vor einer Radikalisierung des Islams, insbesondere dann, wenn sich die Mehrheitsverhältnisse verändern. Auch diese Bevölkerungsgruppe, die sich hier integriert hat und sich vielleicht auch an unser Gesellschaftsmodell angepasst haben, haben Ängste und diese Ängste greifen wir auf und wir sprechen darüber. Ich denke, es ist gut, wenn wir darüber sprechen, wenn Politiker sich um diese Ängste auch kümmern, denn letztlich geht es doch darum, wenn ich das noch sagen darf, Herr Armbrüster, dass Politiker in ihrer Kernaufgabe dafür zu sorgen haben, dass Schaden vom deutschen Volk abgewendet wird, und ich denke, da muss man diese Dinge thematisieren.
Armbrüster: Aber warum können Sie dann nicht diese Differenzierung hinkriegen, dass Sie sagen, ja, es gibt einen politisch extremen Islam, eine terroristische Strömung, die lehnen wir ab, aber wir unterstützen Muslime in Deutschland bei der friedlichen Ausübung ihres Glaubens?
Junge: Ich denke, das wird auf dem Bundesparteitag auch genauso rauskommen. Gerade dieser Passus …
Armbrüster: Eine Differenzierung? Eine differenzierte Position?
Junge: Da gehe ich von aus. Ich gehe davon aus, dass es eine differenzierte Positionierung geben wird. Es gibt ja mittlerweile über tausend Änderungsanträge zu diesem Grundsatzprogramm und die beziehen sich auch auf diesen Passus Islam. Und ich denke nicht, dass diese Äußerung jetzt von Frau von Storch und von Herrn Gauland sich in dieser, ich sage mal, Einfachheit halten lassen wird. Die AfD ist eine Partei der Basisdemokratie, es ist ein Mitgliederparteitag mit über tausend Mitgliedern, die dort sich bisher angemeldet haben, und ich denke, dass das Thema erst noch diskutiert wird. Insofern würde ich das Grundsatzprogramm und das, was Frau von Storch und Herr Gauland gesagt haben, jetzt noch nicht als endgültige Haltung der AfD sehen, sondern die wird zu diskutieren sein und das wird sehr spannend werden, was auch in diesem Punkt am Ende rauskommen wird.
Armbrüster: Herr Junge, das heißt, Sie werden den Satz, der Islam ist nicht mit der deutschen Verfassung vereinbar, nicht unterschreiben?
Junge: Das wird die Diskussion ergeben. Ich habe viele Argumente dazu gehört, aber ich gehöre sicherlich zu denen, …
Armbrüster: Ich frage nur jetzt Sie. Mit welcher Position gehen Sie in diese Diskussion?
Junge: …, dass eben auch differenziert zu betrachten. Wir müssen unterscheiden zwischen dem fundamentalen Islam und dem, was an friedlichen Muslimen hier in Deutschland ihre Religion hier ausüben und so, wie Sie jetzt schon mehrfach betont haben, hier arbeiten gehen und Steuern bezahlen. Da muss man natürlich schon differenzieren.
Armbrüster: … sagt Uwe Junge, der Vorsitzende der Alternative für Deutschland in Rheinland-Pfalz. Vielen Dank, Herr Junge, für das Gespräch heute Morgen.
Junge: Sehr gerne, Herr Armbrüster.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.